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Nur keine Täter!

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Die Sperrstunde nahte in einem Klagenfurter Gasthaus bereits, als ein Staatspolizist zwischen zwei tiefen Schlucken aus seinem Bierglas der um ihn versammelten kleinen Runde verkündete: „Ich glaub, die schicken uns absichtlich immer in die falsche Richtung, damit wir niemanden erwischen.“ Das Gespräch drehte sich um die in Kärnten immer aktiver werdenden Ortstafelübermaler, von denn man mit gewisser Sicherheit behaupten kann, daß es sich bei ihnen um slowenische Studenten handelt, die in Selbsthilfe das nachholen, was den in Österreich leben-

den Minderheiten im Artikel sieben des Staatsvertrages zugesagt, doch nie erfüllt wurde: die zweisprachige Beschriftung der Ortstafeln.

Was kürzlich im Burgenland als Neuheit diskutiert werden konnte, als sich eines morgens neben den deutschsprachigen Ortsbezeichnungen auch die kroatischen Namen auf den Ortsschildern befanden, ist in Kärnten längst keine Seltenheit mehr. Im gemischtsprachigen Gebiet Unterkärntens werden schon mit großer Regelmäßigkeit Ortsbezeichnungen überpinselt, mit Flugblättern überklebt oder die Tafeln auch mit der slowenischen Ortsbezeichnung versehen. Die Mehrheit der in Kärnten erscheinenden Tageszeitungen nimmt solche nächtliche Vorfälle inzwischen mit derselben Aufmerksamkeit zur Kenntnis wie einen durchschnittlich schweren Verkehrsunfall — man meldet das Ereignis im Lokalteil mit einem Einspalter und geht dann zur Tagesordnung über.

Der gleichbleibend lakonische Schlußsatz: „Die Staatspolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.“ Doch die Erfolgsbilanz der ansonsten nicht uninformierten Staatspolizisten bleibt bei der Suche nach den Initiatoren solcher Ubermalungsnächte, die man unter „Schmieraktionen“ katalogisiert. hat, in höchstem Grade mager. Dies trifft für die nach Jungslowenen aussehenden Ortstafelbemalungen ebenso zu, wie für die Bekleckerungen von Grab- und Gedenksteinen für jugoslawische Partisanen des letzten Weltkrieges, die ihre Urheber eher im Kreis der „Treudeutschen“ haben dürften.

Was ist mit Artikel 7 des Staatsvertrages?

Für einige aus Kärnten stammende slowenische Studenten, die zum linken Flügel an der Wiener Universität gehören, ist es so beinahe schon zu einer sportlichen Übung geworden, einen Kämtenaufenthalt zu einer „Malaktion" zu nutzen. Und bei der Staatspolizei wie auch in weiten Bevölkerungskreisen macht sich die Ansicht breit, daß es problemloser ist, die „Täter“ nicht zu erwischen, denen nach dem Gesetzbuch vermutlich nicht viel mehr als eine „boshafte Sachbeschädigung“ vorgeworfen werden kann.

Der Kreis jener, die nach bedingungsloser „Rache“ schreien und fast dazu bereit wären, für ein solches Vorgehen der Wiedereinführung der Todesstrafe zuzustimmen, ist klein. Er wurde lediglich im Sommer von einigen Urlaubern aus deutschen Gauen verstärkt, die am Klopeiner- see weilten und sich durch den Umstand, daß eine Mal- und Flugzettelaktion ausgerechnet ihnen galt, um den Ruf der sich benachteiligt fühlenden Slowenen über die Grenzen hinauszutragen, in ihren (auch Denk-) Ferien gestört fühlten, wie es ein Leserbriefschreiber ausdrückte.

Ausgerechnet nach dieser Aktion glaubte man aber, die Täter ausgeforscht zu haben. Die Indizien reichen für eine Anzeige gegen drei slowenische Studenten aus, verlautete aus dem Kreis der Staatspolizei. Zu einem Prozeß wird es aber kaum kommen, denn solche Verfahren werden nach Wien delegiert, um in Kla- genfurt den zu erwartenden Spektakel zu vermeiden. Höheren Orts weiß man aber auch um die Problematik der Minderheitsfrage und hat wenig Interesse an einem „Musterprozeß“, wie ihn sich die jungen Slowenen vorstellen, die meinen, die im Staatsvertrag gegenüber den Minderheiten gemachten Versprechungen selbst einlösen zu können. Bisher wurde nämlich jedem nach Kärnten kommenden Politiker, der ein höheres Amt anstrebte (zuletzt Präsidentschaftskandidaten Dr. Waldheim) die Gretchenfrage gestellt, wie er es mit dem Staatsvertragsartikel 7 halten wolle und immer hatten die slowenischen Fragesteller höfliche, aber ausweichende Antworten erhalten. Der MämiV könfrotrA^rte, jedoch Solidarität und Toleranz predigende Landeshauptmann Sima hatte auch nicht mehr zu sagen, als daß man dieses Problem noch lösen müsse — indem man wartet, bis es die Minderheit so gut wie nicht mehr gibt, wie die Slowenen meinen.

Ein Prozeß um die „boshafte Sachbeschädigung“ von Ortstafeln müßte nun aber wohl oder übel zu einer Klärung der Rechtssituation um den vielzitierten Artikel 7 führen — gerade zu einer solchen Klärung sieht man sich derzeit aber außerstande.

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