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Nur ein Schein von Eigentum

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Nach einem Beitrag von Horst Knapp (Die FURCHE29/81) setzt sich auch diese kritische Stellungnahme der Katholischen Sozialakademie Österreichs mit dem Entwurf für ein Zweites Eigentumsbildungsgesetz der ö VP auseinander. Es wird weder als geeignete Maßnahme zur Krisenbewältigung noch als Instrument zur echten Mitbeteiligung angesehen. Eine Stellungnahme der ö VP folgt!

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Nach einem Beitrag von Horst Knapp (Die FURCHE29/81) setzt sich auch diese kritische Stellungnahme der Katholischen Sozialakademie Österreichs mit dem Entwurf für ein Zweites Eigentumsbildungsgesetz der ö VP auseinander. Es wird weder als geeignete Maßnahme zur Krisenbewältigung noch als Instrument zur echten Mitbeteiligung angesehen. Eine Stellungnahme der ö VP folgt!

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Krisensichere Betriebe, krisensichere Arbeitsplätze - weniger darf heute keine wirtschaftspolitische Initiative versprechen. Auch für das vorgeschlagene Eigentumsbildungsgesetz wird dieses Versprechen abgegeben, mit der Begründung, die Ausgabe der Anteilscheine werde Gelder anlocken, die das ungenügende Eigenkapital der österreichischen Unternehmen aufstocken und diese dadurch weniger krisenanfällig machen würde.

Die Ursachen des Eigenkapitalschwunds liegen nicht dort, wo die Eigentumsbildungsinitiative Abhilfe sucht. Sie liegen in ausgedehntem unternehmerischen Fehlmanagement, in einer systematischen steuerlichen und wirtschaftspolitischen Fehlsteuerung und in seiner Absicherung durch wirtschafts- partnerliche Machtausübung.

Etliche der (privaten oder verstaatlichten) Paradeunternehmungen von einst sind genau auf diese Weise ruiniert, ihre Beschäftigten in Existenzgefährdung, Zwangsmobilität oder vor die „Wahl“ gestellt worden, sich durch die Ausdehnung von Waffenexportproduktionen zu retten.

Die Fehlinvestitionen wurden etwa

durch die Möglichkeit von vorzeitigen Abschreibungen geradezu angereizt und bis in die Pleite hinein durch Milliardensubventionen (unter dem irreführenden Titel der „Arbeitsplatzsicherung“) sogar noch belohnt.

Ein fehlgesteuertes Unternehmen, eine fehlgesteuerte Branche, das sind Fässer ohne Boden, sie lassen sich durch bloße Mittelzuführung nicht krisensicher machen, weder über die „Sanierung“ durch Großbanken noch durch staatliche Subventionen, ebensowenig aus den Beiträgen der Anteilschein-Inhaber, die-gemäß dem Gesetzesentwurf sich in „Eigenkapital“ verwandeln sollen.

Das Versprechen ist unhaltbar, weil der Gesetzesentwurf die Ursachen für

den Eigenkapitalschwund in österreichischen Unternehmungen überhaupt nicht berührt; indem diese Initiative den Anschein erweckt, die Strukturkrise ließe sich durch Mittelzuführung, aus welchen Quellen auch immer, beheben, lenkt sie in gefährlicher Weise von diesen Ursachen ab.

Auch ist zu fragen, woher die zusätzlichen Mittel - der ÖVP-Wirtschafts- sprecher nennt die Größenordnung von 30 Milliarden Schilling - kommen und wodurch deren Eigentümer bewogen werden sollen, sie nun direkt den Betrieben zukommen zu lassen.

Angereizt werden vor allem die Eigentümer kleiner Ersparnisse und die in den jeweiligen Unternehmen selbst Beschäftigten -auf die Motivierung dieser Kategorien von Geldgebern sind die vorgeschlagenen steuerlichen Anreize hauptsächlich zugeschnitten.

Das Gesetz würde eine doppelte Umverteilung zugunsten der Unternehmungen bewirken, einerseits aus erheblichen Steuergeschenken sowohl an die Geldgeber wie an das Beteiligungsunternehmen, andererseits durch die Bindung von Mitteln an das Unternehmen, die sonst ihren Eigentümern zur.freien Verfügung zustünden, sei es als Sparguthaben, sei es als Lohnbezug.

Vor allem die letztgenannte Quelle könnte sich für die Umverteilung als er

giebig erweisen. Denn in einer Zeit, in der die Angst vor Arbeitslosigkeit sich ausbreitet, würden sich die Beschäftigten eines Unternehmens nur schwer dem Appell der Unternehmensleitung entziehen können, zumal wenn das Gesetz vom breiten Konsens der Wirtschaftspartner getragen wäre und der Appell vom Betriebsrat her Nachdruck bekäme.

Die Beteiligung der Beschäftigten würde darin bestehen, daß sie einen Teil ihres Lohns in Form von Anteilscheinen empfangen, d. h. für 7 Jahre auf die freie Verfügung über diesen Lohnanteil verzichten. Es ist dies die alte Idee eines Lohnverzichts zur Rettung des lohngebenden Unternehmens.

Vielfältige Steuergeschenke sowohl für die Geldgeber wie für das Beteiligungsunternehmen sind der eine Hebel zur Motivierung der Geldgeber, der andere Hebel ist die schon im Titel und in der Sprachregelung des Gesetzesentwurfs enthaltene Suggestion, die Anteilschein-Inhaber würden dadurch zu „Eigentümern“.

Die Initiative wird von ihren Urhebern als „entscheidender gesellschaftspolitischer Schritt zur Vermögensbil

dung in Arbeitnehmerhand“ vorgestellt, womit „der autonome und individuelle Entscheidungsspielraum in der Wirtschaft vergrößert“ werde.

Tatsächlich würde der Entscheidungsspielraum für das Management sehr wohl vergrößert, weil es über Lohnverzicht und Steuervorteil einen privilegierten Zugang zu fremden Mitteln erlangt, die nun wie „Eigenmittel“ zur Verfügung stehen.

Umgekehrt wäre der Entscheidungsspielraum für die Anteilschein-Inhaber nicht vergrößert, sondern verringert. Denn diese Papiere geben ihnen keinerlei Mitgestaltungsmöglichkeiten im Unternehmen, kein Verfügungsrecht in den für den Unternehmenserfolg wichtigen Entscheidungen, hingegen verlieren sie die freie Verfügung über die hingegebenen Ersparnisse oder den Lohnanteil, auf den sie als „Beteiligungsgeber“ befristet verzichten. Nicht mehr Selbständigkeit, sondern weniger Selbständigkeit wäre die Folge eines solchen Gesetzes.

In den Grenzen der „Beteiligung“ wäre eine zusätzliche, gleichsam feudale Abhängigkeit der Lohnempfänger vom Unternehmen begründet, über die Lohnabhängigkeit noch hinaus. Hier von mehr Selbständigkeit zu sprechen,

wäre ein Vertauschen von Etiketten.

Die Verwirrung ist durch eine täuschende Verwendung des Wortes „Eigentum“ verursacht. Für die große Mehrzahl der Menschen verbindet sich mit dem Wort „Eigentum“ die alltägliche Erfahrung einer weithin ungestörten Verfügung über Dinge, die in einem konkret verantwortbaren Bezug zum Eigentümer stehen: die eigenen Möbel, vielleicht das eigene Haus, Sparbuch.

Legt man einen inhaltlichen Begriff von Eigentum zugrunde, der von verantwortlicher Verfügung ausgeht, wird jedenfalls dann nicht mehr von Eigentum die Rede sein können, wenn ein relativ großes Unternehmen einer Vielzahl von (formellen) Eigentümern gegenübersteht. Die Anteilschein-Inhaber besitzen ein Papier, kein Eigentum.

Weder über die Weichenstellungen bezüglich der neuen Technologien noch der Art der Produkte ist ihnen aus diesem Titel eine Mitsprache möglich; wer an der Bestellung und Entlassung des Managements auf keinerlei Weise mit- wirken kann, dessen Eigentum am Unternehmen ist Papier.

Die ÖVP-Initiative ist daher nicht geeignet, die erwartete „breite Streuung von Eigentum“ herbeizuführen. Unterdem irreführenden Titel der „Eigentumsbildung“ wird vielmehr ein staatlich subventionierter Lohnverzicht und ein privilegierter Zugang der Unternehmen zu Fremdmitteln, die als „Eigenkapital“ bilanziert würden, ermöglicht, obwohl sie weder der Körper

schaftssteuer noch der Vermögenssteuer unterliegen und die Zinsen wie Zinsen auf Fremdkapital behandelt werden.

Nicht Kleineigentum entstünde, sondern Scheineigentum.

Eine nicht-papierene Mitverantwortung für das eigene Unternehmen zu ermöglichen, das bleibt freilich ein wichtiges Ziel. Aber nur wo freie Mitentscheidung gewährleistet ist, darf mitverantwortet werden.

Die Fähigkeit zur Mitentscheidung kann nicht durch das Gesetz dekretiert werden, jedenfalls nicht durch die Ausgabe von Anteilscheinen und die Verwaltung der Anteile durch Treuhandgesellschaften.

Es kommt darauf an, die reale Erfahrung einer Mitwirkung der Beschäftigten an den zentralen Entscheidungen im Unternehmen und im Betrieb zu ermöglichen; billiger ist die Lernerfahrung von Freiheit und Mitverantwortung nicht zu haben.

Auszug aus KSÖ Nr. 14/81

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