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Nur internationale kann den Frieden

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Die Vorstellungen der Beteiligten von einem gerechten Nahostfrieden sind unterschiedlich. Hat der Frieden trotzdem eine Chance? Hier ein umfassendes FURCHE-Gespräch.

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Die Vorstellungen der Beteiligten von einem gerechten Nahostfrieden sind unterschiedlich. Hat der Frieden trotzdem eine Chance? Hier ein umfassendes FURCHE-Gespräch.

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FURCHE: Die Auseinandersetzung zwischen Israel und der PLO findet nicht am Verhandlungstisch statt, sondern sehr oft auf dem Gebiet anderer souveräner Staaten. Das gilt sowohl für Kommandoeinsätze der PLO als auch für die Vergeltungsschläge Israels (Rom, Schwechat, Tunis). Ist das Ihrer Ansicht nach verantwortbar?

MICHAEL ELIZUR: Ich überlasse es Ihren Lesern, zu beurteilen, ob die Terroranschläge an den Flughäfen von Rom und Wien „Kommandoeinsätze“ waren. Ich möchte mich auch von dem Ausdruck „Vergeltungsschlag“ distanzieren, mit dem wohl die Zerstörung des PLO-Hauptquartiers in Tunesien im Oktober 1985 gemeint ist. Die PLO erhielt 1982 die Erlaubnis der tunesischen Regierung, sich in Tunesien zu eta-

blieren, unter der Bedingung, daß keine Terroraktionen von dort ausgehen würden. Die Realität war anders: auf einem praktisch extraterritorialen, streng bewachten, abgelegenen Gelände betätigten sich die Planungs- und Ausführungsorgane der PLO, wie „Force 17“, die, unter anderem, für den dreifachen Mord an israelischen Urlaubern in Larnaka verantwortlich waren.

Wenn Tunesien die Wahrung seiner Souveränität gegenüber der PLO nicht durchsetzen konnte oder wollte, kann es sich schwerlich beklagen, wenn Israel in Ausübung seines Selbstverteidigungsrechtes versucht, weitere terroristische Angriffe zu vereiteln oder zu erschweren.

FURCHE: Haben nicht Terroranschläge und Vergeltungsaktionen eine politische Lösung des Problems eher verhindert?

ELIZUR: Terrorismus und der Kampf gegen ihn sollten nicht in einen Topf geworfen werden. Terroranschläge beabsichtigen die Verhinderung einvernehmlicher, friedlicher Lösungen. So hat die PLO nach dem Besuch Sadats in Jerusalem im November 1977 über zwanzig ziemlich prominente Palästinenser ermordet, weil sie diese Entwicklung begrüßten. Danach wurde der Anspruch der PLO, der „einzige rechtmäßige Vertreter des palästinensischen Volkes“ zu sein, weniger bestritten.

Nicht zufällig hat die PLO mehr Araber als Juden ums Leben gebracht. Der Kampf gegen den Terror (auch was sie „Vergel-

tungsaktionen“ nennen) verhindert keine politische Lösung.

FURCHE: Osterreich hat sich als Vermittler für eine politische Lösung im Nahen Osten engagiert. Worin sehen Sie die Erklärung, daß gerade Österreich zu einem bevorzugten Ziel des Terrors geworden ist?

ELIZUR: Es ist mir nicht bekannt, daß Österreich eine Vermittlerrolle im Nahen Osten anstrebt. Jedenfalls fehlt es im Nahen Osten nicht an Vermittlern oder an Friedensplänen. Es mangelt an arabischer Bereitschaft, ohne Vorbedingungen mit Israel zu verhandeln.

FURCHE: Ist Israel inzwischen bereit, unter gewissen Voraussetzungen Gespräche mit gemäßigten PLO-Gruppen, mit oder ohne Arafat, zu führen?

ELIZUR: Ich kenne keine gemäßigten PLO-Gruppen. Seit Jahren wird uns eine angeblich bevorstehende Mäßigung der PLO oder in der PLO versprochen. Es kommt aber höchstens zu einem Mord wie dem an Dr. Issam Sartawi. Die PLO bleibt weiterhin ihrer 1964 und 1968 verfaßten Charta verpflichtet, in der die Zerstörung des Staates Israel als ihr Ziel beschrieben wird.

Niemand kann von Israel erwarten, mit dieser Organisation zu verhandeln ohne davon zu sprechen, daß die PLO heute wohl kaum gesprächsfähig ist, wie das der jordanische König Hussein vor kurzem erfuhr.

FURCHE: Sieht man in Israel eine Möglichkeit, mit der Bevölkerung des Jordan-Westufers eine

Vereinbarung zu treffen, ohne daß Arafat beteiligt wird?

ELIZUR: Die Schwächung und Spaltung der PLO sowie ihre wachsende Unglaubwürdigkeit haben die Möglichkeit vergrößert, daß Vereinbarungen mit der Bevölkerung der Gebiete, die seit 1967 von Israel verwaltet werden, ausgearbeitet werden können. Wir haben bestimmte Vorstellungen von der Selbstverwaltung, über die wir mit kompetenten Vertretern sprechen werden, wenn es sich nun bestätigen sollte, daß keine jordanisch-palästinensische Delegation zusammengestellt wird. Die Anerkennung und Unterstützung der PLO auch von Drittländern, die keinerlei Verantwortung für die Lage im Nahen Osten tragen, erschwert leider eine derartige Lösung.

FURCHE: Angenommen, eine Vereinbarung mit den Bewohnern des Westufers wäre denkbar, was würde mit den drei Millionen Palästinensern geschehen, die nicht in den besetzten Gebieten leben?

ELIZUR: Die Zahl von drei Millionen ist sehr fragwürdig. Die UNRWA, das UNO-Hilfswerk für

palästinensische Flüchtlinge, gibt deren Zahl mit 2,034.314 an, davon 761.524 in den von Israel verwalteten Gebieten. Verbleiben also 1,272.790, von denen nur wenig über 400.000 in Lagern in Jordanien, Syrien und Libanon leben, viele von ihnen aber wirtschaftlich nicht auf Hilfe angewiesen sind.

Leider wurden die langen, guten Jahre der Prosperität in der arabischen Welt nicht genügend genützt, um die palästinensischen Flüchtlinge zu integrieren, wie dies zum Beispiel in der Bundesrepublik mit Flüchtlingen aus Schlesien, dem Sudetenland und der DDR geschah, oder in Israel mit den Flüchtlingen aus der arabischen Welt. Dennoch ist viel getan worden. Mehr wird wohl möglich sein, nachdem Friede de facto, wenn nicht de jure, also was Sie Vereinbarungen nennen, ausbricht.

FURCHE: Die Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten ist ein besonders schmerzlicher Punkt des Nahostproblems. Werden noch immer neue Siedlungen in den besetzten Gebieten errichtet?

ELIZUR: Seit 1984 gibt es praktisch keine neuen Siedlungen. Die sich im Gang befindende Sanierung der israelischen Wirtschaft sieht anderweitige Verwendung öffentlicher Mittel vor. Es sollte jedoch gesagt werden, daß viel Übertriebenes und Unwahres über die Siedlungen behauptet wird.

Tatsächlich haben sich in fast zwanzig Jahren weniger Juden in diesen neuen Ortschaften, die meist aus steinigen Abhängen gestampft wurden, angesiedelt als sich die Zahl der Palästinenser in einem Jahr vermehrt. In Israel leben innerhalb der Grenzen, die vor 1967 existierten, 750.000 arabische Mitbürger. Warum sollten etwa 50.000 Israelis unter mehr als einer Million Palästinensern „ein besonders schmerzlicher Punkt“ sein?

Michael Elizur ist Botschafter des Staates Israel in Osterreich. Mit Michael Elizur sprach Alexander Orssich.

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