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Niederösterreich unter dem Sowjetstern

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Dieses Bundesland hat nicht nur während des Krieges, sondern auch nachher, bis zum Ende der Besatzungszeit, am schwersten gelitten. Der Druck begann in den Gemeinden, durch die Bestellung von Bürgermeistern, die oft der Bevölkerung aufgezwungen wurden. Nicht nur kommunistische Bürgermeister, sondern auch der Besatzungsmacht hörige „Polizeichefs“ waren willfährige Büttel. Organisationen und Vereine aller Art wurden überwacht, Versammlungen bespitzelt, Funktionäre eingeschüchtert und bedroht. Zahllose Menschen, die mißliebig waren oder vernadert wurden, verschwanden, und viele von ihnen kehrten niemals wieder.

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Dieses Bundesland hat nicht nur während des Krieges, sondern auch nachher, bis zum Ende der Besatzungszeit, am schwersten gelitten. Der Druck begann in den Gemeinden, durch die Bestellung von Bürgermeistern, die oft der Bevölkerung aufgezwungen wurden. Nicht nur kommunistische Bürgermeister, sondern auch der Besatzungsmacht hörige „Polizeichefs“ waren willfährige Büttel. Organisationen und Vereine aller Art wurden überwacht, Versammlungen bespitzelt, Funktionäre eingeschüchtert und bedroht. Zahllose Menschen, die mißliebig waren oder vernadert wurden, verschwanden, und viele von ihnen kehrten niemals wieder.

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In den von den Sowjets beschlagnahmten und verwalteten Betrieben, insbesondere auf den ölfeldern der sogenannten SMV (Sowjetischen Mineralölverwaltung) - heute ÖMV -herrschte ein beispielloser Personalterror zugunsten der KPÖ. Wer nicht beitrat, verlor in den meisten Fällen sehr bald seine Existenz. So konnten die Sowjets in vielen Betrieben ihnen genehme kommunistische Betriebsräte wählen lassen. Vom gewerkschaftlichen Standpunkt aus würde man sagen: unternehmenshörige Betriebsräte. Das waren sie auch fast ausnahmslos.

Der damalige Sicherheitsdirektor Andreas Liberda mußte über Nacht aus der Sowjetzone flüchten, um der Verhaftung zu entgehen. Zwei Abgeordnete zum niederösterreichischen Landtag wurden verhaftet, unter fa-

„In ordentliche Gerichtsverfähren waren Eingriffe die Regel.“

denscheinigen Vorwänden von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt und außer Landes gebracht. Der sozialistische Abgeordnete Franz Gruber aus Amstetten starb in einem sowjetischen Lager, der der österreichischen Volkspartei angehördende Abgeordnete Ferdinand Riefler aus dem Waldviertel kam nach vielen Jahren, nach schrecklichen Strapazen und Martern zurück.

Die Exekutive - Gendarmerie und Bundespolizei - stand unter dem ständigen Druck und der Bevormundung der Besatzungsmacht. Die zahlreichen Verbrechen und Gewalttaten der Besatzungssoldaten durften nicht verfolgt werden. In ordentliche Gerichtsverfahren waren Eingriffe die Regel. Kommunistische Terrortaten durften nicht geahndet, hingegen mußten Gerichtsurteile nach dem Willen der Sowjets ausgesprochen werden.

Ein Beispiel dafür war der damalige sozialistische Vertrauensmann in den Böhler-Ybbstalwerken und spätere Abgeordnete und Bürgermeister von Amstetten Johann Pölz. Nach Zusammenstößen mit kommunistischen Terroristen durften diese nicht verfolgt werden, dafür verlangte die sowjetische Behörde ultimativ die Verurteilung von Pölz durch ein österreichisches Gericht, oder die Sowjets selbst würden das Gerichtsverfahren durchführen. Pölz wurde -um ihn vor dem sowjetischen Zugriff zu retten - vom österreichischen Gericht verurteilt (zu einem Jahr!). Das Urteil trat nie in Rechtskraft, denn die Nichtigkeitsbeschwerde von Pölz blieb beim Obersten Gerichtshof bis zum Abzug der Sowjets aus Österreich liegen. Dann wurde das Urteil aufgehoben!

Eine Kraftprobe besonderer Art mit der legalen österreichischen Gewalt brachten die Ereignisse Ende September - Anfang Oktober 1950. Das vierte Lohn- und Preisabkommen wurde von den Kommunisten und einigen ihrer Mitläufer zum Anlaß von Streikaktionen genommen.

Die Proklamierung eines Generalstreiks sollte die legale Regierung,

die sich auf eine überwältigende Mehrheit der Wähler stützen konnte, stürzen. Oder wenigstens sollten einige Minister aus dieser Regierung entfernt werden, die den Sowjets und den hiesigen Kommunisten besonders verhaßt waren.

Die sogenannten USIA-Betriebe, d. h. die von den Sowjets verwalteten, den Österreichern vorenthaltenen Unternehmungen, waren die Stützpunkte dieser Großaktion. Von dort aus wurden Bahnhöfe, Postämter besetzt, Betriebe und deren Arbeiter und Angestellte, die eine Teilnahme an diesem Streik verweigerten, wurden terrorisiert. Die Betriebe wurden oftmals gestürmt, Arbeiter, die sich wehrten, wurden zusammengeschlagen. Gendarmerie und Polizei wurden durch Befehl der Besatzungsmacht lahmgelegt. Sie durften gegen die KP-Gewalttäter nicht einschreiten, Betriebe Und bedrohte öffentliche Einrichtungen wie Verkehrsanlagen nicht schützen!

In Wiener Neustadt war ein besonderes Zentrum des KP-Terrors. Die Arbeiterschaft leistete Widerstand, so gut es ging. Ein Beispiel besonderer Tapferkeit bot die Belegschaft der Radiatorenwerke. Tagelange Belagerung und Angriffe der USIA-Terrori-sten wurden abgeschlagen und das Werk erfolgreich verteidigt. Die Bauarbeiter in Wiener Neustadt unter Führung des schon verstorbenen Sekretärs Karl Hölbling, waren für die Stadt und Umgebung die Hauptkraft des Abwehrkampfes.

Die Schoeller-Bleckmann-Werke in Ternitz waren ein anderer Angriffspunkt. Nach tagelangem Widerstand wurde das Werk gestürmt. Es gab auf Seiten der verteidigenden Arbeiter Schwerverletzte. Ein Verdienst bei der Verteidigung dieses Werkes hatte der damalige Vertrauensmann in diesem Betrieb, Hans Czettel, der heutige Landeshauptmannstellvertreter. Ich besuchte auf Wunsch der Vertrauensmänner dieses Betriebes das Werk unmittelbar nach diesen schrecklichen Tagen. Die Eisenbahner und Postler, die besonderem Druck ausgesetzt waren, haben Sich in diesen Tagen wirklich beispielhaft verhalten.

Alles andere als beneidenswert war die Lage der Polizei- und Gendarmeriebeamten. Sie mußten zusehen, wie Horden von Gewalttätern sich austobten und den Staat an den Rand des Abgrundes brachten. Soweit ich mit den Arbeitergruppen meiner Gewerkschaft, den Bau- und Holzarbeitern, bei der Abwehr dieser gegen die Republik und die Demokratie gerichteten Aktion half, habe ich für Niederösterreich das Einvernehmen mit dem damaligen Landeshauptmannstellvertreter August Kargl, mit dem ich seit unserer gemeinsamen Zeit im KZ Dachau freundschaftlich verbunden war, hergestellt.

Nach dem Zusammenbruch dieser Revolte, gab es in Wr. Neustadt eine große Freiheitskundgebung. Die einzige meiner Erinnerung nach, die von SPÖ und ÖVP, ÖGB und Handelskammer gemeinsam veranstaltet wurde. Auf Wunsch der Wr. Neustädter Arbeiter kam ich zu dieser Kundgebung, um dort zu sprechen.

Wenige Tage später hatte ich eine Versammlung in Dürnkrut. Sie wurde von bewaffneten Werkschutz-

leuten vom ölfeld überfallen. Die Terroristen kamen mit Lastwagen mit sowjetischen Kennzeichen. Die Gendarmerie wurde vorsorglich schon am Vormittag zur Gänze abgezogen, auf Befehl der sowjetischen Kommandantur!

Die bewaffneten Banditen unterbrachen die gesamte Stromversorgung des Ortes einschließlich der Notbeleuchtung im Versammlungssaal (Kino), und stürmten, die Bühne, wo sich die Versammlungsleitung und die Redner befanden. Bürgermeister Josef Nowak, Bezirkssekretär der SPÖ, LAbg. Josef Kreiner, erlitten schwere Kopfwunden, Vizebürgermeister Häring bekam einen Messerstich in die Bauchgegend.

Als sie an mich herankamen, gab ich aus einer Pistole, die ich in Erwartung solcher Ereignisse seit einiger Zeit bei mir trug, einen Schuß ab. Das war meine Rettung, die Helden gaben Fersengeld. Natürlich schoß ich in die Luft, und ich wartete bis zur letzten Sekunde, denn leichtfertig wollte ich nicht auf Menschen schießen. Mit einem Rettungsauto führten wir alle Verletzten - nach erster Hilfeleistung durch den dortigen Arzt - auf die Unfallstation des Allgemeinen Krankenhauses nach Wien.

Die Hauptbeteiligten an diesem Uberfall konnten ausgeforscht werden. Sie wurden festgenommen und dem Gericht eingeliefert. Auf Befehl

„Nicht wenige dieser damaligen Terroristen tauchten dann später bei anderen demokratischen Parteien auf.“

der sowjetischen Besatzungsbehörde mußten sie nach wenigen Tagen freigelassen werden. Der angefertigte Akt mit Vernehmungs- und Untersuchungsprotokollen wurde dem Gericht abgenommen!

Nach dem Abzug der Besatzungstruppen 1955 wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Bei meiner Zeugenvernehmung beim Untersuchungsrichter stellte sich heraus, daß die Sowjets den Akt nicht zurückgegeben haben. Wer hat das erwartet? Aber seinerzeit wurden auch die Durchschläge der Vernehmungen und Erhebungsberichte den Sowjets ausgefolgt. Wie loyal von österreichischer Seite!

Daher war nichts mehr zu machen. Nicht wenige dieser damaligen Terroristen tauchten dann später bei anderen demokratischen Parteien auf. Offenbar demokratisch geläutert.

Aber Niederösterreich konnte endlich aufatmen.

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