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Nun beginnt neue Ära

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Alt-Niederösterreicher sagen, einen derartigen Wandel habe die Landespolitik in Niederösterreich seit 1945 noch nicht durchgemacht. Und man muß nicht unbedingt Intim-Kenner des blaugelben politischen Parketts sein, um einzusehen: Spätestens am kommenden Wochenende - nämlich mit dem Reformparteitag der ÖVP Niederösterreichs am 8. November in Holla-brunn - beginnt im Land unter der Enns eine neue Ära.

Zumindest sitzen neue Männer an den Schalthebeln. Sowohl in den Spitzen der beiden im Landtag vertretenen Parteien ÖVP und SPÖ, als auch an der Landesspitze. Der neue ÖVP-Chef im Land wird ab 8. November Siegfried Ludwig heißen. Er wird in der ersten Landtagssitzung des Jahres l'981 seinen Vorgänger Andreas Maurer auch als Landeshauptmann von Niederösterreich „beerben”.

Tatsächlich ein Erbe angetreten hat der neue Mann an der Spitze der SPÖ Niederösterreich, Leopold Grünzweig. Er hat die sicher nicht leichte Aufgabe, in der „schwarzen Hochburg” Niederösterreich Führer der zweitstärksten Kraft zu sein, von dem am 27. September an seinem dritten Herzinfarkt verstorbenen Hans Czettel übernommen.

Übrigens: Czettel, der noch wenige Wochen vor seinem Tod angekündigt hatte, er werde als Herausforderer der ÖVP im Ring bleiben, wer immer ihm gegenübertreten möge, starb neun Tage, nachdem Maurer seinen Rücktritt angekündigt hatte...

Eines kann jetzt schon gesagt werden: Die Startbedingungen für ÖVP und SPÖ in die achtziger Jahre sind in Niederösterreich „gleicher” geworden.

Zweifellos wäre Hans Czettel Ludwig an Bekanntheitsgrad und Popularität überlegen gewesen. Eine der jüngsten SPÖ-Meinungsumfragen hatte ein bedeutendes Aufholen Czettels gegenüber dem „Denkmal” Maurer (er ist schon 14 Jahre Landeshauptmann) signalisiert. Czettel hätte als der erfahrene Spitzenmann dem neuen Mann in der ÖVP gegenüber einen gewissen Bonus ausspielen können.

Als nun schon am Abend des 1. Oktober - unmittelbar nach Czettels Begräbnis - feststand, daß Kulturlandesrat Leopold Grünzweig die Nachfolge als Landesparteichef und Landeshauptmannstellvertreter antreten werde, war das Aufatmen in der ÖVP hörbar. Man hatte mit dem „Großen Unbekannten” von der Ebene der Bundes-SPÖ gerechnet. Doch Partei-Vater Bruno Kreisky hatte die Fäden anders gezogen...

Siegfried Ludwig und Leopold Grünzweig sind beide aus der zweiten Reihe in die erste getreten.

Als geschäftsführender Parteiobmann hat Ludwig, Jahrgang 1926, schon seit 1975 wesentlich die Geschicke der ÖVP in Niederösterreich mitbestimmt. Als Finanzreferent der Landesregierung (seit 1968) und Landeshauptmannstellvertreter (seit 1969) war er bereits der zweitmächtigste Mann im Land. Als Raumordnungsreferent verfügte er über ein weiteres Machtinstrument, mit dem er wesentlich auf die Entwicklung Niederösterreichs Einfluß nehmen konnte.

Ludwigs „Hausmacht” ist der ÖAAB (er ist Landesobmann). Wenn er 1981 Andreas Maurer als Landeshauptmann ablöst, wird erstmals in Niederösterreich ein Arbeitnehmervertreter an der Spitze des Landes stehen, ein „schwarzer” allerdings. Bisher war der Landeshauptmann in Niederösterreich eine Domäne des ÖVP-Bauern-bundes.

Die traditionelle Arbeiterpartei schickt mit Leopold Grünzweig freilich keinen Arbeiter in die Führungsposition. Grünzweig, Jahrgang 1923, ist Lehrer. 1959 zog er in den Landtag ein, 1969 übernahm er in der Landesregierung das Schul- und Kulturreferat. In die Führungsgarnitur der Landes-SPÖ war er als einer der Stellvertreter von Hans Czettel aufgerückt.

Das politische Klima in Niederösterreich hatte sich seit 1978 merklich abgekühlt. Hatte man geglaubt, nach den Landtagswahlen im Frühjahr 1979 wüjrde sich manches wieder einrenken, so sah man sich getäuscht.

Da wurde wegen eines Streits auf Gemeindeebene sogar ein Parteiabkommen auf Landesebene, das der SPÖ mehr Kompetenzen und mehr Mitsprache in den Personalentscheidungen gebracht hätte, gekündigt. Da brach der „Hypobank-Skandal” auf. Schließlich erklärte Czettel, mit Maurer gebe es keine Gesprächsbasis mehr...

Nun: Ludwig und Grünzweig gelten als konzilianter. Ludwig hat bereits angekündigt, er werde als Parteichef die SPÖ zu neuen Gesprächen einladen.

Auch Grünzweig hat bisher nie mutwillig Streit vom Zaun gebrochen. Allerdings hat er auch erklärt: „Wir wollen nicht gerade Arm in Arm mit dem politischen Gegner durchs Land ziehen.”

Während Ludwig das Image des politischen Machers hat, umgibt Grünzweig eher die Aura des Intellektuellen. Ein Schachzug war es auch, daß er das Kulturreferat weiterführt. Dieses und seine Einstufung der SPÖ als „links von der Mitte, aber bedingungslos auf dem Boden der Demokratie”, soll ihm -hoffte man in der SPÖ - viele Sympathisanten bei politisch eher Ungebundenen einbringen. Als Landeschef der „Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus” will er vermutlich zudem einen gewissen Brückenkopf im katholischen Lager bilden.

Die neue Ära in Niederösterreich schlägt aber auch auf die zweite Reihe durch. In der ÖVP wird bereits jetzt der 34jährige Bauernbündler Erwin Pröll zum Nachfolger Ludwigs aufgebaut. Kommender Mann - und wieder Arbeiter - in der SPÖ aber ist der Gewerkschafter Ernst Höger, 35, der nach Hans Czettel als Gemeindereferent in die Landesregierung eingezogen ist.

Eine perfekte Weichenstellung.

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