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Digital In Arbeit

Nicht nur edle Rollen!

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Es wird sich schon herumgesprochen haben, daß der Beruf eines Schriftstellers weder begehrenswert noch besonders lukrativ ist. Ein sicheres Einkommen^ Sozialversicherung und Pensionsberechtigung kann man irehon von vornherein streichen, Di« zuweilen spektakulären Anfangserfolge mancher Autoren können nicht darüber hinwegtäuschen, daß es bei einem Schriftsteller beträchtlich länger dauert, biis er zu einem echten Ansehen oder gar Geld kommt als bei irgend einem anderen intellektuellen oder halbintellektuellen Beruf: Abgesehen von den Massenunterhaltern finden hauptsächlich jene Schriftsteller Beifall, die dem Gegner opponieren. Wenn sie verfolgt oder eingesperrt werden, können sie mit einer über die jeweils halbe Welt verbreiteten Anteilnahme rechnen. Wenn sie tot sind, erstreckt sich diese Angelegenheit manchmal auch auf die eigene halbe Welt. Zeit ihres Lebens zählen sie in ihrer Heimat wenig, so daß jeder mit ihnen umspringen kann, wie er will.

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Es wird sich schon herumgesprochen haben, daß der Beruf eines Schriftstellers weder begehrenswert noch besonders lukrativ ist. Ein sicheres Einkommen^ Sozialversicherung und Pensionsberechtigung kann man irehon von vornherein streichen, Di« zuweilen spektakulären Anfangserfolge mancher Autoren können nicht darüber hinwegtäuschen, daß es bei einem Schriftsteller beträchtlich länger dauert, biis er zu einem echten Ansehen oder gar Geld kommt als bei irgend einem anderen intellektuellen oder halbintellektuellen Beruf: Abgesehen von den Massenunterhaltern finden hauptsächlich jene Schriftsteller Beifall, die dem Gegner opponieren. Wenn sie verfolgt oder eingesperrt werden, können sie mit einer über die jeweils halbe Welt verbreiteten Anteilnahme rechnen. Wenn sie tot sind, erstreckt sich diese Angelegenheit manchmal auch auf die eigene halbe Welt. Zeit ihres Lebens zählen sie in ihrer Heimat wenig, so daß jeder mit ihnen umspringen kann, wie er will.

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Sie sind den weitaus besser organisierten Verlegern sowie Bundfunk-und Fernsehredakteuren, die ihnen einseitig und eigenmächtig die Bedingungen für die Zusammenarbeit diktieren, ebenso ausgeliefert wie den Finanzbeamten, die ohne Kenntnisse der schwierigen Vorbedingungen der schriftstellerischen Arbeit darüber ziu entsdieiden haben, ob ein komischer Vogel, der vom Schreiben lebt, einen Wagen zur Ausübung seines Berufs brauche oder die Kosten für eine Reise abschreiben dürfe. Idi will mich hier nicht über die Finanzbeamten im allgemeinen beklagen, es gibt sehr viele vemünf-tige und einsichtige Menschen, die bei dieser wenig beliebten Behörde arbeiten und für ihre Leistung oft schlecht entlohnt werden, ich möchte nur auf die verworrene und gesetzlich nicht fest umrissene geseEsdiaf t-liche und finanzpolitisdie Situation des Schriftstellers hinweisen, Er ‘nimmt : das Risiko .eines freien Unternehmers auf sidi, weil niemand ihn beauftragt, ein Gedicht, einen Roman oder ein Theaterstück zu schreiben, zuigleidi aber werden üim Redite und Steuererleichterungen verweigert, die andere freie Unternehmer beanspruchen. Die steuerlichen Begünstigungen, die anderen Steuerpflichtigen zuerkannt werden, wie vorzeitige Abschreibung imd In-vestitions- und Abfertiigungsrück-lagen wirken sich beim sdiriftsteUe-risdien Beruf überhaupt nicht aus. Das verletzt entschieden den Gleichheitsgrundsatz. Ein Schriftsteller kann nicht einmal mit einer Exportprämie rechnen, wenn ein Buch von ihm im Ausland erscheint und er dafür Devisen importiert. Feine Unternehmer sind das, die sich von jedem Amt und jeder Innung Rechte besdineiden und sich obendrein noch enteignen lassen. Das Gesetz hindert sie daran, für ihre Beiträge, die in Schulbüchern abgedruckt werden, ein Honorar zu verlangen. Das Papier, auf dem Schulbücher gedruckt werden, ist um keinen Groschen billiger, die Löhne der Setzer und Drucker sind nicht kleiner, nur die Prozente der Buchhändler, die sie verkaufen, sind etwas geringer als bei anderen Büchem. An den Sdiul-büdiem verdienen also alle Beteiligten, nur nicht die Autoren, ohne die es diese Ware garnicht gäbe. Das gleiche gilt für den Plan, das sogenannte geistige Eigentum der Autoren den Entwiddungsiändem kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Waschmittelfabrikanten und die Waffenlieferanten bekommen für ihre Wiaren bares Geld. Nach dem Stockhokner Abkommen jedodi wurde uns die Rolle der letzten uneigennützigen Helfer zugedadit. Uns werden überhaupt mit Vorliebe edle Rollen zugedacht, die nichts einbringen.

Eine weitere Form unserer Enteignung hat die moderne Technik mit sich gebracht. Der Besitzer eines Tonbandgerätes kann nach Belieben Rundfunksendungen aufnehmen und sie einem kleineren oder größeren Bekanntenkreis vorspielen, ohne die Autoren oder Komponisten dafür zu entschädigen. Das lįeidie gut für das Kassettenfemsehen, das in kurzer

2::eit el>enso verbreitet sein wird, wie die Kassettenrekorder. Es ist wirklich sdiwer einasusehen, warum bei diesen Medien nur die Industrie und die Händler verdienen — und die schöpferischen Künstler, die diesen ganzen Industriezweig überhaupt ermöglicht haben, leer ausgehen sollen. Ebenso ungerecht ist es, ein Buch zehn-, zwanzig- oder hundertmal auszuleihen, ohne den Autor dafür zu entschädigen.

Der eklatanteste Eingriff der Gesell-sdiaft in unsere Interessen ist die Freigabe aller Autorenrechte nach Ablauf der Schutzfrist, die in Österreich auf fünfzig, bei älteren Autoren, die schon vor dem Krieg geschrieben haben, auf faktisch 57 Jahre beschränkt ist. Werke, die ihren Schöpfern zeit ihres Lebens meistens nur einen schäbigen Lohn eingebracht haben, werden plötzlidi zum Allgemeingut deklariert, was die. .Pieireirzeuger, Drudser,-Verleger und Buchhändler nicht davon abhält, riodi inehr daran zu verdienen als an den Büchem der noch nicht „freien" Autoren. Auf diese Weise ist mancher von ihnen reicht geworden.

Um dem absurden oder besser gesagt, unwürdigen Zustand ihres Be-

rufszweiges ein Ende zu bereiten, haben alle in Wien ansässigen Schriftstellerverbände und Vereine eine Aktionsgemeinschaft gebildet. Ihr Ziel ist die Gründung einer Interessengemeinschaft österreichischer Autoren, die uns gegenüber unseren nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten Sozial- und Wirtschaftspartnern sowie Behörden vertreten und dafür sorgen wird, daß unsere berechtigten und schon längst fälligen Forderungen erfüllt werden. Hier sind sie:

• Wir fordern die Beendigung der steuerlichen Diskriminierung der Autoren durch Gesetze, die auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen ihrer Arbeit überhaupt nicht eingehen.

Daß schöpferische Künstler gleich behandelt werden wie Fabriksbesitzer, Großhändler und Handelsvertreter bringt im Endergebnis eine Ungleichstellung mit sich, denn welcher Künstler in Österreich kann Steuerbegünstigungen wie vorzeitige Abschreibung, Investitions- und Abfertigungsrücklagen in Anspruch nehmen?

Ein Beispiel: Ein Autor arbeitet zwei, drei oder vier Jahre lang an einem für ihn und vielleicht auch für die Literatur seines Landes wichtigen Buch, von dem nur ein paar hundert, höchstens .aber ein paar.tausend Exemplare verkauft werden, das also von vornherein ein glattes Verlustgeschäft ist. Um sich von dem Verlust zu erholen, schreibt derselbe Autor ein Kriminalspiel nach dem anderen, ein paar sogenannte Sachbücher, die dem Leser Informationen aus dritter Hand liefern, und obendrein, natürlich unter einem Pseudonym, einen „pikanten" Roman. Wieviel Geld er mit diesen Produkten auch immer verdient, er wird nie imstande sein, seine tatsächlichen Investitionen der mageren Jahre steuerlich zu verwerten, im Gegenteil, er wird mit hohen Steuern bestraft, ohne Rücksicht darauf, wovon er früher gelebt hat und wovon er in Zukunft zu leben beabsichtigt. Er wird sich also hüten, das Wagnis auf sich zu nehmen, wieder einmal ohne Besteuerungsausgleich, ohne steuerliche Anerkennung seines hohen Risikos ein für ihn und vielleicht auch für die Literatur seines Landes wichtiges Buch zu schreiben. Die heutige Finanzpolitik zwingt ihn zur pausenlosen Produkten von gängiger Ware und degradiert ihn so zum bloßen Handlanger des Konsumindustrie.

• Wir fordern ein gründliche Revision des Urheberrechts, das in Hinkunft alle Autoren vor einer teilweisen oder vollkommenen Enteignung schützen soll.

Vor ahem fordern wir, daß für alle Werke, die in Schulbüchern abgedruckt, im sogenannten Schulfunk gesendet oder den Entwicklungsländern zu Studien- und anderen Zwecken zur Verfügung gestellt werden, ein angemessenes Entgelt zu bezahlen ist.

In einem kleinen Land, in dem mehr Bücher gelesen als verkauft werden, ist es sehr wichtig, daß für jedes gelesene Exemplar eine Gebühr entrichtet wird. In Schweden zum Beispiel, einem vergleichsweise ebenso kleinen Land, bildet der Bibliotheksgroschen eine beträchtliche Einnahmequelle der Autoren. Eine weitere wichtige Gebühr, die zugunsten der ‘ Autorenrechte zu entrichten wäre, ist die Schutzgebühr bei privaten Überspielungen von Tonband- und Fernsehkassetten. Die kann man leicht beim Verkauf von Geräten oder Ton- und Bildbändern ein heben, so wie es in Deutschland praktiziert wird. Zu einer Zeit, in der der mächtige Philips-Konzern ausgerechnet in Österreich ein Europazentrum baut, ist der Schutz aller Urheberrechte bei Ton- und Bildkassetten von eminenter Bedeutung geworden.

Das allerwichtigste im Zusammenhang mit dem Urheberrecht ist die Verlängerung der Schutzfrist von 50 auf 70 oder 80 Jahre zugunsten der legitimen Erben. Darüber hinaus fordern wir eine Urhebemachfolgegebühr zugunsten der Autoren von heute, jjdit einem Wort: Die Klassiker sollen ihren schreibenden Kollegen von heute helfen, frei von Not ihrer Arbeit nachzugehen. Genauso werden die heutigen Schriftsteller ihren Nachfolgern helfen, die erst in hundert Jahren schreiben werden, falls es dann überhaupt noch jemanden geben wird, der so etwas Absurdes tut. Es handelt sich also um eine Art Selbsthilfe. Damit die Verlage, Theater sowie Rundfunk- und Fern- sehanstalten nicht allzu sehr belastet werden, kann man die Nachfolgegebühr auf etwa 20 Prozent des üblichen Honorars festsetzen.

• Wir fordern schließlich die Schaffung eines Sozial- und Pensionsfonds der Autoren, der aus den Geldern der Urhebernachfolgegebühr sowie aus je einem Teil des Bibliotheksgroschens und der Schutzgebühren für Ton- und Bildkassetten gespeist wird.

Ich muß am Ende nachdrücklich betonen, daß wir weder um Almosen betteln möchten noch die Absicht haben, uns .irgendwelche Privilegien, die uns nicht zustehen, zu erkämpfen. Wir möchten ganz einfach das Geld haben, das uns gehört Es geht um Millionenbeträge, die uns vorn Staat und von unseren Wirtschafts- und Sozialpartnern widerrechtlich vorenthalten werden. Wenn wir sie bekommen und unseren Sozial- und Pensionsfonds geschaffen haben, können wir ruhig auf jede staatliche Zuwendung verzichten. Wir werden auch imstande sein, vorausgesetzt natürlich, daß man uns die uns zustehenden Gelder nicht weiter vorenthält, die paar Stipendien und Preise zu entbehren und darüber hinaus jede andere Art direkter oder indirekter Literaturförderung zu finanzieren. Der Staat könnte dann für 2,5 Millionen Schilling, die im Budget für Literatur vorgesehen sind, einen Kindergarten bauen oder das Zwanzigstel eines Flugzeuges für unsere Landesverteidigung kaufen. Wir helfen also mit unseren Forderungen dem Staat sparen.

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