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Nur die Musik versöhnt...

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Mozart regiert diesmal das Opernprogramm der Salzburger Festspiele: „Idomeneo“, eine Neuproduktion Karl Böhms, Gustav Sellners und Jörg Zimmermanns, und „Die Hochzeit des Figaro“, 1972 von Herbert von Karajan und Jean-Pierre Ponnelle erstmals herausgebracht, sind bereits absolviert, „Cosi fan tutte“ und die ..Entführung“ folgen demnächst. Das erwartete große Opernereignis freilich bescherte auch dieser „Idomeneo“ zur Eröffnung nicht: Hätte nicht Karl Böhm zumindest musikalisch eine imponierend dramatische, leidenschaftlich erregte Aufführung zustande gebracht, wäre das Debakel vollkommen gewesen.

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Mozart regiert diesmal das Opernprogramm der Salzburger Festspiele: „Idomeneo“, eine Neuproduktion Karl Böhms, Gustav Sellners und Jörg Zimmermanns, und „Die Hochzeit des Figaro“, 1972 von Herbert von Karajan und Jean-Pierre Ponnelle erstmals herausgebracht, sind bereits absolviert, „Cosi fan tutte“ und die ..Entführung“ folgen demnächst. Das erwartete große Opernereignis freilich bescherte auch dieser „Idomeneo“ zur Eröffnung nicht: Hätte nicht Karl Böhm zumindest musikalisch eine imponierend dramatische, leidenschaftlich erregte Aufführung zustande gebracht, wäre das Debakel vollkommen gewesen.

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Gewiß, das Problem dieses „Idomeneo“ ist schlechthin das Problem aller Inszenierungen dieser Oper, die weder ein minderwertiges Jugendwerk ohne dramatisches Feuer, noch eine langweilige Aneinanderreihung zusammenhangloser Nummern ist, wie all die zu verstehen geben wollen, die am Idomeneo scheitern. Daß allerdings immer wieder nur die Regisseure und Bühnenbildner am Mißerfolg Schuld tragen, bewiesen diesmal, nach Vaclav Kaslik und Josef Svoboda in Wien, Sellner und Zimmermann in Salzburg.

Denn Dr. Böhm zeigte mit seiner musikalischen Realisierung, die auf der neuen kritischen „Bärenreiter“-Ausgabe des Werks durch Daniel Haevtz beruht und eine sehr überzeugende Mischung aus der Münchner Uraufführungfassung von 1781 und der Wiener Revision von 1786 präsentiert, daß hier in der Musik all das vorgegeben ist, das man nur in Bild, Sängerführung, Szene übersetzen muß. Die enorme Distanz zwischen Böhms Wiedergabe und Sellners Konzept demonstriert schon das Mißverständnis: Sellner hat offenbar aus Angst davor, einen der Form der Opera seria und der spätbarok-ken Historie nicht angemessenen, zu wenig heroischen Präsentationsstil anzuwenden, die Stilisierung bis ins Unerträgliche übertrieben. Massenszenen, die Todesängste und Schrek-ken verbreiten müßten (die Erscheinung des Meeresungeheuers), erstar-renJftrtpg^j;a'tligen Operhkliscnee,' die Führung der Sänger wirkt gespreizt, verkrampft, von psychologischer Einfühlung ist keine Spur zu finden, was die Brüchigkeit der Figuren im Libretto offenbart.

Das Ergebnis: eine in langweiligster Stilisierung tiefgefrorene Opernszene, obwohl Mozarts Musik kein Moment der Stilisierung kennt. Um die Serie der Mißverständnisse zu komplettieren, führt Jörg Zimmermann Kreta-Bühnenbilder vor, die wie schlechte Übertragungen aus einem Säulenmusterkatalog des Spätmanieriismus, oder aus einem Bühnendekorbuch Galli-Bibienas aussehen. Nur mit dem Unterschied, daß dieser Säulenwald mit extra vorgebautem Säulenproszenium

(sinnlos im kleinen Festspielhaus, wo die Bühne im Zuschauerraum keine architektonische Fortsetzung findet!) ganz so zusammengestellt ist, als müßte da erst ein Innenarchitekt aufräumen kommen. Der Clou sind allerdings die Stilbrüche: ein Atompilz, der sich in ein schuppige; Leguangesicht verwandelt, Nato-U-Boote im Hafen von Kreta usw...

Einzige Freude des Publikums blieb somit das Ensemble, das von Böhm temperamentvoll geführt wurdej Idealbesetzungen: Peter Schreier als Königssohn Idamanites, der wegen

Idomeneos Gelübde geopfert werden soll, und Helen Donath als Geliebte Ilia, die in den schwierigen Koloraturarien ihre Gesangskultur nachweisen kann. Wieslav Ochmann fand trotz schönem Timbre erst allmählich in die ungemein schwierige Titelpartie, desgleichen Annabelle Bernardt die erst nach der ersten Elektra-Arie Exaltiertheit gegen echte Erregung im Ausdruck tauschte.

Im Großen Festspielhaus sind inzwischen die Almavivas mit ihrem Personal unter Führung des Figaro eingezogen. Für die Wiederaufnahme der Inszenierung hat zwar Jean-Pierre Ponnelle all die leidigen Fehler und Ungereimtheiten dieses Szenenablaufs nicht beseitigt. Noch Immer sucht Barbarina ihre verlorene Nadel vor geschlossenem Vorhang, noch immer tänzeln die Damen des Huldigungszuges vor dem Grafenpaar herum, als suchten sie nach einer Choreographie, noch immer sind die Bühnenbilder Ponnelles allzu protzig, neureich und unsevilla-nisch ... Aber Herbert von Karajan beschert diesmal eine in der Atmo-späre beruhigte, sehr kultivierte musikalische Wiedergabe, in der klangliche Delikatesse und Behutsamkeit walten, wie man sie von Karajan bei Mozart schon lange nicht erlebt hat. Das Orchester, die Wiener Philharmoniker, spielen einen ent sehlanlenH- Mozart,1 ' der 'frei ist von aTier kunstaichenr ÜbeT-' hltzung, aller Übertreibung und technischen Nur-Bravour. Die Sänger werden diskreter geführt, jagen nicht mehr durch die Rezitative wie früher und können ganz die Qualität der Stimme, das Timbre hervorkehren.

Man möchte es manchmal fast nicht glauben, daß 1972 und diesmal dasselbe Ensemble singt: Elizabeth Harwood etwa, die steif und gekünstelt wirkte, hat sich so freigesungen, daß sie eine liebevolle Gräfin geworden ist, Tom Krause hat als Almaviva das Narzißtische abgestreift, ist ein eleganter Charmeur geworden, der mit seinen Stimmreizen nicht geizt, Teresa Berpanza ist noch immer das Ideal eines schmachtend-unbekümmerten Cherubino, Teresa Stratas berückt als Susanna mit samtigem Timbre nicht nur die Herren auf der Bühne. Walter Bern; is' allerdings nach wie vor vom Typ her kein Figaro; stimmlich überzeugend, aber zu bieder, kein verkappter Aufrührer. Solide die Nebenpartien, besetzt mit Jane Berbie, Paolo Mon-tarsolo, Michel Senechal, weniger geeignet Zoltan Kelemen als Gärtner.

Das Publikum war von diesem Figaro jedenfalls entzückt.

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