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Nur für die „Oberen Zehntausend”?

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Uber Wert und Unwert der „elitären Institutionen”, als die sich Theater und Festspiele in linken Augen darstellen, wird viel gesprochen und noch mehr geschrieben. „Elitär” als abwertendes, politisches Vokabel, klassenkämpferisch verbunden mit anklagenden Tendenzen über die „Teuren Streiche der Reichen” und die „Festspiele der Oberen Zehntausend”, die ihren „demokratischen Ansatzpunkt völlig verloren haben” und für die breite Masse unerschwinglich sind, die das alles aber zu bezahlen habe. Ein gängiges Klischee! Und die Wirklichkeit? Sie soll hier am Beispiel des teuersten europäischen „Nobelfestivals”, der Salzburger Festspiele, dargestellt werden.

Unerschwinglich für die Masse, ein Fest der „Oberen Zehntausend”? Im vergangenen Jahr standen für 97 Veranstaltungen an 37 Spieltagen insgesamt 139.713 Karten zur Verfügung. Davon wurden 128.425 oder 91,9 Prozent verkauft, 8952 oder 6,4 Prozent waren Dienst-, Presse- und Regiekarten und nur 2336 oder 1,7 Prozent blieben unverkauft Aber das Wesentliche dabei: Von den 128.425 verkauften Karten rangierten 48.778 Karten in den Preiskategorien zwischen 50 und 400 Schilling. Oder in einer in Österreich gängigeren Währung ausgedrückt: zwischen drei Vierteln und sechseinhalb Li- terWein. Wennman vergleicht: hier Spitzenleistungen der Kunst, da die Preise für eine bessere Kinokarte und dort die Kosten eines Billetts für einen Boxkampf oder eine Udo-Jürgens-Show: die Relationen stimfnen ebenso wenig wie die Schlagworte.

Die Einheimischen murren: ein Fest nur für die Fremden! Sicherlich, nach den Schätzungen des Kartenbüros der Salzburger Festspiele kommen 70 Prozent der Besucher aus dem Ausland und nur 30 Prozent stammen aus Österreich. Österreich ist eben ein Fremdenverkehrsland, und die Salzburger Festspiele wollen ja Weltgeltung beanspruchen. Im übrigen kommen die Salzburger auch nicht ganz zu kurz: als „Zaungäste” konnten im vergangenen Jahr 4616 Salzburger kostenlos vier Generalproben besuchen; zur Teilnahme an der Hauptprobe von „Idomeneo” sowie an sieben Proben für Orchesterkonzerte unter Karajan, Böhm, Mehta und Abbado wurden 2244 Gratis-Einlaßscheine an Angehörige der Mitwirkenden und an Musikstudenten ausgegeben. Das Dilemma für das Kartenbüro bei der Vergebung der Karten läßt sich an zwei Zahlen ablesen: Für das Beethoven-Konzert Herbert von Karąjans am 28. August 1977 lagen 30.000 Bestellungen für 1100 Sitzplätze vor. Wo gibt es so etwas noch in der Welt?

Und der arme Steuerzahler, der dies alles zu berappen hat? Damit ist das leidige Kapitel der Subventionen angeschnitten. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Kunst geht nach Geld. Die früheren Mäzene - Herrscher, Adel, Kirche und Bürger -, denen wir fast alles zu verdanken haben, was wir heute als reiches kulturelles Erbe hüten, sind verschwunden. An ihre Stelle traten die Gemeinschaft, die Gesellschaft, die Wirtschaft und der Staat mit unterschiedlichen, publikumswirksam immer wieder kritisierten Subventionen. Man sollte aber auch hier besser unterscheiden. Auch dies sei am Salzburger Beispiel erläutert.

Der Betriebsabgang, der durch Subventionen gedeckt werden muß, betrug in der ordentlichen Gebarung 1976 40 Millionen Schilling, in der außerordentlichen Gebarung, unter Berücksichtigung der Ausgaben für die Stadtsaalsanierung, den Bau eines Kulissendepots und den Einbau einer Akustikanlage, 50 Millionen Schilling. Auf der anderen Seite haben die Salzbürger Festspiele in diesem Jahr insgesamt 35 Millionen Schilling an Steuern, Abgaben und Sozialbeiträgen zu bezahlen gehabt, davon allein 12 Millionen Schilling an Lohnsteuer und 8 Millionen Schilling an Umsatzsteuer. Da der Bund 40 Prozent des Abganges zu bezahlen hatte -1976 also 20 Millionen Schilling -, er aber gleichzeitig an die 20 Millionen Schilling an Lohn- und Umsatzsteuer vereinnahmte, hat in diesem Falle, soweit es den Bund betrifft, der hochgeschätzte Steuerzahler eigentlich gar keinen Beitrag zu den „Spielen der Reichen” geleistet.

Aber bei den Subventionen durch Land, Stadt und Fremdenverkehrsfonds, die je 20 Prozent des Abgangs abzudecken haben? Wurde hier der Bürger zur Kasse gebeten? Ganz abgesehen davon, daß auch Stadt und Land Salzburg durch die Festspiele erhöhte Steuereinnahmen zufließen, darf man auf die „Umwegrentabilität” nicht vergessen: zusätzliche Gäste aus dem In- und Ausland, zusätzliche Nächtigungen, zusätzliche Konsumation und Ankäufe aller Art, angefangen vom billigen Souvenir bis zu kostspieligen Luxusgegenständen, alles Dinge, die der öffentlichen Hand wieder erhöhte Steuereinnahmen bescheren. Schließlich und endlich muß man auch den Werbewert für den österreichischen Fremdenverkehr, der in Zahlen überhaupt nicht auszu- drücken ist, berücksichtigen: der ORF übertrug im vergangenen Jahr 42 Veranstaltungen an 1ÖÖ Sender in 33 Ländern, und 364 Kritiker aus 34 Nationen berichteten in ihren Zeitungen über Salzburg und die Festspiele.

Theater und Festspiele sind heute zu kaum übersehbaren „Betrieben” geworden. Ihren Managern sind Aufgaben übertragen, die sich kaum unter einen Hut bringen lassen. Sie sollen die kommerziellen und technischen Voraussetzungen für die künstlerische Leistung schaffen, sie sollen, ohne Qualitätsverlust, sparen und bei einer trabenden Inflation die Ausgaben stabil halten, jene Ausgaben, die vielfach von außen bestimmt werden, durch Gesetz, Sozialvorschriften oder - auch bei Sängern - durch den Markt.

Auch dazu einige Zahlen: 1976 betrugen die Ausgaben für das künstlerische Personal in Salzburg 50 Millionen Schilling, für das technische Personal 49 Millionen Schilling. Im einzelnen: Für die Neuinszenierung des „Titus” erwuchsen Produktionskosten für das künstlerische Personal in der Höhe von 4,9 Millionen Schilling und 2,8 Millionen Schilling für die Ausstattung, beim „Talisman” waren es 2,8 Millionen Schilling für das künstlerische Personal und 2,1 Millionen Schilling für die Ausstattung. Und noch eine interessante Zahl: 1976 mußten die Festspiele insgesamt 1,3 Millionen Schilling an Tantiemen abführen.

Niemand spricht darüber, aber eigentlich sollten wir stolz darauf sein: es gibt keinen Theaterbetrieb in Europa, der in so hohem Ausmaß seine Aufwendungen durch eigene Einnahmen zu decken vermag, wie die Salzburger Festspiele. 1971 waren es 54,27 Prozent, 1975 bereits 64,64 und im Vorjahr 70,69 Prozent Die Bundestheater in Wien weisen eine Eigendeckung von bloß 22,9 Prozent auf. Woran liegt das? Liegt es an der Organisation? Dieser Frage sollte man wirklich nachgehen.

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