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Nürnberg als Vorbild?
Die parlamentarische Versammlung des Europarates hat Ende Jänner in Straßburg nach einstimmiger Empfehlung der politischen Kommission, deren Präsident der Österreicher Ludwig Steiner ist, mit überwältigender Mehrheit in einer Resolution ein Kriegsverbrecher-Tribunal gegen Saddam Hussein gefordert.
Die Parlamentarier waren sich im Grundsätzlichen völlig einig.
Botschafter Steiner zur FURCHE: „In Anbetracht der unfaßbaren Dinge, die im Golfkrieg passieren und schon passiert sind, muß man auch die Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen klarlegen."
Freilich: Mehr als eine Resolution konnte der Europarat nicht beschließen. „Wir haben ja nur die Umsetzungsmöglichkeiten über die nationalen Parlamente", ist sich Steiner bewußt, von denen jetzt die Initiative ausgehen müßte.
Auch Österreich könnte diesbezüglich aktiv werden und in der Generalversammlung der Vereinten Nationen - „und es ist ja in der Resolution die Rede davon, das im Rahmen der UN zu machen, also nicht im Rahmen einer kriegführenden Koalition" (Steiner) - ent-
sprechende Vorschläge einbringen.
Immerhin hat der Europarat mit seiner Forderung eine Weichenstellung vorgenommen. Denn grundsätzlich stünden zwei Möglichkeiten der Verfolgung von Kriegsverbrechen - die in der Verletzung des Kriegsrechtes oder des Völkerrechtes oder des Rechtes eines betroffenen Staates bestehen können - offen, wobei nicht nur „Völkerrechtssubjekte", also Staaten, sondern auch Handlungen eines einzelnen verfolgt werden können.
Erste Möglichkeit: „Die Durchführung des Strafverfahrens überläßt das Völkerrecht jedem Staat, der eines solchen Kriegsverbrechers habhaft wird, auf der Grundlage
seiner eigenen, innerstaatlichen Gesetze", erläutert der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Linz Heribert F. Köck.
Bei der zweiten Möglichkeit, für die sich die Straßburger Parlamentarier ausgesprochen haben, sieht der Völkerrechtler eine historische Parallele, auch wenn nicht mehr direkt Sieger über Besiegte richten sollen: Bilden die Vereinten Nationen ein Tribunal „und geben ihm ein Statut - so wie das auch bei den Nürnberger und Tokioter Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg geschehen ist, wo man eine eigene Grundlage geschaffen hat -, werden die dann bestellten Richter auf dieser Grundlage tätig."
Das Statut des Internationalen Militärgerichtshofes für den Nürnberger Prozeß hat etwa auch die Verbrechen ausdrücklich definiert: in „Verbrechen gegen den Frieden", worunter auch ein Krieg unter Verletzung internationaler Verträge verstanden worden ist, in „Kriegsverbrechen" im engeren Sinn, also Verletzungen der Kriegsrechte, und in „Verbrechen gegen die Menschlichkeit".
Allerdings hängt ein künftiger Kriegsverbrecherprozeß gegen Saddam Hussein nicht nur von der rechtlichen, sondern von einer faktischen Möglichkeit ab: Man muß seiner erst einmal habhaft werden.
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