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Nulltarif in den Museen

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Große Kunstwerke sind ernsthaft gefährdet. Das Kunsthistorische Museum und die Albertina brauchen wesentlich mehr als insgesamt 11,5 Millionen Schilling. Beide Museen suchen neue Wege.

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Große Kunstwerke sind ernsthaft gefährdet. Das Kunsthistorische Museum und die Albertina brauchen wesentlich mehr als insgesamt 11,5 Millionen Schilling. Beide Museen suchen neue Wege.

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Die Chefs der österreichischen Bundesmuseen schlagen Alarm, und der ÖVP-Parlamentsklub stößt in die gleiche Kerbe. Beide fordern ein Umdenken in der Museumspolitik, sei es in Form der Bereitstellung längst notwendiger finanzieller Mittel durch den Staat, sei es in einer dezentralisierten Verwaltung mit mehr Autonomie und Autarkie, die den Museen die Möglichkeit einräumt, selbsterwirtschaftete Einnahmen lukrativ einzusetzen.

Sollte alles beim alten bleiben, gingen unersetzliche Schätze europäischen Kulturerbes zugrunde oder sie blieben für die zunehmend interessierte Öffentlichkeit unzugänglich.

Dabei leidet neben der graphischen Sammlung Albertina gerade das Kunsthistorische Museum am meisten unter der Aushungerung durch die bürokratische Verwaltung des den beiden übergeordneten Wissenschaftsministeriums. Zwar hat nach Aussage des Ersten Direktors des Kunsthistorischen Museums, Hermann Fillitz, entgegen anderslautenden Berichten noch kein einziges Gemälde infolge der fehlenden Klimaanlage ernsthaften Schaden an seiner Struktur genommen, doch die Beschädigungen fallen rascher an. Noch wird man etwa die aus der Schausammlung genommenen Dürer-Werke „Maximilian I.“ und .^.llerheiligen-Altar-bild“ restaurieren können. Und Walter Koschatzky, Direktor der Albertina, hat in seiner Sammlung seit den vor fünf Jahren konstatierten, durch Abgase verursachten Schäden keine neuen zu beklagen, weil diese durch Auflassen des Parkplatzes auf der Albrechtsrampe und eine Umgruppierung der Objekte von der Seite der Augustinerstraße auf jene des Burggartens rechtzeitig verhindert wurden.

Da es in dem als Palais des kunstliebenden Schwiegersohnes der Kaiserin Maria Theresia konzipierten Haus unmöglich ist, Klima- und Befeuchtungsanlagen einzubauen, braucht die kostbarste graphische Sammlung der Welt zusätzliche Räume mit entsprechender Belüftung. Im Kunsthistorischen Museum müßten die seit Jahren laufenden, zugegebenermaßen äußerst komplizierten Planungsarbeiten zur Klimatisierung und stufenweisen Sanierung endlich zum Abschluß gebracht und das Geld für ihre Realisierung bereitgestellt werden. Neben einer modernen Klima- und Befeuchtungsanlage (die alten Lüftungsschächte wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zugemauert), einer größeren Garderobe (gegenwärtig ist sie für eine Besucherzahl von dreihundert Personen pro Tag berechnet, tatsächlich sind es bis zu achttausend), besser schließenden Fenstern samt Jalousien sowie einem Lift bedarf der mehr als hundert Jahre alte Bau einer größeren Raum-Kapazität für Ausstellungen, Werkstätten und Depots. Auch eine automatische Löschanlage ist dringend notwendig.

Die von Wissenschaftsminister Heinz Fischer vorgeschlagene Anhebung der Eintrittsgebühren halten weder Fillitz noch Koschatzky für hilfreich. Denn die Eintrittspreise, die zur Zeit bloß ein Hundertstel des Budgets (neun Millionen für das Kunsthistorische Museum, zweieinhalb Millionen für die Albertina) ausmachen, müssen wie alle übrigen Einnahmen (für Führungen, Kataloge etc.) an den Staat abgeliefert werden. Im Sinne ihres Bildungsauftrages treten beide Direktoren nach englischem, deutschem und teilweise auch amerikanischem Muster überhaupt für den Nulltarif ein, der zudem eine Einsparung des Personals an den Kassen zur Folge hätte oder deren effizienteren Einsatz anderswo ermöglichen würde.

Zielführend, erklären die beiden Museumschefs, wären Preiserhöhungen deshalb lediglich dann, wenn sie erheblich ausfallen würden und wenn die Museen Nutzen davon zögen. Für Kinder, Studenten, Senioren und Erwachsene sollten die Preise allerdings gestaffelt sein.

Eine von Fillitz immer wieder vorgetragene Idee zur Hebung des

Standards besteht darin, Neuerwerbungen aus den Mitteln des Zahlen-Lottos zu finanzieren — wie das in der Bundesrepublik Deutschland bereits geschieht. Schon in seinem Tätigkeitsbericht für 1982 bis 1984 meinte er: „Würde das Kunsthistorische Museum nur zehn Prozent jener Gelder erhalten, mit denen öffentliche Stellen und Private den Sport unterstützen, müßte es auch in dieser Hinsicht den Vergleich mit ausländischen Institutionen nicht scheuen.“

Auch Koschatzky würde eine Ermunterung privater Stellen begrüßen. Im übrigen aber fürchtet er eine Verbauung des Platzes vor der Albertina. Besonders das geplante Garagenprojekt und der Plan, an Stelle des ehemaligen Philippshofes das Hochhaus einer Versicherungsgesellschaft zu verwirklichen, erscheinen vom Standpunkt der Albertina bedenklich.

Zwei bereits existierende Institutionen, die als Kristallisationskerne zumindest eine gewisse Besserung der augenblicklichen Verhältnisse zu initiieren versprechen, stellen der „Verein der Museumsfreunde“ und der „Verein der bildenden Künste“ dar. Ihre Spenden und ihr Einsatz in der Öffentlichkeitsarbeit beweisen bei ständig steigender Mitgliederzahl, daß sich mehr als nur eine Handvoll von Menschen der Bedeutung des Kunsterbes bewußt ist.

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