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Nur ein kleines Haus für ein großes Land

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Trotz des Massentourismus, der in den letzten Jahren eine Völkerwanderung von Amerikanern nach Europa hervorrief, verwechselt auch heute noch der Durchschnittsamerikaner Österreich (Austria) mit Australien (Australia). Derjenige, dem der Name „Austria“ etwas sagt, verbindet dennoch damit nicht immer die richtigen Assoziationen oder nicht das, was sich die Österreicher selbst erhoffen. Das Klischeebild von Österreich mit Lip-pizzanern, Sängerknaben, Sachertörte und Schlagobers, zum Teil noch immer geprägt vom Film „The Sound of Music“, mag vielleicht dem Tourismus forderlich sein; die Aufgabe der Auslandskulturpolitik ist jedoch, solche Vorstellungen zu korrigieren und zu ergänzen und ein Bild des heutigen, tatsächlichen Österreichs zu präsentieren. Denn die einseitigen, zuweilen geradezu falschen Vorstellungen über Österreich sind mit Wienern, die auf den Straßen Walzer tanzen, noch nicht erschöpft: auch Meinungen, Österreich sei ein Teil der Bundesrepublik Deutschland oder liege hinter dem Eisernen Vorhang, sind hier noch durchaus anzutreffen.

Wenige Amerikaner machen sich ein klares Bild von Österreich; es sind dies hauptsächlich Vertreter aus Wissenschaft und Kunst, die beruflich Verbindungen mit Österreich haben, ei-' nige Touristen (nur ein sehr geringer Teil der Europareisenden kommt so weit nach Osten), und natürlich die Emigranten und heute deren Kinder

und Enkel. Diese Gruppen stehen im allgemeinen Österreich, wenn auch nicht kritiklos, so doch positiv gegenüber. So ist die bisher umfassendste Kulturgeschichte über Österreich nach 1848 von einem amerikanischen Universitätsprofessor - William Johnston - verfaßt worden.

Mit den Mitteln, die dem Kulturinstitut zur Verfügung stehen, kann der Durchschnittsamerikaner in diesem immens großen Land nicht erreicht werden: dies wäre nur mit Hilfe von Fernseh- und Zeitungskampagnen möglich, die enorme Summen ver-

schlingen. Deshalb muß versucht werden, Multiplikatoren zu gewinnen, die ihrerseits weiterwirken. Solche Vermittlerrollen können von Universitätsprofessoren, Lehrern an High schools, Journalisten, aber auch Museen, Theater oder Klubs übernommen werden. Auf diese Personenkreise konzentriert sich in stets wachsendem Ausmaß die Arbeit des Kulturinstituts, nebst der intensiven Betreuung der bereits gewonnenen Österreich-Spezialisten unter den Germanisten, Historikern, Musikern. Folgerichtig nehmen daher der Leiter

des Kulturinstitus und sein Vertreter regelmäßig an den überregionalen Tagungen der Deutsch- und Fremdsprachenlehrer der USA teil: der beste Weg, einen möglichst großen Personenkreis simultan anzusprechen.

Für die Zukunft ist geplant, auch an anderen Fachtagungen, wie aus Geschichte, Geographie, Psychologie, Philosophie, Politikwissenschaft oder Musik, selbst teilzunehmen oder geeignete Vertreter zu entsenden, um auch auf die Wichtigkeit und Leistungen Österreichs auf diesen Gebieten zu verweisen. Auch halten die Beamten des Kulturinstituts regelmäßig Vorträge an Universitäten, Schulen und Organisationen, bei denen sie ein Bild Österreichs auf den verschiedenen Gebieten vermitteln.

Das Kulturinstitut organisiert Vortragsreisen österreichischer Gelehrter oder Künstler an amerikanische Universitäten; im Frühjahr 1978 wird Friedrich Torberg an mehreren Universitäten aus seinem Werk lesen und mit den Zuhörern über Österreich einst und jetzt diskutieren. Das Kulturinstitut vermittelt österreichische Wanderausstellungen. Es ist bestrebt, nicht isoliert zu agieren, sondern mit Organisationen des Gastlandes zusammenzuarbeiten; so werden in diesem Jahr mehrere Symposien über österreichische Thematik gemeinsam mit namhaften amerikanischen Universitäten veranstaltet. Auch die Vortragstätigkeit in New York selbst wird in zunehmendem Maß aus dem Haus

zu anderen Organisationen, die einen neuen Publikumskreis versprechen, verlegt.

Das Kulturinstitut gibt selbst eine Reihe von Unterrichtsmaterialien heraus und leitet solche, die es aus Wien erhält, an Interessenten weiter. Die Auswahl bei der Vergabe österreichischer Staatsstipendien an amerikanische Studenten und Wissenschafter zählt ebenfalls zum Aufgabenbereich des Instituts. Fast pausenlos läutet an der Rezeption das Telefon: Anfragen über zahlreiche Österreich betreffende Themen werden behandelt; Studenten, die während des Sommers oder während des Jahres in Österreich studieren wollen, suchen Beratung.

Das Institut verfügt über eine Filmo-thek von Kulturfilmen über Österreich, die ständig ausgelastet ist; die Filme werden an Schulen und Universitäten im ganzen Land verschickt. Hier zeigt es sich vielleicht am deutlichsten, wie schwierig, ja zum Teil unmöglich es ist, einer immensen Nachfrage mit offenkundig zu geringen Mitteln entgegenzukommen. Die von amerikanischen Hochschulen dringlich vorgetragene Bitte, die Belieferung mit Filmen durch Aufzeichnungen des ORF von Aktualitätswert innerhalb der Schulen auf nichtkommerzieller Basis zu ergänzen, was die österreichische Auslandskulturtätigkeit um einen erfolgversprechenden Faktor bereichern würde, konnte aus urheberrechtlichen oder sonstigen Gründen immer noch nicht erfüllt werden. Die Buchung durch die Schulen muß schon fast ein Jahr vor dem geplanten Vorführtermin erfolgen. Leider fehlen Österreich auch ebenso zeitgemäße, künstlerisch wertvolle Spielfilme, die man - wie die Franzosen, die Spanier oder die Goethe-Häuser mit großem Erfolg tun - im Haus einsetzen könnte und die die äußerst filminteressierten New Yorker anlok-' ken würden.

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