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Nicht noch mehr Schreibtische!

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Das Konzilsdekret über das Apostolat der Laien hat einige wichtige Aussagen über katholische Organisationen und Laienbewegungen gemacht. Zuerst werden zwei Gründe für die Notwendigkeit des organisierten Laienapostolates angeführt: 1. „Die Gläubigen… mögen bedenken, daß der Mensch seiner Natur nach ein gesellschaftliches Wesen ist und daß es Gott gefallen hat, die an Christus Glaubenden zu einem Volk Gottes (1 Petr 2, 5—10) und zu einem Leib zu vereinigen (1 Kor 12, 12). Das in Gemeinschaft geübte Apostolat der Gläubigen entspricht also in glücklicher Weise einem ebenso menschlichen wie einem christlichen Bedürfnis (Nr. 18).“ 2. „Das in Gemeinschaft geübte Apostolat ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil das Apostolat sowohl in den Gemeinschaften der Kirche als auch in den verschiedenen Milieus oft ein gemeinsames Vorgehen verlangt (Ebd.).“ Daher „sind alle apostolischen Vereinigungen gebührend zu schätzen und zu fördern (Ebd. Nr. 21)“.

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Das Konzilsdekret über das Apostolat der Laien hat einige wichtige Aussagen über katholische Organisationen und Laienbewegungen gemacht. Zuerst werden zwei Gründe für die Notwendigkeit des organisierten Laienapostolates angeführt: 1. „Die Gläubigen… mögen bedenken, daß der Mensch seiner Natur nach ein gesellschaftliches Wesen ist und daß es Gott gefallen hat, die an Christus Glaubenden zu einem Volk Gottes (1 Petr 2, 5—10) und zu einem Leib zu vereinigen (1 Kor 12, 12). Das in Gemeinschaft geübte Apostolat der Gläubigen entspricht also in glücklicher Weise einem ebenso menschlichen wie einem christlichen Bedürfnis (Nr. 18).“ 2. „Das in Gemeinschaft geübte Apostolat ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil das Apostolat sowohl in den Gemeinschaften der Kirche als auch in den verschiedenen Milieus oft ein gemeinsames Vorgehen verlangt (Ebd.).“ Daher „sind alle apostolischen Vereinigungen gebührend zu schätzen und zu fördern (Ebd. Nr. 21)“.

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Die Vorlage zur dritten Session der Wiener Diözesansynode behandelt das Apostolat der Laien in einem eigenen, u. E. gut gearbeiteten Abschnitt, wobei vor allem das organisierte Apostolat in fünf Punkten behandelt wird. Davon scheinen uns folgende Aussagen hervorgehoben wenden zu müssen: „Die KA der Erzdiözese Wien ist als eine apostolische Vereinigung im Sinne des Artikels 20 des Dekretes über das Laienapostolat zu betrachten“ (Leitsatz 12). „Die katholischen Verbände sind berufen, neben ihren speziellen Aufgaben auch bei der Erarbeitung und Vertretung christlicher Grundsätze sowie ihrer Anwendung auf die Probleme unserer Zeit ihren Beitrag zu leisten“ (Leitsatz 17). Etwas schwächer, wenn nicht allzu schwach, scheinen uns die Aussagen über die apostolischen Gruppen und Säkulär- institute zu sein. Die Säkularinstitute werden nur als Anhängsel zu den laienapostodiischen Bewegungen behandelt, aber der Leitsatz 19 gehörte wohl richtiger sofort im Anschluß an den Absatz über die Orden. Außerdem ist die Aussage dieses Leitsatzes so dürftig, daß sie einer vollständigen Umarbeitung bedürfte. Die apostolischen Bewegungen werden zuwenig unter dem Aspekt ihres charismatischen Charakters gesehen. Deshalb ist es wohl nicht unangebracht, die Bedeutung der katholischen Verbände und der apostolischen Gruppen und ihre derzeitige Situation etwas genauer zu analysieren.

Wenn wir die katholischen Verbände, denen analog die KA mit ihren Gliederungen gegenübersteht, in ihrem heutigen Zustand betrachten, so kann man kaum von einer Blüte derselben, wohl aber eher von einer tiefgehenden Krise sprechen.

Nur Informationsblätter

Ein Spiegelbild dafür sind die verschiedenen publizistischen Organe dieser Verbände sowie der KA und darüber hinaus viele ihrer Tagungen. Es gibt zahlreiche Vereins- und Ver- bandsblättetr, anigefangen von der KA und ihren Gliederungen bis zu den großen Verbänden, wie CV und MKV, Kolping, Drittorden u. a. — Die meisten von ihnen sind interne Informationsblätter, die kaum die Spiritualität oder Aktivität tiefer befruchten. Manche dieser publizistischen Organe, sowohl in der KA als auch in den Verbänden, sind im wahren Sinn des Wortes einer Umfunktionierung erlegen. Es haben sich einzelne oder Gruppen ihrer bemächtigt und versucht, auf diesem Klavier ihre eigenen Tonarten zu spielen. Bisweilen hat man versucht, sich gewissen Monatsmagazinen oder auch der Tages- und Wochenpresse anzugleichen. Vor allem aber konnte und kann man sich, teilweise auch heute noch, nicht genügten an einer mehr oder weniger destruktiven Kritik an allem Bestehenden und an der Verbreitung von Ideen der neuen Linken. Oft genug schon wurden katholische Presseorgane mißbraucht zur Verbreitung antimilitaristischer Ideen, die das Staatsbewußtsein untergraben, und selbst der Propaganda für Sex und Porno. Daß es sich hier um eine Umfunktionierung handelt, geht gerade aus der erschreckenden Intoleranz mancher junger Redakteure gegen jede andere Meinung und aus dem Mangel an jedem Taktgefühl hervor, das anderseits eine ganz und gar mangelnde Urteilskraft verrät. Man will sich nur um jeden Preis mit dieser oder jener Idee durchsetzen und scheut sich nicht, auch katholische Presseorgane dazu zu mißbrauchen. Dasselbe gilt von Tagungen.

Stellen wir dem gegenüber, was an einer positiven geistigen Ausrichtung der Verbandsmitglieder auf ihre zukünftigen Aufgaben geschrieben wird, so findet man davon leider herzlich wenig. Diese Tatsachen zeugen eher von geistiger Verwirrung und Desorientierung durch eine geschwätzige und destruktive Kritik als von einer echten Aufbauarbeit. Betrachtet man den Zustand der einzelnen katholischen Vereinigungen, der katholischen Jugend, der katholischen Hochschulverbände, aber auch der Erwachsenenverbände, so muß man eine erschreckende Lethargie und einen steigenden Schwund der Mitglieder feststellen. Und bei der katholischen Jugend und Studentenschaft ist ein Trend zur radikalen Linken bemerkbar, der nicht aus der Jugend selbst kommt, sondern auf dem Wege, den wir oben geschildert haben, in sie hineingetragen wird.

Die Katholische Aktion und die katholischen Verbände müßten sich endlich zu einem konkreten Bildungsprogramm aufraffen. Man hat sich bisher mehr oder weniger mit einem Aktionsprogramm begnügt. Die spirituelle und die religiös-wissensmäßige Führung der einzelnen Mitglieder wurden sehr wenig ins Auge gefaßt. In den Aussagen der Synode kommt zwar die Wissensvermittlung zum Zuge, aber die spirituelle Ausbildung, die für eine personale Glaubenshaltung ebenso wichtig ist, wird noch kaum beachtet. Auch der Bedeutung der Gemeinschaft wird noch viel zuwenig Rechnung getragen.

Wir haben oben über die KA und Verbandspresse gesprochen. Sie hätte in dieser Bildungsaufgabe eine wichtige Rolle, die sie aber in ihrer gegenwärtigen Gestalt kaum zu erfüllen vermag. Es bedürfte gründlicher Überlegungen, wie durch solche Presseerzeugnisse nicht unnütz Gelder verschleudert werden und nur Papier bedruckt wird und wie anstatt dessen mit weniger Materialaufwand und Arbeitsleistung inhaltlich Brauchbareres geschaffen wird.

Gefahren…

Wir haben heute auch in Österreich eine Vielfalt apostolischer Bewegungen, verschiedene Säkularinstitute, die Marianiischen Kongregationen, die Legio Mariä, Cursillo, Fokolari, Opus Dei, Drittorden usw.

Die allzu große Vielfalt dieser apostolischen Bewegungen sind ein Zeichen des charakteristischen Aufbruchs in der Kirche, sie sind aber auch eine Reaktion auf vielfache Erstarrungs-

erecheinungen in älteren katholischen Vereinigungen, und ebenso auf einen allzu einseitigen Dirigismus, der das kirchliche Leben in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg beherrscht hat und der in vielen Bereichen zu einem Leerlauf geworden ist Die jüngeren apostolischen Bewegungen sind ein Aufbruch von unten her, von der Basis der Laien. Es wäre aber falsch, nicht auch gewisse Gefahren dieser Bewegungen zu sehen, dessen gerade diese jüngeren Bewegungen ausgesetzt sind. So wie wir bei den Verbänden auf die Gefahren und Krisen hingewiesen haben, soll es auch bei den apostolischen Bewegungen geschehen.

Eine erste Gefahr, die wohl jeder jungen Bewegung eigen ist, liegt darin, allzu leicht sieh selbst als Rezept für alle Nöte der Kirche zu sehen. Das führt zu dem Versuch, sich möglichst rasch auszubreiten und eine möglichst hohe Mitglieder- zahl zu erreichen. Es kann nicht ausbleiben, daß dabei die Mitglieder nicht genügend tief in den Geist der Bewegung eingeführt werden und daher entweder nur Mitläufer sind oder aber aus einer zu oberflächlichen Begeisterung heraus in einen einseitigen Aktivismus verfallen.

Die zweite Gefahr liegt in der Tatsache, daß junge Bewegungen anfänglich mit einer gewissen Anonymität arbeiten und daher ganz unbedacht ihre Mitglieder in den Reihen anderer katholischer Vereinigungen werben. Abgesehen davon, daß man dabei der gefährlichen Selbsttäuschung verfällt, die Zahl der Laienapostel bedeutend zu vermehren, schafft man Unordnung und Unfrieden. Es ist ja kein Ideal, daß einzelne eifrige Katholiken gleichzeitig mehreren, wenn nicht womöglich allen apostolischen Bewegungen angehören. Wenn dies auch nicht ganz zu verhindern ist, so soll dieser Zustand nicht noch schlimmer werden. Eine dritte Gefahr, die alle diese Bewegungen betrifft, ist der Mangel an der sorgfältigen geistigen und spirituellen Durchbildung der Mitglieder. Ohne diese Bildung muß alles Apostolat des echten Quellgrundes entbehren. Einem rasch entflammten Eifer mangelt überdies oft die Klugheit. Bisweilen wird der Eifer zum Fanatismus. Der Schaden, der sowohl jenen, die einen solchen falschen Weg einschlagen, als jenen, die durch einen so fehlgeleiteten Idealismus beeinflußt oder bekehrt werden sollen, liegt offen zutage.

Der apostolische Aufbruch in allen diesen Bewegungen ist aufrichtig zu begrüßen. Es bedarf aber noch einer gründlichen Überlegung und aufrichtiger Zusammenarbeit, um Doppelge- leisigkeiten und Überschneidungen, die letztlich keinem der Betroffenen nützen, zu vermeiden. Dazu wäre es sicher von großem Nutzen, wenn alle apostolischen Gruppen sich eindeutig deklarierten und ihre Ziele genau umschrieben. Die verschiedenen Gruppen würden umso mächtiger werden, als sie sich auf jene Mitglieder beschränkten, die, weil frei von anderen Bindungen, ganz im Geiste dieser oder jener Bewegung ausgebildet werden können und dann auch imstande sind, die Forderungen dieser Bewegungen zu erfüllen.

Thesen zur Erneuerung

So lassen sich vielleicht einige Thesen zur Erneuerung und Konsolidierung der katholischen Verbände und apostolischen Gruppen aussagen.

1. Alle diese Gruppen sind Kirche. In ihnen sollen sich die verschiedenen Charismen entfalten zur Erfüllung der Sendung Christi. Sie sind also alle zu bejahen.

2. Alle diese Gruppen stehen heute in einem großen Wandlungs- und Läuterungsprozeß. Sie müssen zwischen einer ganz ernsten Selbstbesinnung oder ihrer Auflösung wählen. Sie können sich dieser Aufgabe nicht entziehen. Jede dieser Gruppen ist nur insofern für die Kirche ein Dienst, als sie fähig ist, der Kirche von heute und morgen zu dienen. Keine hat ihre Berechtigung in ihrem Selbstzweck und in ihrer Selbstbehauptung.

3. Um sich zu erneuern, müßten alle Gruppen wenigstens mit der bisher allzu reichlich geübten zerfleischenden Selbstkritik Schluß machen. Reine Negation des Bestehenden ist völlig unfruchtbar und zerstörerisch. Ferner müßten sie rieh mit ihrer eigenen Aufgabe bescheiden und sich auf diese beschränken. Dies sowohl im Grundsatzprogramm als auch im alltäglichen Aktionsprogramm. Die allzu eifrigen Besserwisser und Weltreformer, die heute überall am Werk sind, haben bei dieser Arbeit eigentlich keinen Platz. Beschränkung ist schließlich und endlich auch bei den Mitgliedern notwendig. Man soll zufrieden sein mit jenen, die man erreicht und die die Bereitschaft zeigen, wirklich mitzuarbeiten.

4. Die Selbstbesinnung und die Erneuerung müssen in den einzelnen Gruppen und Verbänden liegen. Sie müssen von unten nach oben geschehen. Nicht kostspielige Apparate wie Verbandzentralen mit sich ständig mehrenden Schreibtischen führen zur Erneuerung, sondern nur die Kleinarbeit von unten her. Dies gilt vor allem von der Katholischen Aktion und von großen katholischen Verbänden. Die Zentralen drohen zu einem reinen Machtinstrument zu werden, verschlingen sehr viel Geld, kümmern sich nicht um das Fußvolk und beschäftigen sich, je größer sie werden, nur mit sich selbst. Legt man also in sie das Schwergewicht, so läuft man Gefahr, am Schluß nur einen sterilen Apparat, aber nicht apostolisch geschulte Menschen her- angebildet zu haben. Die Arbeit muß ganz unten in der kleinen Zelle bereitwilliger Christen beginnen. Jede Organisation oder apostolische Bewegung hat an diesen Menschen eine Dienstfunktion. Sie muß ihnen helfen, christliches Leben voll und ganz zu verwirklichen.

Vor allem: Persönlichkeitsbildung

Eine wirkliche Erneuerung muß alle kleinlichen Macht- und Konkurrenzkämpfe zwischen den Verbänden und Bewegungen auszuschalten suchen und darf nur die ehrliche Leistung anstreben. Aller Selbstbetrug muß vermieden werden. Zu lange sind auf dem Boden der Kirche solche sinnlosen Machtkämpfe ausgetragen worden. Sie haben auch die überaus hoffnungsvollen Anfänge in der Erneuerung des kirchlichen Lebens nach dem zweiten Weltkrieg schon vor dem Beginn des Konzils wieder zum Erlahmen gebracht und sind in Sterilität erstarrt oder zur Beute nur neuerungssüchtiger Ehrgeizlinge geworden.

Nochmals sei auf die Gefahr einer Einseitigkeit hingewiesen, die auch in der Zukunft droht: Die fast ausschließliche Betonung der Information und fachlichen, sei es theologisch oder sozialen, Bildung. Sosehr diese notwendig sind und durch Institutionen, die dafür bereits vorhanden sind, geleistet werden können, müssen sie selbstverständlich in den Dienst der Arbeit gestellt werden. Die größeren katholischen Verbände können dies vielleicht sogar in eigener Regie machen. Die primäre Aufgabe der katholischen Verbände und der verschiedenen apostolischen Bewegungen liegt aber in der Persönlichkeitsbildung. Diese läßt sich nicht ohne ernste charakterliche und spirituelle Arbeit am einzelnen “erreichen. Und gerade auf diese Aufgabe muß das Hauptaugenmerk gerichtet werden. Es geht also bei allen Bestrebungen, das ganze Volk Gottes für seine Sendung zu mobilisieren, zuallererst um diese Kleinarbeit Billiger ist das Ziel einfach nicht zu erreichen. Es geht um die Ehrlichkeit, mit der man bereit ist, alles aufzugeben, was nur äußerer Schein, Machtmittel oder Apparat ist. Vielleicht werden wir auch durch mangelnde Mittel dazu gezwungen. Erfreulicher wäre es allerdings, wenn wir aus echter persönlicher Einsicht heraus dies zu tun vermöchten.

Die Diözesansynoden können wohl eine Bestandsaufnahme aller laien- apostoüschen Gruppen und Initiativen machen, sie können auch Gremien für eine sinnvolle Zusammenarbeit bilden, mehr aber nicht.

Die Zentralen sollten sich ihres subsidiären Charakters bewußt bleiben und nicht unnütze Kraft für einen sinn- und wirkungslosen Dirigismus verwenden. Ehrliche Arbeit kann nur von unten her geschehen. Die Zentralen mögen auch bedenken, daß sie durch zu starkes Hervortreten den Eindruck erwecken, daß ohnedies alles von oben geschieht und daher die Aktivität von unten her eher lähmen als fördern. Die zuständigen Stellen in Diözesen und Orden müßten die Priester, die sich dem Apostolat in den katholischen Laienvereinigungen widmen, sorgfältig auswählen und vorbilden.

Die ernste Lage der Kirche fordert unbedingte Ehrlichkeit, Verzicht auf Äußerlichkeiten, auf den Schein großer Zahlen und breiter Publizität zugunsten einer ehrlichen und sauberen Innenarbeit. Jeder soll sein Haus in Ordnung halten und sich bewußt bleiben, daß er dadurch am besten zum Wohl des Ganzen beiträgt. Jede Gruppe soll sich zuerst um sich selbst und nicht um die anderen kümmern und sich der Verantwortung dem ganzen Volk Gottes gegenüber bewußt bleiben.

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