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Noch gibt es ein One-World-Konzept

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Seit dem vergangenen Herbst besitzt Rambouillet in der internationalen Währungspolitik Klang. Die dort abgehaltene Konferenz der Regierungschefs der sechs größten westlichen Industrieländer hat, vielleicht nicht sofort allen erkennbar, möglicherweise doch mit einem beachtlichen Erfolg geendet Der jahrelang schwelende Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich über die Grundzüge des künftigen Weltwäh-mngssystem dürfte durch einen Kompromiß entschärft worden sein. Zum einen sind die Franzosen von ihrer beharrlichen Forderung nach Wiedererweckung des alten, 1971 zusammengebrochenen Fixkurssystems abgerückt. Die Vereinigten Staaten haben dagegen erstmals öffentlich den Grundsatz konzediert, daß auch sie gleich allen anderen Ländern die Verpflichtung haben, die Kursbildung für den Dollar nicht zufälligen Marktkonstellationen zu überlassen, sondern gegebenenfalls zu intervenieren.

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Seit dem vergangenen Herbst besitzt Rambouillet in der internationalen Währungspolitik Klang. Die dort abgehaltene Konferenz der Regierungschefs der sechs größten westlichen Industrieländer hat, vielleicht nicht sofort allen erkennbar, möglicherweise doch mit einem beachtlichen Erfolg geendet Der jahrelang schwelende Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich über die Grundzüge des künftigen Weltwäh-mngssystem dürfte durch einen Kompromiß entschärft worden sein. Zum einen sind die Franzosen von ihrer beharrlichen Forderung nach Wiedererweckung des alten, 1971 zusammengebrochenen Fixkurssystems abgerückt. Die Vereinigten Staaten haben dagegen erstmals öffentlich den Grundsatz konzediert, daß auch sie gleich allen anderen Ländern die Verpflichtung haben, die Kursbildung für den Dollar nicht zufälligen Marktkonstellationen zu überlassen, sondern gegebenenfalls zu intervenieren.

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Dies bedeutet freilich nicht, daß die Vereinigten Staaten nunmehr das Floating des Dollars beenden werden, doch ergeben sich neue Gesichtspunkte für die Stellung der Leitwährung. Die großen Industriestaaten werden künftig allesamt größere Anstrengungen unternehmen, sprunghafte Kursänderungen zu vermeiden, und zu diesem Zwecke wird die schon bisher regelmäßig auf Notenbankebene erfolgte Kooperation durch Einschaltung der Ministerien und Minister ergänzt und verstärkt. Das Ziel ist eine größere Währungsstabilität.

Für die fernere Zukunft sind, sobald es die Verhältnisse wieder erlauben, stabile, jedoch anpassungsfähige Wechselkursrelationen vorgesehen. In diesem Rahmen soll sich der Austausch von Gütern, Dienstleistungen und von Kapital optimal entfalten können. Die explizite Erwähnung der Kapitalzahlungen stellt gegenüber dem seinerzeitigen Abkommen von Bretton Woods, das die Grundlage der Tätigkeit des Internationalen Währungsfonds bildet, eine wichtige Neuerung dar, die im Hinblick auf die heutigen Gegebenheiten in der Weltwirtschaft zwingend notwendig wurde. Bisher unterlagen den Währungsfondsstatuten nur die sogenannten laufenden Zahlungen, welche die Kapitalbewegungen nicht einschlössen. Die wirtschaftliche Verflechtung der Industriestaaten nach dem Zweiten Weltkrieg ließ jedoch eine Ausklammerung der Kapitalbewegungen aus der internationalen Währungspolitik schon lange nicht mehr zu.

Der Technokrat mag ob dieser im Rambouillet zustandegekommenen Entwicklung zufrieden sein; die jahrelangen, zähen Verhandlungen zeitigen nun Erfolge. Der interessierte Laie hingegen kann sich freilich die Frage stellen, was nun echter Forschritt ist — und was bloß Semantik. Es war schließlich nicht die bessere Einsicht, die die großen Industriestaaten bewogen hat, von bisher als unabdingbar erklärten Forderungen abzurücken. Der Öl-preisschock brachte es zuwege, das Denken der für die internationale Währungspolitik Verantwortlichen in neue Bahnen zu lenken. Inzwischen haben die Industriestaaten im großen und ganzen die Rohölverteuerung in ihren Zahlungsbilanzen recht gut verkraftet. Schwer betroffen sind allerdings die energiearmen Entwicklungsländer.

Auch die Währungspolitik kann an der immer deutlicher werdenden wirtschaftlichen und politischen Polarität der Industriestaaten und der Dritten Welt nicht vorübergehen. Weitgehend geräuschlos, doch mit steigendem Tempo findet in den Entwicklungsländern eine Abkehr von europäischen Vorbildern und Gedankengut statt, wird die europäische Kultur und Lebensweise langsam ersetzt. Vor allem in Afrika und Asien findet eine — an sich begrüßenswerte — Besinnung auf eigene Kräfte statt, wobei das Vorbild der Volksrepublik China hinsichtlich einer allgemeinen Anspruchslosigkeit starke Zugkraft entwickelt. Dieser Prozeß führt jedoch allmählich zur Herausbildung von Gesetzen, die mit unserer marktwirtschaftlichen Ordnung früher oder später in Konflikt geraten müssen. Es wäre für uns Europäer aber bedauerlich, wenn wir mit den großen Traditionen des abendländischen Humanismus nicht in der Lage sein sollten, dem Auseinanderleben rechtzeitig entgegenzusteuern.

Internationale Währungspolitik ist nicht Wechselkursstabilität allein und kann sich auch nicht in Versuchen zur Bändigung der Ströme heißen oder kalten Geldes erschöpfen. Außerhalb der Fachwelt weitgehend unbemerkt, hat der Internationale Währungsfonds schon vor einiger Zeit damit begonnen, sich nicht nur mit Fragen der Stabilität oder der Zahlungsbilanzanpassungen zu beschäftigen, sondern auch der Steuerung der internationalen Liquidität und dem Ausgleich zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern ein sehr starkes Augenmerk zuzuwenden. Neben dem Interimsausschuß des Fonds, der sich mit der Reform des Weltwährungswesens zu befassen hat, wurde ein eigenes Komitee für Entwicklungsfragen ins Leben gerufen. Auf der Finanzierungsseite etwa kam es zu besonderen Fazilitäten für die durch die ölpreiserhöhung stärker betroffenen Länder. Den Rohstoffexporteuren steht eine Fazilität zum Ausgleich von Erlösschmälerungen infolge von Rohstoffpreisschwankungen zur Verfügung.

Noch in Erinnerung sind die auf der letzten Jahresversammlung der Bretton-Woods-Institute eingebrachten und kürzlich in Paris konkretisierten Vorschläge hinsichtlich der Verwertung von Goldbeständen des Währungsfonds auf dem freien Markt, wobei der über die Goldparität hinaus erzielte Überpreis zur Speisung eines für die Entwicklungsländer gedachten Treuhandfonds von etwa 2,5 Milliarden Schilling Sonderziehungsrechten zu dienen hätte. All dies bedeutet eine gewisse Konvergenz der Tätigkeit des Währungsfonds mit jener der Weltbank, die sich primär mit Entwicklungsfinanzierung befaßt.

Zweifellos ist internationale Währungspolitik nicht mit Entwicklungshilfe zu vermengen. Es läßt sich aber immerhin auch in der internationalen Währungspolitik die

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