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Nicht nur Schmarren

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Eine künstlerische Wertung jenes Machwerks, das uns in der Vorwoche beschert wurde, erübrigt sich. Der Inhalt ist in den Tageszeitungen zur Genüge abgehandelt worden. Wieso es „Staatsoperette” genannt wurde, blieb unverständlich. Eine Operette, mindestens in Wien, lebt von Witz und Melodie, wenn auch nicht immer von geistvollen Dialogen. Nichts davon hier. Die Gestaltung sollte nach dem Motto „gar nicht ignorieren” vergessen werden. Die künstlerische Darstellung läßt nur die traurige Frage an Ernst Meister offen, warum er sich für dieses Monstrum von Rolle zur Verfügung gestellt hat. Er hat dies bèi Gott nicht nötig!

Was nicht unbeachtet bleiben sollte, sind die Randerscheinungen, die Fragen, die rund um Film und Diskussion auf getaucht sind und bisher nicht beantwortet wurden.

Zunächst die Frage, wer im Unterrichtsministerium, das Drehbuch gelesen und ihm eine Millionensubvention zuerkannt hat? Es scheint ■mir sicher, daß weder der für Budgetfragen zuständige Sektionschef Adolf März, gleichzeitig Chef des Kulturamtes, noch Minister Fred Sinowatz selbst diese Blasphemien, diese Verunglimpfungen subventioniert hätten, wenn sie ihnen bekannt gewesen wären. Wir glauben dem Minister, daß er seine Aufgaben als für das Verhältnis zur Kirche zuständiger Ressortchef ernst nimmt.

Wer aber ist dann verantwortlich dafür, wenn mit öffentlichen Mitteln Gebete und Riten verspottet werden, die dem Christen heilig sind; wenn mit Subventionen aus Steuergeldern - weit über eine erträgliche Karikierung hinaus - im Zerrbild eines Priesters nicht der „Politische Katholizismus”, sondern die Kirche getroffen werden soll. Hat hier wieder die „linke Hand” des Ministers zugeschlagen? (Welche der beiden „linken Hände”?)

Das Katz-und-Maus-Spiel des Generalintendanten um die Pressevorführung erscheint dagegen nur nebensächlich, ebenso seine Versicherung, man könne nur über „Film und Diskussion als Einheit” urteilen - wogegen dann zwischen Film und Diskussion eine Stunde Pause klaff-

te, mehr als genug Anreiz für müde Zuschauer, sich mit der Diskussion auch die erwartete scharfe Kritik zu ersparen.

Auch die wie von einem Hofnarren alter Zeiten angebotene Vorwarnung Werner Schneyders, man solle das alles nicht so tragisch nehmen, klang zwar schon recht manipulativ, kann aber noch übergangen werden, auch wenn dies alles den Eindruck verstärkte, daß man sich im ORF in der eigenen Position doch nicht gar so sicher wähnte, wie man tat.

Nun aber zur wichtigen Frage, wieso Intendant Kreuzer, Hauptverantwortlicher der Szene, selbst die Leitung der Diskussion führen mußte? Er hat diese Verantwortung wacker verteidigt, da fehlte nichts. Weder der versuchte Tiefschlag gegenüber dem Historiker, er „werde von der Kirche sehr empfohlen” - was sollte das anderes heißen, als „ihr könnt euch schon denken, was der aufführen wird”? - noch die Großzügigkeit, mit der er sich selbst das Wort erteilte. Sicher - im Club 2 soll es keinen „Diskussionsleiter” geben, nur einen „Hausherrn” - aber auch dem bleibt es nicht erspart, eine gewisse Ordnung in die Wortmeldungen zu bringen und schließlich zum Abgesang zu blasen. Warum also dann Richter in eigener Sache spielen?

Weitere Frage: Selbst Mitgliedern der Hörer-und-Seher-Vertretung ist es sonst nicht gestattet, direkt mit den Anrufern beim Kundendienst Kontakt aufzunehmen - wer hat es in diesem Fall dem unmittelbar betroffenen Autor gestattet?

Doch zurück zu Franz Kreuzer. Zwei seiner Bemerkungen seien aufgespießt. Man müsse den Film im Gesamtprogramm sehen - ein Abend unter 365 im Jahr. Sicher - auch einem Autofahrer ist konzediert, die Straßenverkehrsordnung in gewissen Grenzen „großzügig” auszulegen, etwa was Höchstgeschwindigkeiten und Parkverbote betrifft. Wenn er aber im Suff einen Fußgänger überfährt, wird ihm nichts nützen, wenn er darauf hinweist, an den anderen 364 Tagen im Jahr niemanden überfahren zu haben. Beim Genuß der „Staatsoperette” mußte mitunter aber fast peinlich der Vergleich des Autors mit einem betrunkenen Autofahrer, der Amok jährt, aufsteigen.

Und: Wir seien solchen Stil noch nicht gewohnt, meinte Kreuzer. Was heißt „noch”? Bedeutet das, daß wir uns sehr bald an solche Stilarten eines haßerfüllten Antiklerikalismus gewöhnen müssen?

Also liegt doch Methode drin? Ebenso Methode, wie in jenen „redaktionellen Eingriffen” in die Manuskripte freier Mitarbeiter, aus denen systematisch jedes Kreuz im Wohnzimmer, jeder Hinweis auf religiöse Bräuche in der Gegenwart gestrichen werden - nicht aber dann, wenn sie zur Demonstration längst vergangener Zeiten dienen oder wenn sie - wie im gegebenen Fall - verunglimpft werden. Ist das die „authentische Interpretation” der Programmrichtlinien, die eine „einwandfreie Unterhaltung” fordern, eine Unterhaltung, die auf die Wertvorstellungen des Durchschnittshörers und -sehers Rücksicht zu nehmen hat? Oder eine politische Bildung, die das Verständnis für das demokratische Zusammenleben fördert? Die Bildung sprog ramme des ORF fretten sich mit uralten Schwarz-Weiß-Wie- derholungen, weil kein Geld für sie da ist - aber hier standen sofort vier Millionen zur Verfügung.

Nur einige Fragen von vielen, auf die wir eine Antwort haben wollen. Mit dem abschätzigen Hinweis auf „die paar Kranken”, die die Telephone während der Sendung heißlaufen ließen, ist die Sache nicht erledigt. Die „paar Kranken” haben gezeigt, daß sich die Christen dieses Landes nicht alles gefallen lassen. Sie sind aufmerksam geworden, hellhörig. Sie werden weiter fragen, weiter protestieren (auch mit dem Stimmzettel). Das wird die gute Seite der „Staatsoperette” gewesen sein-

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