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Nur ein Kreuzerl alle vier Jahre?

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Es ist wohl kein Zufall, daß ein dieser Tage abgehaltenes Symposion der Volkspartei über die Möglichkeiten der direkten Demokratie in Österreich unter der Patronanz der noch von Schleimer installierten „Zukunftskommission“ stand: Zumindest dann, wenn man zu jener „Minderheit“ zählt, deren 950.000 Unterschriften gegen die Fristenlösung vom Bundeskanzler unter den Teppich gekehrt wurden, weiß man, daß über die bisher in Österreich praktizierte direkte Demokratie nichts Rühmliches zu berichten ist. Josef Taus hat sich nun darauf festgelegt, daß der Wähler - wenn es nach ihm geht - in Hinkunft nicht auf das Kreuzerl alle vier Jahre beschränkt bleibt.

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Es ist wohl kein Zufall, daß ein dieser Tage abgehaltenes Symposion der Volkspartei über die Möglichkeiten der direkten Demokratie in Österreich unter der Patronanz der noch von Schleimer installierten „Zukunftskommission“ stand: Zumindest dann, wenn man zu jener „Minderheit“ zählt, deren 950.000 Unterschriften gegen die Fristenlösung vom Bundeskanzler unter den Teppich gekehrt wurden, weiß man, daß über die bisher in Österreich praktizierte direkte Demokratie nichts Rühmliches zu berichten ist. Josef Taus hat sich nun darauf festgelegt, daß der Wähler - wenn es nach ihm geht - in Hinkunft nicht auf das Kreuzerl alle vier Jahre beschränkt bleibt.

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Für ÖVP-Chef Josef Taus soll die Politik nicht zur Kunst werden, „die Leute daran zu hindern, sich darum zu kümmern, was sie angeht“. Die Alternative der schwarzen Nummer 1: Kritik an der Demokratie, Verdrossenheit und Desinteresse der Bürger abbauen, dafür Ausbau der Rechte des einzelnen und Erhöhung der Durchschaubarkeit (mit „Transparenz“ auf den Lippen warf sich einst Bruno Kreisky in den Kampf) von Politik und Gesetzesmaschine.

Daß die Volkspartei einen Teil ihrer Wünsche in Sachen Demokratie dutzendfach wiederholt hat, sollte man ihr nicht zum Vorwurf machen. Die Uralt-Forderung nach Einführung der Brief wahl mag durchaus als Zeichen für die Phantasielosigkeit einer Partei gewertet werden; anderseits läßt sich nun wirklich nicht einsehen, warum in der Schweiz und in Deutschland sowie in einer Reihe anderer Länder im Ausland weilende Staatsbürger sowie kranke und ge-

brechliche Wähler via Postkasten an der Wahl teilnehmen dürfen, in Österreich jedoch nicht.

Bekannt ist auch die Forderung nach Rücknahme jener Arbeiterkammergesetznovelle, welche die Verwandten der Arbeitgeber vom Wahlrecht ausschließt (der Verfassungsgerichtshof wird sich am 25. Jänner erstmals über diese Frage unterhalten). Weniger bekannt, aber auch nicht ganz neu ist der Taus'sche Wunsch, künftighin allen Gesetzes-vqrlagen genaue Kostenangaben beizufügen: Wenn im Parlament irgend-

In Zukunft soll jeder sagen, wieviel ein neues Gesetz kostet

ein Beschluß in Paragraphen gegossen wird, soll gleich dazugesagt werden, wieviel das Gesetz kostet und wie groß das zu seiner Administration erforderliche Beamtenheer sein wird.

Der Ausbau der in Österreich ohnehin recht bescheidenen direkten Demokratie stellt nun das Neuland dar, auf dem sich zwar schon einige Parteiorganisationen - etwa die Jugend - herumtummelten, von dem Josef Taus aber nun offiziell Besitz ergreift. Der Kern seines Anliegens: Die Elemente der direkten Demokratie müssen in Österreich verstärkt werden, die „repräsentative Demokratie“ soll aber das dominierende Element bleiben.

An dieser Stelle kann freilich Josef Taus und der von ihm geführten Volkspartei eine lästige Frage nicht erspart werden: Wie steht es um die „direkte Demokratie“ in den Parteien? Vor einigen Jahren hat gerade die Volkspartei versucht, ihre Tore etwas zu öffnen und über die Vorwahl nicht nur Parteimitglieder, sondern alle Wahlberechtigten an der Auswahl ihrer Kandidaten für politische Mandate teilhaben zu lassen.

Heute ist von Vorwahl nicht mehr die Rede, wobei die vorverlegte Wahl das willkommene Argument der Zeitnot liefert Und darüber hinaus: Viele Parteimitglieder sowohl in der SPÖ wie in der ÖVP klagen darüber, daß Mitgliedschaft nicht gleichbedeutend sei mit Mitentscheidung, denn wenige Funktionäre hätten die alleinige Entscheidung.

Was sich die Volkspartei an konkreten Neuerungen für die direkte Mitsprache in der politischen Arena wünscht, faßte der Salzburger Univ.-Prof. Friedrich Koja in seinem anschaulichen Referat zusammen: • In der geltenden Verfassung sind direkt-demokratische Elemente nur in bescheidenem Umfang vorgesehen. Ohne Parlament, so Koja, wird

Ja zur Gewichtsverlagerung in Richtung direkter Demokratie

ein Volksbegehren nicht Gesetz, ohne Parlament kommt es zu keiner Volksabstimmung. Koja wünscht sich daher eine Gewichtsverlagerung in Richtung direkter Demokratie. • Volksbegehren: In einzelnen Landesverfassungen fehlt dieses In-

strument überhaupt noch. Darüberhinaus soll die erforderliche Unterschriften-Zahl (auf Bundesebene: 200.000) gesenkt werden. Der Gesetzgeber soll zu einem formellen Akt verpflichtet werden: Er soll das Begehren entweder annehmen oder verwerfen/Außerdem soll es nicht erforderlich sein, einen komplett ausgetüftelten Gesetzestext zu unterbreiten, eine entsprechend konkrete Zielvorstellung soll genügen.

• Volksabstimmung: In allen Bundesländern soll sie eingeführt werden. Eine qualifizierte Minderheit soll eine Volksabstimmung erzwingen können: etwa ein Drittel der Nationalrats- bzw. Landtagsabgeordneten oder eine Anzahl Wahlberechtigter (Taus: „100.000 oder mehr...“).

• Volksbefragung: Dieses plebiszi-täre Element ist derzeit überhaupt nur in der Kärntner Landesverfassung vorgesehen. Koja empfiehlt die Volksbefragung auch für die anderen Länder sowie für den Bund. Damit wäre es möglich, die Meinung des Volkes in einem frühen Stadium (noch vor einem Gesetzesbeschluß) auszuloten, noch bevor eine Angelegenheit zur Prestigesache werden könnte.

• Verwaltung: In der Verwaltung fehlen weithin alle Elemente der direkten Demokratie. Insbesondere wenn es um Verordnungen in Planungsfragen geht, sieht Koja ein ebenso großes Bedürfnis der Bevölkerung nach direkter Demokratie wie auf der Ebene der Gesetzesbeschlüsse.

Der Eindruck, den man nach sechs Experten-Referaten vom „Demokratie-Symposion“ der Volkspartei mitnehmen konnte: Ein bißchen mehr soll der Wähler zu- reden haben, aber

Schweizer Modell der Referendums-Demokratie in Österreich nicht erwünscht

das Schweizer Modell der Referendums-Demokratie ist in Österreich weder praktikabel noch erwünscht. (Univ.-Prof. Fritz Gygi aus Bern sprach von einer Hochkonjunktur der „Referenden“ in der Schweiz, die Bürger seien teilweise überfordert und übersättigt.)

Auch die österreichischen Professoren wie Wolfgang Mantl (Graz) und Heinz Schäffer (Salzburg) sprachen sich für vorsichtige Ergänzungen unserer Verfassung aus. Die direkte Demokratie könne das repräsentative System, das für einen über das Ja-Nein-Schema hinausgehenden Dialog, für Kontinuität und Kontrolle sorge, nicht ersetzen.

Im Bereich der Bürgerinitiativen konnte Mantl von bescheidenen Fortschritten berichten: Die reine Vetoinitiative werde langsam von Selbsthilfeinitiativen abgelöst, denen man eine gewisse Gemeinwohlfunktion eher attestieren könne.

Auch der Linzer Hochschullehrer Peter Oberndorfer warnte vor Ubereifer, vertrat aber die Meinung, daß die Österreicher im Bereich der politischen Mitbestimmung noch auf den Geschmack kommen könnten: „Mit dem Essen kommt der Appetit.“

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