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Nicht nur singen, sondern auch hören

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„Die Lage der Kirchenmusik zehn Jahre nach dem Konzil“ war das Thema einer Veranstaltungsreihe, zu der die österreichische Gesellschaft für Musik eingeladen hatte. Zwei der prominentesten Kirchenmusikkenner der Gegenwart, Johannes Overath, seinerzeit Peritus der Konzilskommission für Liturgie, und Professor Dr. Karl Gustav Feilerer hielten Hauptreferate, ein abschließendes Round-table-Gespräch beschäftigte sich mit der kirchenmusikalischen Gegenwart speziell aus österreichischer Sicht.

Der Kölner Prälat Johannes Overath konnte durch die Einblicke, die er beim Entstehen der Konstitutionen über die Kirchenmusik als tätiges Mitglied der Kommission gewann, viele konkrete und nützliche Hinweise geben. Einerseits machte er kein Hehl daraus, daß in dieser Kommission überwiegend Liturgiker versammelt waren, die von den kir-ohenmusikalischen Aspekten so gut wie keine Ahnung hatten, anderseits stellte er mit aller gebotenen Klarheit fest, daß die Konstitution, wie sie als Ergebnis dieser Gemeinschaftsarbeit vorliegt, trotz dieses Umstandes keine Neuorientierung in der kirchenmusikalischen Gesetzgebung und in der Auffassung der

Musica sacra durch die Kirche bedeutet.

Um dies zu beweisen, legte er die Richtlinien der kirchenmusikalischen Gesetzgebung im 20. Jahrhundert dar. Die gegenwärtige Situation, die katastrophal zu werden drohe, sei in erster Linie die Folge der musikalisch ungenügenden Ausbildung des Priesternachwuehses und einer sich auf angebliche Richtlinien stützenden Diskriminierung der Musica sacra. Vor allem die Kernidee der Konstitution, die „actuosa partici-patio populi“ — die aktive Teilnahme des Volkes —, sei in den zehn Jahren seit dem Konzil immer fehlerhaft verstanden worden: Aktive Teilnahme des Volkes bedeute nicht ständiges Mitsingen, auch Musik hören sei eine solche Aktivität. Die vom Konzil beabsichtigte „via media“, der Mittelweg, sei in der Sprachenfrage längst verlassen, das Lateinische weitgehend verdrängt worden und damit auch die Musik, die ja überwiegend an den lateinischen Text gebunden ist. Ebenso überzeugt wie sich Overath für eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Konzilswillen und damit die Anerkennung der traditionellen Werte aussprach, ebenso entschieden wandte er sich gegen die Mißbräuche, etwa die „rhythmischen“ Messen, die, als Experimente getarnt, auf demselben Wege, nämlich durch arbiträre Deutungen der Konstitution, in die Kirche eingedrungen seien.

Prof. Feilerer, der kürzlich den ersten Band seiner monumentalen Geschichte der katholischen Kirchenmusik vorgelegt hatte, unterstützte die Meinung Overaths mit einem Streifzug durch die Entwicklung der Kirchenmusik; seit jeher seien ästhetische Normen für sie verpflichtend gewesen, jedes Abweichen habe zu prohibitdven Maßnahmen der Kirche geführt.

Die Diskussion unter dem provokanten Titel „Kirche ohne Musik?“ versammelte unter der Leitung von Dr. Hans Haselböck, des Vorstandes der Kirchenmusikabteilung der Hochschule für Musik, österreichische Kirchenmusikpraktiker um den Tisch. Überwiegend schienen sie der Meinung zu sein, daß es um die heimische Kirchenmusik nicht so übel stände. Sowohl die exzessiv genützten Möglichkeiten, die durch das Vaticanum in bezug auf die Verwendung der Landessprache eröffnet wurden, wie die gegenwärtige, auf purem Idealismus beruhende Praxis der Kirchenmusikpflege fanden generelle Billigung. Aus dem Publikum, in dem Chorleiter und andere Kirchenmusiker saßen, hörte man es anders: Viele Pfarrer bringen einfach nicht genügend Interesse für die Kirchenmusik auf, vom Geld gar nicht zu reden...

Das Kapitel Kirchenmusik, das darf man aus den Erfahrungen dieser Veranstaltungsreihe schließen, ist zehn Jahre nach dem Konzil noch lange nicht geschlossen. Langsam beginnen sich die Kräfte zu formieren, die den durch die beschlossenen Lizenzen eingetretenen Mißbrauch in Zukunft zu bekämpfen entschlossen sind.

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