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Niederosterreich Agrarland und Industrieland Nummer 1

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FURCHE: Herr Landeshauptmann, kommt dem Land Niederösterreich innerhalb Österreichs auf Grund seiner historischen Bedeutung und seiner Größe eine besondere Rolle zu?

MAURER: Ja, ich denke schon. Heute ist freilich die historische Stellung weniger entscheidend, als die Position, die auf Grund der aktuellen Wertigkeiten zutrifft Niederösterreich ist einmal das größte Bundesland. Wir haben nicht nur die größte Agrarproduktion Österreichs, sondern auch die größte Industrieproduktion innerhalb eines Bundeslandes und damit schon auch einen gewissen politischen Einfluß auf das gesamte Bundesgebiet.

FURCHE: Welche sind die drängendsten Probleme der Zukunft, denen sich Niederösterreich zu stellen hat?

MAURER: Da ist in erster Linie die Sicherung der Arbeitsplätze insbesondere im Hinblick auf das Grenzland zu nennen. Das Grenzland ist der schwächste wirtschaftliche Teil unseres Landes, weil es nur einseitig zu erschließen ist. Bereits in den letzten Jahren haben wir für das Grenzland sehr viel getan. Angesichts der wirtschaftlichen Rezessionen geht es darum, die Anstrengungen noch zu verstärken. Das war auch der Grund, warum wir den Neubau des Landhauses auf dem Wiener Ballhausplatz zurückgestellt haben.

FURCHE: Wie viele Arbeitsplätze können auf Grund dieser Sparmaßnahmen zusätzlich gesichert oder geschaffen werden?

MAURER: Das kann ich nicht so einfach in Ziffern ausdrücken. Aber es werden durch diese Zurückstellung in den nächsten Jahren immerhin jährlich Budgetmittel von zweihundert bis dreihundert Millionen Schilling frei, die uns ansonsten ja nicht zur Verfügung gestanden wären, und ich glaube, mit diesen Beträgen kann man schon eine starke regionale Wirtschaftspolitik betreiben.

FURCHE: Welche Strategie betreibt ein „schwarzer” Landeshauptmann angesichts einer „roten” Regierung auf Bundesebene? Einerseits sieht die Verfassung eine bestimmte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern vor, anderseits befindet sich die von Ihnen vertretene Volkspartei auf Bundesebene in Opposition.

MAURER: Manchesmal ist es sehr schwer, diese Verhandlungen zu fuhren. Aber nach der Bundesverfassung, nach der Festlegung unseres föderalistischen Bundesstaates kommt es aus dieser Erwägung heraus immer wieder zu Vereinbarungen, über die der Bund nicht hinwegkann. Bei den Projekten, die der Bund in unserem Land durchführt, sind wir allerdings immer öfter gezwungen, Vorfinanzierungen zu übernehmen, was früher nicht der Fall war. Ich sehe darin eine echte Durchlöcherung des Finanzausgleiches, weil die Beträge woanders dann fehlen. Dadurch, daß die Länder zu Bundesaufgaben herangezogen werden, kommen sie in große Schwierigkeiten. Ich denke hier insbesondere an den Straßenbau, an den Wohnbau, an den Schulbau und an die Errichtung von Kindergärten.

FURCHE: 1979 werden die Niederösterreicher wieder einen neuen Landtag wählen. Welche Leistungen werden im Vordergrund stehen, mit welchem neuen Programm werden Sie vor die Wähler treten?

MAURER: Wir sind 1974 mit einem Programm in den Wahlkampf gegangen, das realistisch erstellt war, und das anläßlich der Halbzeitbilanz zu mehr als fünfzig Prozent durchgeführt war. Bis 1979 werdeh wir das Programm sogar überschritten haben. Für die folgenden Jahre werden wir wieder ein Programm erstellen, ein Programm für den weiteren Ausbau des modernen Niederösterreich. Wir werden auch neue Vorstellungen zum modernen, föderalistischen Bundesstaat sowie hinsichtlich der Bildung der gesamten Gesellschaftsordnung der Bevölkerung vorlegen. Hier werden wir vor allem die Familie, die Rechte der Familie auch im Hinblick auf die Erziehung, und Jugend in den Vordergrund stellen.

FURCHE: Auf Werbeplakaten Ihrer Partei sieht man immer wieder Landeshauptmannstellvertreter Ludwig an Ihrer Seite. Ist das bereits eine Vorentscheidung für Ihre Nachfolge?

MAURER: Das hat mit einer Vorentscheidung nichts zu tun. In Niederösterreich gibt es keine Wachablöse; es gibt nur eine echte Zusammenarbeit, das soll mit dem gemeinsamen Plakat dokumentiert werden.

FURCHE: Wie funktioniert auf Landesebene die Zusammenarbeit mit den Sozialisten? Gibt es so etwas wie ein „Niederösterreichisches Klima”?

MAURER: Wir haben jeweils nach den Wahlen mit den Sozialisten Vereinbarungen getroffen, die auch beiderseits eingehalten wurden. In grundsätzlichen Fragen gibt es immer wieder gemeinsame Auffassungen über gesetzliche Regelungen und andere Entscheidungen. Immer werden die Verhandlungen bis zur Grenze des Tragbaren ge-’ führt, gibt es dann auch keine Einigung, kommt des Mehrheitsprinzip zur Geltung. Das kommt selten vor, entspricht aber durchaus dem Wesen der Demokratie, daß man unterschiedliche Auffassungen hat und • diese Auffassungen dann zur Debatte stellt.

FURCHE: Sehen Sie gewisse Bemühungen der Sozialisten, in Niederösterreich verstärkt Fuß zu fassen?

MAURER: Das ist ein legales Anliegen einer Minderheitpartei, daß sie versucht, stärker zu werden. Die Sozialisten haben in Niederösterreich verstärkte Aktivitäten eröffnet, die aber nicht von allzu viel Erfolg begleitet sind. Meines Erachtens kann man nicht durch Jahre hindurch Wahlkampf betreiben, man muß seine Kräfte auch einmal der sachlichen Arbeit widmen. Ich selbst bin für eine möglichst lange, vom Wahlkampf möglichst unbeeinflußte Arbeit, und für einen kurzen, aber intensiven Wahlkampf.

Das Gespräch mit Landeshauptmann Andreas Maurer führte Alfred Grinschgl.

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