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Nicht nur die Rubel rollen

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Wenig demonstriert den Sin^ neswandel im IOC in Sachen Amateurparagraph und Geld deutlicher als der Fall des amerikanischen Indianers Jim Thorpe. Mit phantastischen Leistungen, die dem schwedischen König Gustav V. den bewundernden Satz „Sie sind der größte Athlet, den die Welt je gesehen hat“ entlockten, hatte Thorpe 1912 in Stockholm den Fünfkampf und Zehnkampf gewonnen. Wochen später nahm man ihm — es war bekannt geworden, daß er einmal für 60 Dollar Baseball gespielt hatte -die Medaillen wieder ab und sprach sie den jeweils Zweitplazierten zu, die aber beide die Annahme verweigerten.

Was unter dem bis 1972 amtierenden IOC-Präsidenten Avery Brundage — er war 1912 selbst Zehnkämpfer und soll die Thor-pe-Disqualifikation betrieben haben — undenkbar gewesen wäre, geschah 1982: Das IOC nahm Thorpe wieder in die olympischen Siegerlisten auf, und Präsident Juan Antonio Samaranch überreichte Thorpes Kindern in einer Feierstunde die Medaillen ihres Vaters.

Besser ging es da ja noch dem Amerikaner John Kelly, den man 1920 zu Olympia-Gold rudern ließ. Kurz davor hatte man ihn bei der Regatta im englischen Henley nicht an den Start gelassen. Begründung: Als Maurer habe er körperliche Vorteile gegenüber den britischen Gentlemen.

Sein Sohn, John Kelly junior, durfte in Henley starten und gewinnen und holte sich 1956 auch Olympia-Bronze in Melbourne. Noch bekannter wurde Tochter Grace: als Filmstar und Fürstin von Monaco.

Heute, wo die durch Tennis zur Dollar-Multimillionärin gewordene Deutsche Steffi Graf um Olympia-Gold antreten darf, scheint die Entwicklung zu total „offenen Spielen“ kaum mehr aufhaltbar. Man kennt sogar die Siegesprämien einzelner Staaten. Beispielsweise wird jeder UdSSR-Olympiasieger, umgerechnet rund 240.000 Schilling erhalten. Und dabei rollen nicht nur Rubel, die Hälfte der Summe soll in Westwährung ausbezahlt werden.

Daß die Olympier bei den Verdiensten der Sportler nicht-mehr kleinlich sind, wird auch vor dem gesamten kommerziellen Hintergrund der Spiele verständlich. Da wird vermarktet und auf mögliche Profite geschaut, wo es nur irgendwie geht. Obwohl die eigens beauftragte Schweizer Agentur International Sports Leisure Marketing (ISL) statt der erhofften 300 Millionen Dollar nur 125 Millionen von neun Top-Sponsoren (Time, Visa, Panasonic, Coca-Cola, Kodak, 3M, Philips, Federal Express) hereinbrachte, ist alles in allem mehr als 1984 hereingekommen. Allein der amerikanische TV-Gigant NBC zahlt rund 3,6 Milliarden Schilling in die Olympiakasse — da kann man sich schon revanchieren und das Olympia-Programm auf die Fernsehgewohnheiten der Amerikaner abstimmen...

Ein offenes Geheimnis ist, daß etliche namhafte Multis die Einladung zur Sponsorschaft dankend ablehnten und bei den neun verbliebenen Sponsoren oft besonderes Sportinteresse der Geschäftsführung zur Entscheidung beitrug. Werbeprofi Erich Zott von 3M-österreich meint: „Der Grundsatz .Dabei sein, fair sein' deckt sich genau mit der Firmenideologie unseres Mehrspartenunternehmens.“ Darüber hinaus will 3M, das in 17 Ländern in Millionenauflage Olympiabroschüren verteilt, laut Zott signalisieren: „Nur die Besten und Größten können die Feste der Besten und Größten finanzieren.“

Aus dem internationalen Topf hat auch Österreich — nach einem bestimmten Schlüssel — drei Millionen zur Finanzierung seines Olympiateams (Gesamtkosten rund zehn Millionen Schilling) erhalten, den Rest mußte das österreichische Olympische Co-mite von heimischen Sponsoren aufbringen, was offenbar gelungen ist.

Der Staat sorgt zwar hierzulande für die für den Spitzensport unerläßlichen Infrastrukturen (Bundessportzentren, Trainerausbildung et ceterea), aber, so versichert Baidur Preiml vom Unterrichtsministerium, „zur Olympiateilnahme zahlt er überhaupt nichts dazu.“

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