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Noch keine echte Alternative

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Auch wenn es immer wieder auf lange parlamentarische Bänke geschoben wird, bleibt es doch als - gerade Jugendlichen - brennendes Thema im Raum: Gemeint ist die Diskussion um das, was die einen spöttisch ein „Drückebergerdasein", andere mit treuem Augenaufschlag „echtes Engagement für den Frieden" nennen. Gemeint ist der Zivildienst

Knapp 11.000 hoffnungsfrohe und friedfertige Stellungspflichtige haben bislang jenes Gesetz in Anspruch genoVnmen, das seit 1. Jänner 1975 ein Volk in zwei Lager spaltet: Rund zwei Drittel der Burschen, die den Zivildienst beantragten, wurden für diesen auch als würdig empfunden, nachdem ihr Gewissen in einer nichtöffentlichen Sitzung vor den Mitgliedern der vielzitierten Zivildienstkommission mehr oder minder als rein erkannt wurde.

Im Regelfall eher minder: Denn selbst der Kommentar zum Zivil-dienstgesetz spricht davon, daß das Gewissen „auf einer letzten, objektiv nicht beweisbaren, persönlichen Einsicht des Menschen" beruhe, „die nicht mehr weiter begründbar ist".

Und genau an dieser Stelle hegen sich seit Jahr und Tag die Parteien wie die verschiedenen Jugendorganisationen in den Haaren, an der Frage der Zivildienstkommission scheiterte letztlich auch der Versuch einer Novelle zum Zivildienstgesetz: Die ÖVP war für deren Beibehaltung. Damit aber prolongierten gerade die Politiker, die ja ex lege Volkes Stimme sein sollten, jene Vorurteile und negativen Wertschätzungen, die Zivildienern schon seit fünf Jahren zuteil werden. Damit aber wurden auch für die kommenden Monate all jene Versuche abgeblockt, die den Zivildienst zu dem machen hätten können, was der Großteil der Wehrdienstverweigerer auch anstrebt: Nämlich einer echten friedlichen Alternative. Dem ersten Schritt in Richtung „sozialer Verteidigung".

Ein Schritt, dem gerade angesichts des Aufrüstungswahns, der in diesen Wochen wieder in Ost und West Platz greift, mehr als nur symbolischer Charakter zugekommen wäre, ein Schritt aber auch, der von höchster kirchlicher Stelle ebenso gefordert wird wie von verschiedenen Friedensbewegungen - ein mit dem Datum 3. Juni 1976 versehenes, in der (selbst katholischen) Medienberichterstattung aber „verlorengegangenes" päpstliches Dokument verdammt nämlich nicht nur den Rüstungswettlauf als „Gefahr, Ungerechtigkeit, Irrtum, Schuld und Wahnsinn", sondern fordert darüber hinaus noch Gegenteiliges: Nicht den Frieden durch Waffen, sondern durch Recht und Entwicklung.

Weil, wie schon ein Sprichwort sagt, „Gewalt endet, wo Liebe beginnt", fordert man „Soziale Vertei-

digung". Die bisherigen Einsatzstellen für Zivildiener bei Bahn und Post, in Stadtgartenämtern (obwohl sehr friedlich) oder als Erdäpfelschäler im Spital - sind allesamt EinsatzsteHen, „wo er (der Zivildiener) möglichst wenig schadet", wie man das am Grazer Sozialamt auszudrücken pflegt.

Dabei könnte diese ominöse „soziale Verteidigung", die im übrigen ja gar nicht die Abschaffung des Bundesheeres, sondern nur eine auf der Ebene des gewaltfreien Widerstandes basierende Ergänzung sein kann, dabei könnte diese „soziale Verteidigung" also mitunter sogar recht nützlich sein: Beispiele für derartigen Widerstand gibt's (auch in der jüngsten Geschichte) einige, und wenn auch die Okkupation durch Aggressoren nicht zu verhindern war, so konnte diese doch immens erschwert, vor allem aber auch sehr viel Blutzoll verhindert werden.

Und davon träumen sie, die „sozialen Verteidiger":

• Die eingesetzten Methoden dürfen nur ein Minimum an körperlichem Schaden bei Angreifer, Verteidiger und Außenstehenden bewirken,

• Die gewaltfreie Verteidigung strebt nach größerem Demokratiebewußtsein in der Bevölkerung: Sie will zum einen schon in Friedenszeiten ein verstärktes Engagement der Bevölkerung in der und für die Gesellschaft erreichen, sie will aber auch im Ernstfall mit größtmöglicher Dezentralisierung den einzelnen, bereits zu Friedenszeiten zusammenarbeitenden Gruppen die Verantwortung übertragen, ihre Fähigkeiten und Initiativen durchzusetzen.

Kurz gefaßt geht es also um das Bewahren und Entwickeln des Gemeinwesens durch ein umfassendes Engagement, getragen von humanitären und christlichen Grundsätzen. Wobei der Dozent für Neues Testament, Peter Trümmer, aus der Bibel („die nicht nur ein Buch der Gewalt ist, sondern diese auch entlarvt") eindeutige Aufträge herausliest: „Moralische, physische, wirtschaftliche oder politische Gewalt und vor allem Gewalt gegen das Leben -gleichgültig ob vom einzelnen oder der Gesellschaft usurpiert - können vom Christen nicht akzeptiert werden, ohne daß ernstlich jede Form ihrer möglichen Einschränkung geprüft und versucht wird..." .

Darüber wäre zu diskutieren, zu diesem Thema könnten sich die Politiker noch einiges einfallen lassen -auch wenn's keine Wählerstimmen bringt. Und Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen sollten sich moralisch verpflichtet fühlen, Gedanken über einen echten Alternativdienst anzustellen.

Es wäre verantwortungsbewußter, als über Für und Wider einer in sich selbst widersprüchlichen „Gewissenskommission" zu streiten.

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