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Notizen aus der Hölle

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Herbert Wehner, der große, graue, alte Mann der deutschen Sozialdemokratie, hat wenig über sich selbst geschrieben. Nun sind erstmalig seine „Notizen" hier veröffentlicht worden, die er 1946 in Schweden schrieb, aus der Haft entlassen.

Die Schweden hatten ihn als „sowjetischen Spion" eingekerkert und pausenlos wird er — bis heute — als „Bolschewik", als „Erzkommunist", als „der böse Geist in der Bundesrepublik" angegriffen. Wehner also, der durch das „Godesberger Programm" der deutschen Sozialdemokratie die Tore öffnete, zur Mitregierung, zur Regierung.

Diese „Notizen" führen in Höllen ein: in den mörderischen Kampf der Kommunisten, nahezu aller gegen alle, in der Weimarer Republik; Schurkereien am laufenden Bande, gerade in Moskau, in der Enge des „Hotel Lux".

Herbert Wehner schildert dieses Inferno. Seltsam, daß in diesem ganzen Buch der Name des Mannes nicht aufgeschlüsselt wird (auch im Register nicht), der Wehner unter seinen Fittichen beschützte: Ercoli. Immer wieder Ercoli! Nie wird sein wirklicher Name genannt: KPI-Vordenker Togliatti. Das ist für mich die einzige Seltsamkeit an diesem Dokumentationswerk.

Wehner steht in Moskau gegen das Liebäugeln in der Parteileitung der KPD mit großdeutschen Tendenzen. Er glaubt auch nicht, wie langezeit die Moskowiter, daß Hitler sich 1933 nur ganz kurze Zeit werde halten können. Er rechnet mit zehn Jahren...

Als seine „beiden Kardinalfehler" nennt Wehner diese: Daß er als junger Mensch Kommunist geworden sei und dann später glaubte, dieser Irrtum werde in einer Demokratie nachgesehen, wenn man ihm wirklich abgeschworen hatte.

1941 erlebt er einen tiefen Eindruck, in Moskau, in Lesung des Buches von Ernst Wiechert: „Vom einfachen Leben". Er hat kein einfaches Leben gefunden, geführtbis heute nicht. Mit Männern der Kirche hat er bereits als Kommunist Berührung gefunden. Ja, er weiß, was die Bergpredigt enthält. Ungeheures...

Seltsam diese Schluß-Antwort auf eine Frage: „Worüber können Sie lachen?" Antwort: „Uber mich." Ich glaube, diese Antwort traut ihm kaum jemand zu: Wie tief hat er sich doch hineingedacht, selbstkritisch, in sein eigenes Leben.

Zumindest dies sollte ihm als vorbildlich zugerechnet werden. ..

HERBERT WEHNER. Zeugnis. Hrsg. von Gerhard Jahn. Verlag Kiepenheuer St Witsch, Köln 1982. 512 Seiten, geb.. öS 288,80

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