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Normaler Prozeß

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In letzter Zeit wurde Ihr Orden in zweiBriefen von Seite des Vatikansgerügt. Wie ist Ihre Stellungnahme dazu?

PATER JOHN VAUGHN: Der erste Brief kam von der Ordenskongregation und wurde an mich als Präsidenten der Vereinigung der Generaloberen der Ordensgemeinschaften adressiert. Dieser Brief beinhaltet die Klagen, daß einige Ordensobere in einer Weise reden und schreiben, daß sie nicht die richtige Ehrfurcht vor der Lehre der Kirche zeigen. Diese Tatsache hat die Aufmerksamkeit der Ordenskongregation hervorgerufen.

Der zweite Brief kam von der Glaubenskongregation und richtete sich an mich als General der Minderbrüder. In diesem Brief bat mich Kardinal Joseph Ratzinger, einige Situationen zu untersuchen, die seine Aufmerksamkeit provoziert hatten. Dies betraf einen zu laxen Respekt für die Lehrautorität der Kirche.

Welche Reaktion erfolgte auf diese Briefe?

VAUGHN: In beiden Fällen wurden Gespräche zwischen den Oberen und den Kongregationen durchgeführt, insbesondere im Falle des Briefes von Kardinal Ratzinger muß ich sagen, daß dieser Brief nur einige Punkte niederlegt, die schon in neun Monate dauernden Gesprächen diskutiert wurden, als uns die Glaubenskongregation bat, diese schon er wähnte Situation weiter im Auge zu behalten.

Meiner Meinung nach wurden diese beiden Briefe vom Heiligen Stuhl aus angeordnet. Zu der Zeit als sie veröffentlicht wurden, hatte die Vereinigung der Ordensoberen diese Angelegenheit schon behandelt und ihre Antwort an die Kongregation gerichtet. Insofern unser Orden auch betroffen war, hatten wir uns der Sache angenommen, die Kardinal Ratzinger zu unserer Aufmerksamkeit brachte.

Es ist ein normaler Prozeß, daß die Kongregation, wenn zu ihr Klagen gebracht werden, zuerst die Ordensoberen verständigt, und das tat sie auch in diesem Fall. Normal ist es auch für uns, die erforderlichen Schritte zu unternehmen — und das taten wir auch.

So gibt es in unserem Orden sicher kein Bestreben, ungehorsam zu sein, und keinen Wunsch, eine abweichende Meinung von der des Lehramtes zu haben. Wir wollen auch weiter so treu und gehorsam zum Heiligen Stuhl sein, wie wir es nur können.

Gibt es Ihrer Meinung nach irgendwelche Tendenzen, die Freiheit der Orden zu begrenzen?

VAUGHN: Ich bin mir irgendeiner solchen Tendenz nicht bewußt. Ich finde, daß wir viel Freiheit haben. An unseren Kapiteln wurde uns gesagt, daß wir vollkommene Freiheit, gemäß unseren Konstitutionen, genießen, denjenigen zu wählen, von dem wir denken, daß er am besten nach Gottes Willen sein Amtshaus führen kann. Bei all dem, was wir bis jetzt getan haben, erfuhren wir auch keine Einmischung.

Welche Bedeutung messen Sie der Papstvisite in Assisi bei?

VAUGHN: Die Tatsache, daß der Heilige Vater Assisi für den Weltfriedenstag ausgewählt hat, ist eine spezielle Einladung und Herausforderung an uns Franziskaner, das zu tun, was der heilige Franziskus zu seiner Zeit getan hat, also wahre Boten von Hoffnung und Frieden zu sein.

Das Gespräch führte Georg Motylewitz.

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