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Nicht überall stirbt der Wald

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Daß saurer Regen die Wälder zerstört, ist mittlerweile allgemein ins Bewußtsein gedrungen. Im folgenden wird eine Untersuchung der Lage im europäischen Raum zusammengefaßt.

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Daß saurer Regen die Wälder zerstört, ist mittlerweile allgemein ins Bewußtsein gedrungen. Im folgenden wird eine Untersuchung der Lage im europäischen Raum zusammengefaßt.

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In Europa ist das Bild durchaus nicht einheitlich. Das Ausmaß der Schädigung des Waldes hängt mit seiner Lage in bezug zu den Industriezentren und mit den vorherrschenden Wetterbedingungen zusammen.

Von den Folgen des sauren Regens besonders betroffen ist Mitteleuropa — und hier wiederum am stärksten die Tschechoslowakei. Nach offiziellen Angaben sind im Erzgebirge 40.000 Hektar Wald vollständig vernichtet und weitere 40.000 so schwer geschädigt, daß mit einem Absterben zu rechnen ist. In diesem Gebiet sind somit 25 Prozent des Waldbestandes so gut wie verloren.

Auf riesigen Flächen hat der Wald hügeligen Steppen Platz gemacht, auf denen nur mehr einige Buchen und Vogelbeerbäume überlebt haben. (Siehe auch FURCHE Nr. 36/83)

Ähnlich ist die Situation im Riesengebirge. Dort sind nur mehr drei Prozent des Waldes gesund. Insgesamt ist in der tschechischen Republik beinahe die Hälfte des Waldes in Mitleidenschaft gezogen. Weniger schlimm ist die Situation in der Slowakei, wo allerdings immer noch mit einer Schadensfläche von 60.000 Hektar gerechnet wird.

Bedrohlich ist auch die Lage in Polen: Rund 380.000 Hektar Wald sind dort von den Folgen des sauren Niederschlags gezeichnet. Die Massenvermehrung der Nonne, eines Schmetterlings, der als Raupe ein großer Forstschädling ist, verschärft die ohnedies bedrohliche Situation. Trotz intensiver Bemühungen und Versprühung von Bekämpfungsmitteln auf einer halben Million Hektar (entspricht einem Viertel von Niederösterreich) waren 1981 rund 22 Prozent des polnischen Waldes von diesem Schädling befallen.

Diese Bedrohung hat mittlerweile auch auf die DDR, auf ein Land, das ohnedies stark von den Folgen des sauren Regens betroffen ist, übergegriffen. Die massenhafte Vermehrung von Schädlingen ist aber eine der typischen Folgen der Schädigung durch Immissionen. Die Widerstandskraft der Bäume sinkt. Offiziellen Angaben zufolge sind rund zehn Prozent des ostdeutschen Waldes geschädigt.

Schwer betroffen ist auch die Bundesrepublik Deutschland. 1982 wurde die Schädigung im Anschluß an eine bundesweite Erhebung auf 560.000 Hektar geschätzt, was rund 7,5 Prozent der deutschen Waldfläche entspricht.

Im Vorjahr wurde eine weitere Erhebung durchgeführt. Das Ergebnis war ernüchternd: 34 Prozent des Waldes, das sind 2,5 Millionen Hektar, wurden als geschädigt eingestuft. Am stärksten betroffen war der Süden Deutschlands. In Bayern waren beispielsweise 80 Prozent der Tannen erkrankt (die Hälfte davon mit schweren und schwersten Schäden), nahezu die Hälfte aller Fichten, 40 Prozent der Buchen und 20 Prozent der Eichen!

Betroffen vom sauren Regen ist selbstverständlich auch Österreich, vor allem in den Gebieten, die nördlich des Alpenhauptkammes liegen. Beispielsweise sind etwa zehn Prozent des oberösterreichischen Waldes geschädigt. Für ganz Österreich bezifferte Heinrich Orsini-Rosenberg, Präsident des Kärntner Forstvereins,das Ausmaß der akut gefährdeten Fläche im Vorjahr auf 200.000 Hektar.

Uber die Schäden in Osteuropa liegen zwar keine Daten vor. Allerdings gibt es Untersuchungen, die erkennen lassen, daß auch dieser Raum betroffen ist.

Anders als in Mitteleuropa stellt sich das Problem im skandinavischen Raum dar. Dort sind ' nur drei bis fünf Prozent des Waldes geschädigt. Dafür aber kommt es zu einer Ubersäuerung der Gewässer: Dieser Effekt führte beispielsweise in Schweden bei 4000 Seen zu einem schwer gestörten Pflanzen- und Tierleben. Häufig wird massives Fischsterben infolge von Aluminiumvergiftung beobachtet.

Vergleichsweise günstig ist die Lage in Westeuropa. Offiziellen Angaben zufolge geht es dem französischen Wald blendend.

Auch in Belgien ist Waldsterben kein Thema, das die Öffentlichkeit bewegt. Zwar treten sowohl in den Vogesen als auch in den Ardennen Schäden auf. Sie haben jedoch eher lokalen Charakter.

Auch in den Niederlanden und in Großbritannien werden kaum Beeinträchtigungen registriert. Alle diese Länder sind vom Wetter her begünstigt: In der Hauptwindrichtung liegt der Atlantik. Von dort her wird keine Verschmutzung importiert. Was dem Westen Europas zugute kommt, wirkt sich aber nachteilig auf die weiter östlich gelegenen Länder Mitteleuropas aus. Zu ihren hausgemachten Problemen haben sie auch die Folgen der importierten Verschmutzung zu tragen. Dieser Import fällt vor allem in Skandinavien, das selbst nur wenig Verschmutzung erzeugt, ins Gewicht.

Dennoch zeigt der Vergleich der europäischen Länder, daß die ärgsten Schäden dort auftreten, wo auch der meiste Schadstoff ausgestoßen wird.

Daher ist jedes Land gut beraten, selbst möglichst rasch die Luftverschmutzung einzudämmen und nicht auf internationale Vereinbarungen zu warten. Es geht vor allem um die Verringerung von Schwefeldioxid und von Stickoxiden. Als wirksame Mittel dazu bieten sich die Entschwefelung von Heizöl, der Einbau hochwirksamer Filteranlagen überall dort, wo Kohle als Brennstoff dient, und die Herabsetzung der Autoabgase an.

Wer selbst wirkungsvolle Maßnahmen einführt, entlastet damit nicht nur den eigenen Wald, sondern stärkt auch seine Verhandlungsposition bei internationalen Verhandlungen über die Beschränkung der Verschmutzung.

Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene sind dringend weitere Maßnahmen erforderlich. Noch sind ja die Böden nicht total ruiniert, was man daran ablesen kann, daß die jüngeren Bestände weniger betroffen sind als die älteren.

Siehe dazu: DIE WALDSCHADEN IN EUROPA — EIN AKTUELLER SCHADENSBERICHT. Von Otto Seitschek. In Hanns Seidel Stiftung Informationen 4/83 - 1/84.

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