6969005-1985_23_13.jpg
Digital In Arbeit

Noch mehr Mut zu Zukunftsmodellen!

19451960198020002020

In Österreichs Privatschulwesen, dem die FURCHE gerade eine Serie widmet, spielen die katholischen Schulen, eine hervorragende Rolle. Dazu ein Interview mit Österreichs „Schulbischof” Helmut Krätzl.

19451960198020002020

In Österreichs Privatschulwesen, dem die FURCHE gerade eine Serie widmet, spielen die katholischen Schulen, eine hervorragende Rolle. Dazu ein Interview mit Österreichs „Schulbischof” Helmut Krätzl.

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Herr Weihbischof, momentan wird diskutiert, ob man in den ersten zwei Volksschulklassen Noten geben soll oder nicht. Die gleiche Frage ist auch schon im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht aufgetaucht. Wie sehen Sie dieses Problem?

WEIHBISCHOF HELMUT KRÄTZL: Ich will mich in die allr gemeine Diskussion über Noten in den ersten zwei Klassen nicht einmischen. Was den Religionsunterricht anlangt, stecken wir in einem Dilemma. Der Religionsunterricht hat sicher mehrere Funktionen zu erfüllen. Er ist einmal ein Schulfach wie jedes andere. Es wird ja auch im Religionsunterricht viel Wissen vermittelt, das dann auch abfragbar, prüfbar und benotbar ist.

Andererseits ist der Religionsunterricht natürlich eine Hilfe für den jungen Menschen, sich seines Glaubens bewußter zu werden, Antworten für sein Leben zu finden, und das kann man natürlich nicht benoten. Aber wie die Praxis gezeigt hat, kann ein guter Religionslehrer durchaus beides auseinanderhalten. Er kann das Wissen beurteilen, aber natürlich mit der Note keineswegs irgend etwas aussagen über das Glaubensleben eines jungen Menschen oder gar über dessen Kirchlichkeit.

FURCHE: Die katholischen Privatschulen haben anscheinend zum Teil mit großen Problemen zu kämpfen. Sind konkret Schulen von der Schließung bedroht?

KRÄTZL: Ich kann keine konkreten Schulen nennen, aber das Problem besteht. Die Schwierigkeiten haben damit begonnen, daß die Orden an einem sehr großen Nachwuchsmangel leiden. Dazu ist gekommen, daß sie auch in immer stärkere finanzielle Notlage geraten sind. In der Zeit, wo noch viele Lehrer aus dem Orden in der Schule unterrichtet haben, ist gleichsam auch ihr persönliches Gehalt in den Sachaufwand der Schule geflossen. Je weniger Ordensleute nun beschäftigt sind, umso klarer scheidet sich der Personalaufwand vom Sachaufwand. Gott sei Dank bekommen wir das Gehalt für die vielen Laien, die nun dort unterrichten, hundertprozentig vom Staat, aber den Sachaufwand nicht, und der wird immer belastender. Und so stehen wirklich einige Ordensgemeinschaften vor der Überlegung, wie lange sie ihre Schule noch halten können.

FURCHE: Gibt es da Ihrerseits Wünsche, deren Erfüllung die Weiterführung dieser Schulen möglich machen könnte?

KRÄTZL: Die Erzdiözese Wien hat in den letzten Jahren fünf Ordensschulen in die Trägerschaft übernommen, allerdings ist das sicher begrenzt Es wäre zu fragen, ob sich nicht auch — wie in der Geschichte der Verein Neulandschulen — andere Träger finden könnten, die hier einspringen.

FURCHE: Sie könnten sich vorstellen, daß große katholische Laienorganisationen so eine Aufgabe übernehmen?

KRÄTZL: Das ist theoretisch durchaus möglich. Ich glaube schon.

FURCHE: Was läßt sich unabhängig von diesen Problemen Erfreuliches und Hoffnungsvolles über die Katholischen Privatschulen sagen?

KRÄTZL: Der Zuzug zu den katholischen Privatschulen ist immer noch groß, obwohl die Kinderzahl zurückgeht und die Eltern

„Wir sind ja fast auf die Barrikaden gegen die Koedukation gestiegen. ..” leider doch relativ hohe Schulgelder zahlen müssen. Das ist ein Gütezeichen der katholischen Privatschulen. Vom Schulischen her glaube ich, daß die Privatschule eine Fülle von Vorteilen bringt. Zunächst einmal gibt es in einer Privatschule einen viel homogeneren Lehrkörper. Dadurch ist der Unterricht insgesamt besser zu gestalten, und wir haben von den staatlichen Stellen oft das Zeugnis ausgestellt bekommen, daß gerade schulisch die Privatschulen an erster Stelle stehen. Dazu kommt, daß das Zusammenarbeiten zwischen Lehrern, Eltern und Schülern — also die Schulgemeinschaft-besser funktioniert. UrM darüber hinaus können wir mit einem gewissen Stolz sagen, daß die Privatschulen,was Schulexperimente anlangt, in der Regel sehr mutig waren und vorausgegangen sind.

FURCHE: In welche Richtung ließe sich das Angebot der Privatschulen noch erweitern?

KRÄTZL: Ich würde momentan keinen allzu großen Schritt mehr sehen. Interessant ist, daß die meisten Privatschulen nun koedukativ geworden sind, wobei die Elternwünsche nicht immer gleich sind. Ich könnte mir vorstellen, daß bei der immer notwendigen Schulreform die Privatschulen noch beispielhafter vorangehen und noch mehr als bisher Modelle entwickeln können, die dann später in die Regelschule übergeführt werden. Vor allem sollten die Privatschulen vorbildlich sein für eine ganzheitliche Bildung des jungen Menschen und den Primat des Pädagogischen und Erzieherischen noch mehr herausstellen.

FURCHE: Stichwort Koedukation — hat es da nicht ein Umdenken gegeben?

KRÄTZL: Ohne Zweifel, wir sind ja eine Zeitlang fast auf die Barrikaden gegen die Koedukation gestiegen und sind nun eines besseren belehrt worden.

FURCHE: Worauf müßte es bei einer katholischen Privatschule immer besonders ankommen?

KRÄTZL: Daß der Hintergrund die christliche Weltanschauung ist, daß der Schüler lernt, im Geist des Evangeliums zu denken und zu handeln, und daß die Lehrer dies durch ihre Einstellung glaubhaft machen. Um das gelingen zu lassen, ist es auch sehr wichtig, daß die Lehrer mit den Eltern einen viel stärkeren Kontakt haben als es sonst üblich ist und Bil-dungs- und Erziehungsziel absprechen. Sonst ist es fast nicht leistbar, wenn junge Menschen zwischen zwei verschiedenen Weltbildern und Erziehungszielen hin- und hergerissen werden: Hier Schule und da Eltern.

Das macht uns allerdings große Schwierigkeiten, weil die Motive, warum die Eltern ihre Kinder in eine Privatschule schicken, sehr auseinanderklaffen. Einerseits wünschen sehr christlich denkenden Eltern, daß das Religiöse in einem besonderen Maß dort angeboten wird und eine Erziehung, die in die kirchliche Praxis hineinführt. Auf der anderen Seite gibt es Eltern, die ihr Kind wegen der besseren Erziehung, gleichsam zur „Aufbewahrung”, hinschik-ken und das christliche Gedankengut höchstens mit in Kauf nehmen. Wir sehen aber auch eine erzieherische Aufgabe darin, uns der Kinder aus diesen Familien anzunehmen.

Das Interview führte Heiner Boberski.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung