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Notlösung Jedermann

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Was bedeutet das „Salzburger • Festspiele"? Musikalisch-dramatische Aufführungen, wel!=he zu Salzburg in einem eigens dafür gebauten Festspielhaus stattfinden werden. · Wann sollen solche Festspiele stattfinden? Alljährlich im Sommer, dann und wann aber auch zu andern Zeiten, etwa um Weihnachten, oder sonst im Winter, auch zu Ostern und Pfingsten. · · Um was handelt es sich da, um Oper oder Schauspiel oder um Musikfeste? Um Oper und Schauspiel zugleich, denn die beiden sind im höchsten Begriff nicht voneinander zu trennen. Wie denn das, man trennt sie doch allerorten? · D'ie Trennung ist gedankenlos oder nach der bloßen Routine. Die höhere Oper, die Opern Mozarts vor allem, auch die Glucks, Beethovens Fidelio, von Wagners Werken nicht zu sprechen, sind dramatische Schauspiele im stärksten Sinn, das große Schauspiel aber setzt entweder eine begleitende Musik voraus, wie sie etwa Goethe für seinen Faust verlangte, oder e???? strebt dem musikhaften Wesen in sich selbst entgegen, wie Shakespeares phantastische Schauspiele, Schillers romantische Dramen oder Raimunds Zaubermärchen. Festspielprogrammatik, verfaßt von Hugo von Hofmannsthal, 1919.

1 0. Juli 1 920 Die Salzburger FestspielhausGemeinde richtet an die Salzburger Landesregierung die Bitte um kostenlose leihweise Überlassung von Bauholz für.die Festspielbühne in der Reitschule. Die Salzburger Festspielhaus-Gemeinde verzichtet gleichzeitig auf den Reingewinn und ' bestimmt diesen zu 50 Prozent für die Invaliden, zu 15 Prozent für die Kriegswaisen, 25 Prozent für die Kriegsgefangenen und zehn Prozent für die amerikanische Kinderhilfsaktion.

Ebenso verzichten Reinhardt als Regisseur, Roller als Ausstatter und die Schauspieler auf ihre Gagen (m????r Werner Krauß wünscht sich eine Lederhose); auch Hofmannsthal und die Komponisten der Bühnenmusik Einar Nilson und Bernhard Paumgartner verzichten auf ihre Tantiemen.

1 6, Juli 1 920 Die Geburtsstunde des Salzburger „Jedermann" auf dem Domplatz liegt im dunkeln. Verschiedene Versionen zeigen, daß mehreren Personen aus dem Kreis um Reinhardt das Verdienst zugeschrieben wird, Urheber des Gedankens zu sein. In der Stammtischrunde um

davon die Rede, den „J edermann" vor dem Dom zu spielen, aber auch Erwin Kerber wird ats Initiator genannt. Bernhard Paumgartner berichtet in seinen Erinnerungen, daß diese Idee während eines gemeinsamen Spazierganges mit Reinhardt durch die Stadt entstandert sein soll

„Jtee dermann" ohne Glockenge1

14. - 19. August 1 921 Als einzige eigene Veranstaltung der Salzburger FestspielhausGemeinde geht wiederum der „Jedermann" auf dem Domplatz in Szene. Diesmal allerdings ohne das Läuten der Kirchenglocken. Fürsterzbischof Rieder muß seine früher gegebene Erlaubnis zurückziehen, da die Bevölkerung gegen den „Mißbrauch ihrer Glocken" für eine Theateraufführung opponiert. Die Proteste reichen von anonymen antisemitischen Beschimpfungen bis zu innerkirchlichen Schwierig- · keiten.

FeWstosphineulznegistw ucher während der FeWstosphineulznegist

23. August 1 921 Die Linzer „Tagespost" berichtet unter dem Titel „Der Fremdenteufel in Salzburg", nach Ausbuchung von Hotels und Gasthöfen sei der ·Ruf an die Privatvermieter ergi;mgen, die Fremden aufzunehmen: „Da wurden Hunderte von Familien aller.Stände von einem Taumel ergriffen. Was kein Wohilungsamt zustande gebracht hätte, die Aussicht auf Geld, viel Geld, so gut wie ohne Arbeit verdientes Geld, schuf Platz-viele hundert Zimmer standen über Nacht auf dem legalen und noch mehr auf dem illegalen Wohnungsmarkte und jedes suchte das andere zu übertrumpfen im PreiseR." se

PreiseR." i chard Strauss wird Präsident

24. November 1 922 In der Direktoriumssitzung wird Richard Strauss einstimmig zum Festspielpräsidenten gewählt, nachdem Alexander Prinz Thum und Taxis aufgrund der dauernden vereinsinternen Streitereien zurückgetr.e ten ist.

Wie dem Briefwechsel Strauss/ Hofmannsthal zu entnehmen ist, sind dieser Berufung schwierige Verhandlungen vorausgegangen. Strauss wollte ursprünglich die · Präsidentschaft ablehnen, da er hörte, Reinhardt sei schwer gekränkt, daß man dieses Amt nicht ihm anbot. Hofmannsthal schreibt an Straussam4. 9.: „Reinhardt zum Präsidenten nehmen diese Spießbürger nie: sie hassen ihn, hassen ihn drei- und vierfach, als Juden, als Schloßherrn, als Künstler und einsamen Menschen, den sie nicht begreifen."

Textzitate und Bilder sind dem Band „Salz· ,burger Festspiele, Chronik 1920-1945" von Edda . Fuhrich/Gisela Prossnitz im Residenz-Verlag Salzburg entnommen; der zweite Band erscheint zu Beginn nächsten Jahres.

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