7074040-1993_11_20.jpg
Digital In Arbeit

Niederösterreich setzt Signale im Wohnbau

Werbung
Werbung
Werbung

Bei der Sitzung des NÖ Wohnbauför-derungsbeirates am Montag, 8. März 1993, standen die Zeichen auf "Rekord". Insgesamt wurden in den Bereichen Eigenheim, Mehrfamilienhäuser und Althaussanierung 15.598 Wohneinheiten, 11 Reihenhäuser, acht Ordinationen und zwei Heirhe bewilligt. Solche Zahlen hat es bisher noch nie gegeben. Besonders bemerkenswert ist dabei die Zahl von 4.017 Wohnungen im großvolumi-gen Bau: Es war die Premiere eines vollkommen neuen Förderungssystems, des sogenannten "Freibauer-Modells". Und es bedeutete in diesem Bereich eine Verdoppelung der Bauleistung.

Als der 56-jährige Edmund Freibauer am 22. Oktober 1992 in die NÖ Landesregierung eintrat und unter anderem Agenden der Wohnungsförderung übernahm, stand er vor einer doppelten Herausforderung. Einerseits herrscht - entgegen den Prognosen aller Experten, die für die 90er-Jahre eine Stagnation des Bedarfs vorausgesagt hatten - auch in Niederösterreich erhebliche Wohnungsknappheit. Nach Berechnungen des Österreichischen Instituts für Stadtforschung müssen im Land unter der Enns jährlich 10.700 Wohnungen neu gebaut werden. Und andererseits hatte sich derÖAAB-Politiker vorgenommen, die Förderung sozial noch treffsicherer zu gestalten.

Innerhalb kürzester Zeit erarbeitete der Mistelbacher Mathematikprofessor ein Modell, das beiden Zielen gerecht wird. Es wurde vom Koalitionspartner - auch Landeshauptmannstellvertreter Ernst Höger ist für Teile der Wohnungsförderung zuständig - ohne Wenn und Aber akzeptiert und von der Landesregierung einstimmig beschlossen. Wobei für Freibau-ervon Anfang an feststand: "Ich wollte nicht wieder ein einjähriges Sonderbauprogramm, sondern ein zukunftssicheres und langfristiges Modell, das in den nächsten fünf Jahren den Bau von 20.000 Wohnungen im großvolu-migen Bau ermöglicht."

Die enorme Steigerung der Wohnbauleistung bei im wesentlichen gleichbleibenden Förderungsmitteln wird durch die Umstellung von zinsengünstigen Direktdarlehen auf Zinsenzuschüsse ermögicht. Die höhere soziale Treffsicherheit wiederu m ergibt sich durch ein zweistufiges Förderungssystem, das stärker als bisher die Subjektförderung betont.

Es gibt zunächst eine Basisförderung in Form eines konstanten fünfprozen-tigen Zinsenzuschusses auf die Dauer von 25 Jahren. Sie kann fast jeder in Anspruch nehmen, weil die Einkommensgrenzen sehr hoch angesetzt wurden. Sie liegen etwa für einen Dreipersonenhaushalt bei einem Jahresnettoeinkommen von 680.000 Schilling und steigen für jede weitere Person um 80.000 Schilling.

Auf dieser Basisförderung baut eine Superförderung auf, deren Höhe -Zuschüsse von 1 bis 5 Prozent - sich sowohl nach dem Einkommen als auch nach der Familiengröße richtet. Dabei wird das sogenannte gewichtete Pro-

Kopf-Einkommen zugrundegelegt. Freibauer: "Nicht nur das Einkommen ist entscheidend, sondern auch wie viele Personen am Mittagstisch sitzen."

Neu ist auch, daß diese zusätzliche Subjektförderung variabel und flexibel gestaltet wird. "Es hat mich immer gestört", meint Freibauer, "daß noch nach zwanzig Jahren bei der Rückzahlung die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung Bemessungsgrundlage der Förderung blieben." Künftig werden Veränderungen der Einkommens- und Familienverhältnisse jährlich berücksichtigt. Bei wachsender Kinderzahl oder bei einer Verminderung des Familieneinkommens - z.B. wenn die Mutter den Beruf aufgibt - erhöht sich die Superförderung, bei steigendem Einkommen wird sie reduziert.

Die Vorteile seines Modells untermauert Landesrat Freibauer mit einer Reihe von praktischen Beispielen. So muß etwa eine dreiköpfige Familie mit einem Jahresnettoeinkommen unter 200.000 Schilling für eine 70 Quadrat-meter-Mietwoh-nung monatlich nur 1.200 Schilling aufwenden. Bei einem Einkommen von 260.000 Schilling erhöht sich die monatliche Belastung auf 3.613 Schilling. Dabei wird davon ausgegangen, daß keine Eigenmittel eingebracht werden. Sind Eigenmittel vorhanden, sinkt die monatliche Belastung. Sie reduziert sich aber auch -eine weitere soziale Komponente -wenn eine behinderte Person im Haushalt lebt.

"Das neue System", faßt Freibauer zusammen, "ermöglicht es, nicht nur mehr Wohnungen zu bauen, sondern auch Wohnungen, die sich unsere Familien leisten können." Neben den sozialen, familien- und gesellschaftlichen Aspekten sind aber auch die wirtschaftlichen Effekte nicht zu übersehen. Die Steigerung der Wohnbauleistung hat gerade in einer Zeit der Konjunkturabflachung eine enorme Bedeutung. Allein durch die Beschlüsse vom 8. März wird ein bauwirksames Volumen von rund 10,7 Milliarden Schilling ausgelöst. Freibauer sieht somit in der neuen Wohnungsförderung auch eine der tragenden Säulen des "Pröll-Planes" zur Ankurbelung der blau-gelben Wirtschaft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung