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Digital In Arbeit

Nicht unter Druck

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FURCHE: Was ist Ihre Aufgabe hier?

JUTTA FIEGL: Ich bin Psychologin, bespreche mit den Paaren, die sich für eine Behandlung anmelden wollen, die Möglichkeiten, die wir bieten. Das Erstgespräch ist sehr ausführlich und wird gemeinsam mit dem Arzt geführt. Außerdem bin ich für die beratende Begleitung während der Behandlung zuständig und für die Gruppeninformation, die vor der Punktion stattfindet. Ich führe Gespräche über die psychischen Belastungen während der Behandlung und auch darüber, was die Betroffenen tun werden, wenn die Behandlung nicht das erwünschte Ergebnis bringt.

Im Erstgespräch sollte geklärt werden, ob eine medizinische Behandlung überhaupt hilfreich sein kann, wenn die Sterilitätsursachen nicht medizinisch bedingt, also ungeklärt sind. Wenn hinter dem Kinderwunsch ein starker psychischer Druck steht, bespreche ich mit den Partnern den Zusammenhang zwischen physischen und psychischen Komponenten. Es gibt Fälle, in denen Betroffene nach dem Erstgespräch keine Behandlung mehr wollen.

FURCHE: Ist es häufig, daß der Kinderwunsch für etwas anderes steht?

FIEGL: Mir ist wichtig, nicht alle Patienten in einen Topf zu werfen. Zahlen kann ich keine nennen. Wichtig ist herauszufinden, ob der Kinderwunsch das Leben des Paares bestimmt, oder ob er — wie andere Wünsche auch - zurückgestellt werden kann. Stellt die Frau mit dem nichterfüllten Kinderwunsch ihre gesamte Person in Frage? Steht das Paar unter großem Leistungsdruck? Drük-ken sich in dem Kinderwunsch andere Probleme aus?

FURCHE: Wie hoch ist die Zähl erfolgreicher Behandlungen?

FIEGL: Was bedeutet für mich als Betreuerin Erfolg? Wenn ich nur eine Schwangerschaft als Erfolg betrachte, dann begebe auch ich mich in die Leistungsspirale. Für mich ist eine gute Beratung ein Erfolg—die kann auch mit der Entscheidung gegen eine Behandlung enden. Sie sollen sich auch für eine Adoption entscheiden können.

FURCHE: Führen Sie hier nur IVF-Behandlungen durch?

FIEGL: Es wird auch insemi-niert. Wie bei einer normalen Befruchtung auch ist die Schwangerschaftsrate nicht höher als 20 Prozent. Die Patienten müssen sich zwar auf eine längere Behandlungsdauer einstellen, aber es ist auffällig, wenn Patienten sich von einer Behandlung in die andere hetzen.

Hierher kommen viele ja schon mit einer Behandlungsgeschichte. Sie haben Ratschläge bekommen, ihre Sexualität geplant, Temperatur gemessen, den Eisprung bestimmt. Diese Art von Körperbeobachtung nimmt jede Spontaneität. Die Behandlungen vermitteln den Eindruck der Machbarkeit. Aber wir wollen den Patienten bewußtmachen, daß dies nur ein Teil des Vorgangs ist. Schwierig ist die Phase nach dem Eizellentransfer - die Frau weiß, daß sie die befruchtete Eizelle in sich hat, ist besorgt.

FURCHE: Haben Sie selbst

Kinder? Seit wann arbeiten Sie hier?

FIEGL: Ich habe zwei Kinder. Ich habe im AKH gearbeitet und bin nun schon zwei Jahre hier. Es braucht eine längere Zeitspanne, um sich einzuarbeiten, die Patienten kennenzulernen.

FURCHE:Mediziner neigen dazu, Fortpflanzungsorgane wie andere Organe, den Magen, die Leber, zu betrachten — für die Patienten haben sie aber einen anderen Stellenwert.

FIEGL: Ich finde es wichtig, die Behandlungen kritisch zu betrachten. Ich muß auch als Betreuerin zum Thema machen, daß in eine Sache, die eigentlich nur die beiden Betroffenen etwas angeht, nun plötzlich dritte, vierte oder fünfte einbezogen werden. Oder es kommen beispielsweise selbstbewußte, erfolgreiche berufstätige Frauen zu uns, die mit dem unerfüllten Kinderwunsch zum ersten Mal vor einem Problem stehen, das sie nicht aktiv beeinflussen können. Häufig wird darin deren Hin- und Hergerissensein zwischen den Rollen deutlich.

FURCHE: Gibt es eine Altersbegrenzung? Kommen auch alleinstehende Frauen?

FIEGL: Es gibt keine starre Altersbegrenzung, die Ubergänge sind fließend. Alleinstehende Frauen haben wir nicht als Patientinnen. Wir legen großen Wert, daß die Partner gemeinsam kommen, auch hier wird das Gespräch von einem Mann, dem Arzt, und einer Frau geführt. Der Mann hat bei der Behandlung oft das Empfinden, draußen zu stehen. Häufig ändert sich während der Behandlung der Spermio-gramm-Befund als Zeichen seiner Belastung. Das wird dann hier gemeinsam besprochen. Auch die Umgebung konzentriert ja die Aufmerksamkeit vor allem auf die Frau. Physische und psychische Komponenten sollten für die Kinderwunsch-Behandlung gleich wichtig sein.

Jutta Fiegl arbeitet im „Institut für Endokrinologie der Fortpflanzung und In-Vitro-Fertilisierung Dozent Dr. Wilfried Feichtin-ger—Dr. Peter Kemeter“ in Wien.

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