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Noch eine Chance für die Liberalen?

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Im Juni hat Mario Ferrari-Brunnenfeld, Ex-FP-Chef von Kärnten und Ex-Staatssekretär, das Proponentenkomitee einer neuen Partei vorgestellt: der „Freien Demokratischen Partei Österreichs - Die Liberalen". Hat eine solche Gründung Chancen?

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Im Juni hat Mario Ferrari-Brunnenfeld, Ex-FP-Chef von Kärnten und Ex-Staatssekretär, das Proponentenkomitee einer neuen Partei vorgestellt: der „Freien Demokratischen Partei Österreichs - Die Liberalen". Hat eine solche Gründung Chancen?

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Dieser Titel einer vor 21 Jahren erschienenen, schon fast in Vergessenheit geratenen Streitschrift des früh verstorbenen Generalsekretärs der bundesdeutschen F.D.P., Karl-Hermann Flach, ist bewußt als Überschrift für diesen Beitrag gewählt: Wenn man an die Zukunft der liberalen Idee denkt, an die Chancen der „Bewahrung von menschlicher Würde in jeder gegebenen oder sich verändernden gesellschaftlichen Situation" (Flach), an Bemühungen um tolerante Offenheit im Wettstreit der Weltanschauungen und um eine demokratische politische Streitkultur, so denkt man als Liberaler allemal noch eher an Karl-Hermann Flach als an Jörg Haider.

Es bedurfte dazu allerdings nicht erst des würdelosen Mißbrauchs einer geheimen parlamentarischen Abstimmung zur politischen Beweissicherung in Sachen potentieller Paktfähigkeit. Was Jörg Haider seit geraumer Zeit auf der „politischen Bühne" Österreichs produziert, verträgt sich zwar in einer - vor allem wirtschaftspolitischen - Zielsetzung immer noch mit klassischen liberalen Positionen, verrät sie aber zugleich durch die bedingungslose Unterordnung unter das Kalkül des Applauses an den Stammtischen. Karl-Hermann Flachs These, die liberale Ethik von der angemessenen Zweck-Mittel-Relation führe bei den Liberalen zu intellektuellen Skrupeln beim Kampf um die Macht und im Gebrauch der Macht, wird durch niemanden anschaulicher konterkariert als durch Jörg Haider und seine Prätorianertruppe.

Der Erfolg Jörg Haiders beruht im wesentlichen auf Strategien, die mit dem, was Karl-Hermann Flach als liberale Ethik charakterisierte, unverträglich sind: auf der emotionalen Verstärkung von Einseitigkeiten und Vorurteilen, wo Sachlichkeit, rationale Abwägung und demokratische Konsenssuche erforderlich wären.

Das reicht von der Wortkeule „Sozialschmarotzer" über die Asylpolitik bis zur Bewertung der NS-Zeit: Die einseitige Hochstilisierung Hans Stein-achers zum Kärntner Nationalhelden unter Ausblendung seiner NS-Bela-stung und die zynischen Angriffe auf jene, die diese Legendenbildungen stören, sind Beispiele für jene Arroganz des Vereinfachens, die den billigen Populismus der Demago'gen von der aufklärerischen Volksverbundenheit liberaler Persönlichkeiten unterscheidet.

Daß Haider als Aufstörer und Zuchtgeißel der österreichischen Innenpolitik auch seine Verdienste hat, sei unbestritten. Dazu bedarf es allerdings nicht Unbedingt einer liberalen Partei: eine derartige Rolle hätte eine Protestpartei vom Gli-strup-Zuschnitt, eine charismatische Führerfigur vorausgesetzt, genauso einnehmen können.

Der Erfolg Jörg Haiders ist in erster Linie das Resultat der Schwäche der Großparteien, verbunden

mit dem unbeugsamen Willen, daraus Kapital zu schlagen, und einem Instinkt für die richtigen Strategien dazu. Das noch unter Norbert Steger beschlossene, im damals durchsetzbaren Ausmaß liberale Parteiprogramm der FPÖ spielt dabei eine vernachlässigbare Rolle.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist auch die Frage zu beurteilen, ob Österreich eine liberale Partei braucht und ob eine solche Partei eine reale Chance dauerhafter Etablierung hätte. Zweifellos hätte die politische Kultur in Österreich die Artikulation liberaler Positionen auch auf parlamentarischer Ebene bitter nötig. Daß dies zur Zeit eher auf individuelle, die traditionellen Lagerbindungen überschreitende Aktionen beschränkt bleibt, unterstreicht das bestehende Defizit, weist aber auch auf die Existenz liberalen Problembewußtseins in verschiedenen meinungsbildenden Gruppen hin. Man vermißt aber doch die strukturgestaltende Rolle, die liberalen Parteien in anderen Ländern Europas ungeachtet ihrer absoluten Wähleranteile zukommt -von den beiden liberalen Parteien Italiens über die F.D.P. bis zu den „Venstre"-Parteien Skandinaviens.

Diese gestaltende Rolle hat aber die FPÖ mit ihrer „catch-as-catch-can"-Politik langfristig verspielt. Daß die FPÖ hc;ute gegenüber der „Vor-Hai-der-Ära" über eine Vielzahl an mehr oder weniger profilierten Abgeordneten in Bundes-, Landes- und Gemeindeparlamenten verfügt, mag nach objektiven Maßstäben einErfolg sein. Daß sie dafür einen Rechnungshofpräsidenten verloren hat und eine Regierungsbeteiligung nur mehr über erhebliche innenpolitische Friktionen erreichen könnte, wird man wohl ebensowenig als Gewinn für den politischen Liberalismus verbuchen können wie das Ausscheiden profilierter Persönlichkeiten wie Georg Mautner Markhof und Norbert Gugerbauer.

Frustrierte sammeln sich

Gibt es also noch eine Chance für die Liberalen - außerhalb der FPÖ?

Eine positive Antwort auf diese Frage fällt schon angesichts der historischen Entwicklung schwer: Daß sich die Grünen entgegen den traditionellen Lagerbindungen (vorläufig) etablieren konnten, liegt wohl nicht zuletzt daran, daß sie keine „Abspaltung", sondern etwas von einer zeitgeschichtlichen Strömung getragenes „Neues" waren.

So lange neoliberale Parteigründungen den Geruch der „Abspaltung" mit sich tragen, ist ihnen wohl das Schicksal einer Olah-Partei eher vorherzusagen als ein zukunftsweisender Erfolg. Die Initiatoren des jüngsten Versuches, mit dem klingenden Namen „F.D.P." liberales Neuland zu gewinnen, waren wohl schlecht beraten, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, ohne dieser mehr bieten zu können als die eigenen Frustrationen über ihre vormalige politische Heimat FPÖ.

Nicht minder skeptisch ist wohl der Vorstoß einer „Wirtschaftspartei" zu beurteilen, die mit der marktwirtschaftlichen Komponente wohl ein wesentliches liberales Gedankenelement artikuliert, aber die auch an den Manifesten der Liberalen Internationale ablesbare Weiterentwicklung radikaldemokratischer und ökosozialer Ideen weitgehend ignoriert. Liberale Politik wird in Zukunft mehr denn je über liberale Haltungen und über eine liberale Ethik zu vermitteln sein und nicht über aspekthafte Postulate.

Daß eine neue und erfolgreiche liberale Parteigründung in Osterreich noch nicht in Sicht ist, liegt aber auch nicht zuletzt an der liberalen Toleranz möglicher Proponenten selbst: Solange liberale Hoffnungsträger(innen) brav ihre Stimmzettel zinken, um ihre kleinen liberalen Bollwerke und innerparteilichen Enklaven nicht zu gefährden, und solange sie sich lieber in gewagten Interpretationen Haiderscher „Sager" krümmen, anstatt sich der Präpotenz ihrer Meinungsmacher mutig zu widersetzen, braucht Jörg Haider vor liberaler Konkurrenz nicht bange zu sein.

Der Autor ist Universitätsdozent am Institut für Psychologie an der Universität Salzburg. Er war in den Jahren 1980/81 Geschäftsführer des Freiheitlichen Bildungswerkes.

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