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Nicht vom Bras allein

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/Dieses Wort des Alten Testaments, das Jesus in der Versuchungsgeschichte wieder aufgreift (Mat. 4/4), könnte gleichsam als Leitmotiv über einer christlich verstandenen Politik stehen. Denn es weist auf das Fundament allen politischen Handelns hin: das Menschenbild. Als Christen wissen wir, daß der Mensch mehr ist als eine biochemische Maschine, daß er mehr ist als ein vom Zufall geschaffenes Produkt der Materie.

Das Ziel politischen Handelns ist es, Bedürfnisse - wohlgemerkt nicht nur die materiellen - des Menschen zu erfüllen. Welche Bedürfnisse nun aber zu politischen Zielen werden, ist die Konsequenz des jeweiligen Menschenbildes der Politiker bzw. der Parteien. Sieht man den Menschen von einer materialistischen Betrachtungsweise aus, so wird das Ziel politischen Handelns auf das materielle Wohlergehen der Menschen gerichtet sein. Das hat dann weitreichende Konsequenzen von der Frage nach der grundsätzlichen Einstellung zum menschlichen Leben über die Bewertung von Ehe und Familie bis zum Verhältnis von Ökologie und Ökonomie. Sieht man den Menschen in christlicher Weise als ein Wesen mit Seele und Geist, als Ebenbild Gottes, das seine letzte Vollendung nicht auf Erden findet, als Person im Sinn des antiken Schauspiels, daß nämlich durch den Menschen das Göttliche hindurchtönt, so weiß man, daß die Befriedigung materieller Bedürfnisse allein dem Wesen des Menschen nicht gerecht wird: Der Mensch lebt nicht von Brot allein.

Ich glaube, daß sich aus einem christlichen Menschenbild folgende grundlegende menschliche Bedürfnisse ergeben, auf die die Politik Rücksicht nehmen muß:

1. Das grundlegende Bedürfnis jedes Menschen ist das Bedürfnis nach Liebe, nach Anerkennung, Zuwendung, Bestätigung und menschlicher Wärme. Politische Konsequenz daraus ist der Stellenwert der Familie in der Gesellschaft, ist die Bedeutung der kleinen Einheit und kleinen Gemeinschaft, wo menschliche Nähe erfahrbar wird; aber auch das Subsidiaritätsprinzip ergibt sich letztlich aus diesem Grundbedürfnis.

2. Das schöpferische Tätigsein im weitesten Sinne ist ein Wesenszug des Menschseins, - ein Auftrag der Bibel (Buch Genesis), die Erde sich untertan zu machen, sie zu gestalten. Politisch bedeutet das die Ablehnung von Staatsbevormundung und die Förderung von Eigeninitiative und Respektierung von Selbstverantwortung. In engem Zusammenhang mit dem Schöpferisch- sein-Wollen des Menschen steht das Bedürfnis nach Freiheit. Hier sind die politischen Konsequenzen für jeden greifbar- sie liegen in der Verantwortung - für sein Tun.

3. Das Gefühl, „gebraucht“ zu werden, ist wichtig für die persönliche Sinnfindung des Menschen. Eine Beschäftigung, in der man sich für seine Umwelt als nützlich erweist, wird als Sinn für das eigene Leben erlebt. Politische Konsequenzen sind die Förderung von Selbsthilfegruppen, Nachbarschaftshilfeinitiativen und ähnlichem. Aber auch die Erkenntnis, daß Arbeitsplatzsicherung nicht nur von Bedeutung für die materielle Sicherheit des Menschen ist, sondern daß Arbeit-Haben ein wesentlicher Bestandteil zur Sinnfindung menschlichen Lebens ist.

4. Die letzte Bestimmung des Menschen ist nicht diese Welt, sondern der Mensch ist auf Gott hin angelegt. Das bedeutet eine Absage an alle diesseitigen Paradiesvorstellungen, das bedeutet die Erkenntnis, daß wir die perfekte Gesellschaft, in der alle Menschen wunschlos glücklich sind, auf Erden nicht schaffen können. Das bedeutet aber vor allem, daß Menschsein erst durch die Bindung an Gott vollkommen ist und daß der letzte Sinn des Lebens nur in dieser Bindung erfahrbar wird. Dies muß die Politik zur Bescheidenheit mahnen und zur Erkenntnis, daß das Eigentliche unverfügbar ist.

Dr. Erhard Busek ist Landeshauptmannstellvertreter und Vizebürgermeister von Wien

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