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Noch kein Ende des „Theologen-Booms“

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Im Sommersemester 1979 studierten 1335 Hörer an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien Theologie. 791 Hörer belegten die fachtheologische oder die selbständig-religionspädagogische Studienrichtung, 544 das kombinierte religionspädagogische Studium, das heißt, sie studieren Theologie als Zweitfach. Die beliebtesten Kombinationsfächer sind moderne Fremdsprachen, Geschichte, Germanistik und Philosophie.

Die Zahl der männlichen inskribierten Hörer betrug 830, die der weiblichen 505. Im Studienjahr 1978/79 begannen 179 Studierende das Studium der Theologie. Mit dieser Studentenzahl weist die Wiener Katholisch-Theologische Fakultät nach der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster (Bundesrepublik Deutschland) die zweithöchste Hörerzahl im deutschsprachigen Raum auf.

Die Zahl der Priesterweihen in Österreich lag in diesem Jahr erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg unter 50. In Wien beträgt die Zahl der Anwärter auf das Priesteramt derzeit etwa 120, einschließlich der Studenten aus verschiedenen Ordensgemeinschaften. An der Wiener Fakultät absolviert eine Reihe von Priestern, davon etliche aus dem osteuropäischen Raum, ihre Doktoratsoder SpezialStudien.

Fazit dieser Zahlen: Das Interesse am Theologiestudium, das in den letzten Jahren auffallend zunahm, h£lt nach wie vor an. Ein Ende dieses Trends ist noch nicht abzusehen, wenn auch gerade unter Laientheologen die Sorge wächst, m kirchlichen Bereich keine ausreichenden Anstellungsmöglichkeiten zu finden.

Tatsache ist jedoch, daß sich zur Zeit in österreichischen Diözesen weniger Stellenbewerber melden, als es vorhandene Arbeitsplätze gibt. Auf Grund der Studenten, die in nächster Zeit ihr Studium abschließen, könnte sich die Situation allerdings rasch ändern.

Geht man davon aus, daß nur ein zahlenmäßig kleiner Teil der Studenten das Priesterämt anstrebt, stellt sich die Frage: Wo hegen die Studien-und Berufsziele der verhältnismäßig großen Zahl von Laien unter den Theologiestudenten? Auf Grund von statistischen Erhebungen und Einzelgesprächen lassen sich einige Motivationsschwerpunkte unterscheiden.

Einmal sind es persönliche Interessen, die junge Menschen veranlassen, das Theologiestudium zu beginnen. Im Gespräch äußern Theologiestudenten den Wunsch, einen Beruf zu wählen, der einen „ganz ausfüllen“ kann. Viele Studenten sehen die Möglichkeit, in einem kirchlichen Beruf Ideale zu verwirklichen, die in anderen Berufen weniger gefragt sind. Man möchte das Gefühl haben können, von anderen gebraucht zu werden. Man will es mit Menschen zu tun haben.

Auf der anderen Seite stellen viele junge Menschen in der gegenwärtigen Situation die Sinnfrage: Wo hegen echte Lebenswerte? Gibt die Religion, konkret die Theologie, befriedigende Antworten? Probleme der Glaubensfindung und-begründung veranlassen manche, mit dem Theologiestudium zu beginnen.

Manche Studierende haben durch die Mitarbeit in der Pfarre, etwa in der Jugendpastoral, durch die Gestaltung des Gottesdienstes, durch Kontakte und Gespräche Interesse an religiösen Fragen gewonnen und wollen deshalb Theologie studieren.

Daneben darf man die Zahl derer nicht unterschätzen, die aus einer allgemeinen Unsicherheit heraus sich durch ein Theologiestudium Klarheit erhoffen. Andere wieder halten die Theologie für ein „leichtes“ Studienfach mit verhältnismäßig gesicherten Berufsaussichten. Diese Gruppen “lassen sich schwer in Zahlen erfassen. Sie bieten nach außen ein unterschiedliches Erscheinungsbild.

Nach wie vor streben etwas über die Hälfte der Studierenden den Beruf des Religionslehrers an. Rund 20 Prozent haben sich für ein Engagement in einem pastoralen Beruf entschieden, andere ziehen nach ihren Aussagen eine Tätigkeit im Bereich der Erwachsenenbildung, der Ehe-und Lebensberatung, oder einen Beruf im sozial-caritativen Bereich oder in der kirchlichen Publizistik vor. Hinsichtlich der Berufswünsche unterscheiden sich die weiblichen Studierenden kaum von den männlichen: Sie wollen genauso in der Pastoral arbeiten wie ihre männlichen Kollegen.

Wie reagieren die kirchlichen Stellen, die an einer Mitarbeit von Laientheologen interessiert und für deren spätere Anstellung zuständig sind? In der Erzdiözese Wien gibt es in diesem Herbst erstmals eine Kontaktwoche für künftige Religionslehrer. Seit einigen Jahren werden solche Kontaktwochen für diejenigen veranstaltet, die als Pastoralassistenten in den Dienst der Diözese treten wollen.

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Wien werden Praktika angeboten, die den Studierenden helfen, sich auf ihre Tätigkeit in der Gemeinde einzustellen und darüber hinaus jenes Maß an Vertrauen zu schaffen, das zwischen den kirchlichen Stellen und den Gemeinden auf der einen und den Laientheologen auf der anderen Seite notwendig ist. Diese Praktika bieten den Studierenden Gelegenheit, über ihre Eignung und Berufung Klarheit zu gewinnen, sodaß die Berufswahl und -entscheidung fundiert getroffen werden kann.

Die derzeitige Situation an den Theologischen Fakultäten ist nicht nur durch die hohen Studentenzahlen, sondern vor allem durch die verschiedenen Beweggründe zum Theologiestudium geprägt. Darin liegt auch eine besondere Herausforderung an die wissenschaftliche und praktische Ausbildung der Theologiestudenten, einschließlich einer entsprechenden Studienbegleitung.

Wenn die Theoiogiestudenten ihrerseits bereit sind, sich auf Grund der durch die Ausbildung erworbenen Fähigkeiten und ihres glaubwürdig gelebten Zeugnisses ganz zu engagieren, ist dies eine Chance für die Verwirklichung des Heilsdienstes der Kirche. Dabei schaffen die vorausschauenden Überlegungen der verantwortlichen kirchlichen Stellen Voraussetzungen für das Gehngen der beruflichen Pläne - in einem Ausmaß, wie es wohl in keinem anderen vergleichbaren akademischen Beruf geschieht.

(Der Autor ist Dekan der Kath. Theologischen Fakultät der Universität Wien)

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