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Der selbständige Auftritt der Kärntner Slowenen bei den Kärntner Landtagswahlen im kommenden Frühjahr ist nicht neu, zwei bis drei Landtagsabgeordnete konnten sie vor dem letzten Weltkrieg delegieren. Nach 1945 kam es jedoch zur ideologischen Spaltung innerhalb der Volksgruppe, die christliche Mehrheit konnte sich mit der linksorientierten Führung des Verbandes der (Kärntner) slowenischen Organisationen (ZSO), welcher vollkommen vom damals noch sowjetisch orientierten Jugoslawien abhing, nicht identifizieren und gründete im Jahre 1949 den Volksrat der Kärntner Slowenen (NSKS), welcher sich der ÖVP annäherte, während der ZSO die SPÖ unterstützte.

NSKS versuchte aber auch später noch selbständig zu kandidieren, da sich die lokale VP nicht immer bereit zeigte, sich für die Lösung der Minderheitenfragen einzusetzeti, konnte aber keine ausreichende Zahl der Stimmen erhalten, um einen Abgeordneten in den Landtag zu entsenden. Der Widerstand des ZSO der NSKS erfolgte gemäß der Anweisung aus Laibach. Laibach fürchtete vor allem, daß eine selbständige slowenische politische Gruppierung im benachbarten Kärnten negative Auswirkungen auf Slowenien selbst haben könnte, wo nach dem Zweiten Weltkrieg (so wie in ganz Jugoslawien) die christliche Mehrheit aus dem politischen Leben vollkommen ausgeschieden ist.

Diese schon längst unbegründete Befürchtung wäre wahrscheinlich der Grund dafür, daß die von Laibach unterstützte ZSO auch gegenwärtig dem selbständigen Auftritt der Kärntner Slowenen auf der Einheitsliste nicht beigetreten ist und erklärte, ein solcher Auftritt sei eine „Isolierung“ der slowenischen Volksgruppe in Kärnten von den österreichischen demokratischen Kräften.

Die Kärntner Gemeindewahlen im Frühjahr 1973, als die Kärntner Slowenen im Vertrauen auf die eigene Macht selbständig auftraten, brachten jedoch ein klares Licht in die Verhältnisse zwischen den Großparteien und der kärntner-slowenischen Volksgruppe, als die Sozialisten in einigen Fällen (Bleiburg) die Stelle des Bürgermeisters lieber der VP überließen, nur um sie nur nicht mit neugewählten slowenischen Gemedn- deräten zu teilen. Die deutschnationale Stellung einiger sozialistische! Persönlichkeiten wie etwa die des ehemaligen Bürgermeisters Jesse aus St. Kanzian war überhaupt der Grund für das damals noch ungewisse Wagnis zum selbständigen Auftritt bei den Gemeindewahlen. Es wurden aber dennoch einige sozialistische slowenische Gemeinderäte gewählt, sowie ein Klub der slowenischen Gemeinderäte gegründet, welcher sich zu einer gemein samen Initiative im Rahmen der Minderheitendiskussion vereinen sollte.

NSKS, welcher in der letzten Zeit die Isolation der christlichen Kärntner Slowenen von Laibach und Belgrad überbrückte und mit mehrmaligen Besuchen seiner Vertreter gemeinsam mit der ZSO in Jugoslawien gute Beziehungen bestätigte, gewann zum selbstständigen Auftritt bei den Landtagswahlen 1975 den Klub der slowenischen Gemein derate und sicherte sich dadurch unter der Volksgruppe für den Landtagsauf- tritt eine breite Basis. Zum Spitzenkandidaten der selbstständigen slowenischen Liste wurde Pavel Apov- nik, ehemaliger Stellvertreter des Beziirkshauptmanns in Völkermarkt, nun Leiter des sistierten Referats für Kultur und Angelegenheiten der Minderheit bei der Kärntner Landesregierung, bestellt. Apovnik ist zugleich auch Vize-Vorsitzender der ZSO, was darauf hinweist, daß die ideologischen Unterschiede der slowenischen Volksgruppe in Kärnten nicht mehr so stark sind, um ein Arrangement zwischen links- und christlich Gesinnten zu verhindern.

Nach der vor kurzem stattgefundenen Pressekonferenz der neuen Liste, der Kärntner Einheitstiste/Koroška enotna lista (KEL), waren sich die Kommentare in der Kärntner Presse einig, daß die Gruppe der Kärntner Slowenen taktisches Geschick und politische Zuversicht bewiesen habe. Das Wahlprogramm bezieht sich nicht nur auf die Minderheitenfragen, sondern auch auf wirtschaftliche und soziale Probleme des Kärntner Unterlandes. Die Kandidaten der Einheitsliste werden auch die deutschsprechenden Kärntner ansprechen, welche mit der Politik und der Minderheitenpoldtik der großen Parteien nicht zufrieden sind. Apovnik versichert, er werde als Abgeordneter im Landtag mit allen reden und hoffe, bessere Kontakte zwischen Mehrheit und Minderheit wieder herstelien zu können.

Die neue aktive Intervention der slowenischen Volksgruppe auf landespolitischer Ebene bringt nunmehr ganz neue Verhältnisse bezüglich der Wahltaktik der großen Parteien in

Kärnten, welche, vor allem SP und VP, mit bisher sicheren slowenischen Stimmen rechnen konnten. Auch diese neue Strategie in der Minder- bedtsfrage wird ungewiß sein.

Darüber hinaus bringt die neue Liste aber mehr Selbstvertrauen in die Volksgruppe, Vertrauen in die eigene Kraft, was auf lange Sicht nur positive Auswirkungen haben kann — selbst dann, wenn ein eigener Landtagsabgeordneter nicht gewählt würde. Auch in diesem Fall hat die slowenische Volksgruppe hinsichtlich der jetzigen Lage nichts zu verlieren, sondern — moralischpolitisch — nur zu gewinnen.

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