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Nur „konservativ“ ?

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Die Reaktion auf die jüngsten Entscheidungen vatikanischer Personalpolitik war so einhellig wie selten zuvor in Österreich: befremdet bis entsetzt. Das Wort, das zur Charakterisierung der umstrittenen Bischofskandidaten dabei am häufigsten zu hören war, lautet „konservativ“. Aber was ist eigentlich „konservativ“?

Unter diesem Stichwort figuriert die lateinische Messe ebenso wie die undifferenzierte Sozialistenfresserei, der Rosenkranz ebenso wie die peinlichen Ausfälle gegen Aids-Kranke, Freimau-

rer, Frauen und Demokraten mit „fürchterlichem Freiheitsdrang“. Gehört das alles wirklich untrennbar zusammen?

Allmählich wird es notwendig, ehrwürdige christliche Praxis vor dem reaktionären Mief in Schutz zu nehmen, der das Bild der österreichischen Kirche neuerdings verhüllt und verdunkelt.

Es war das Unglück des österreichischen Katholizismus früherer Jahrzehnte, daß sich seine Führer einseitig auf die Seite der politischen Reaktion glaubten schlagen zu müssen. Der Abfall praktisch der gesamten christlichen Arbeiterschaft vom Glauben war die Folge. „Es friert uns bis ins Herz hinein“, schrieb in den zwanziger Jahren der große Seelsorger Michael Pfliegler angesichts dieser „so ungeheuer zufriedenen ,christlichen’ Welt“.

Aber es wäre zu einfach, in der „Tendenzwende“ des jetzigen

Papstes nichts anderes zu sehen als die Rückkehr zum reaktionären politischen Katholizismus vergangener Zeiten. Selbst wenn Bischöfe wie Georg Eder und Kurt Krenn es uns schwer machen: Wir müssen Religiöses und Politisches auseinanderhalten. Wir müssen zwischen konservativ und reaktionär differenzieren.

Man muß für konservative Weisen der Frömmigkeit nichts übrig haben, aber kaum jemand wird bestreiten, daß auch Konservati-

ve - inklusive konservative Bischöfe - ihren legitimen Platz in der Kirche haben. Spiritualität, Vertiefung des Glaubens, eine gewisse christliche Askese, verstärkte Hinwendung zu Gott in Ergänzung der vom Zweiten Vati-kanum wiederentdeckten Hinwendung zum Menschen - all das ist nicht so hoffnungslos gestrig, wie es zur Zeit manchmal den Anschein hat.

Die lateinische Messe ist auch ein Symbol für die Einheit der Kirche, der Rosenkranz ist dos be-

trachtende Gebet für den. dem gerade nichts „Eigenes“ einfällt, der Habit der Ordensleute (im Gegensatz zum modischen Zivil) das sichtbare Zeichen der Gottgeweihten und die Ministrantenbuben am Altar die Vorstufe zur priesterlichen Berufung.

Diese Dinge müßten auch sogenannte Progressive in christlicher Toleranz eigentlich verkraften können. Sie sollten dabei auch ruhig in Rechnung stellen, daß ąn-

„Das ist schlicht und einfach eine Ungeheuerlichkeit“

deren wiederum manche „fortschrittliche“ Praxis auf die Nerven geht - etwa gewisse „frei gestaltete“ Gottesdienste mit Jazzgitarre und selbstgebastelter Liturgie, vollbusige Ministrantinnen und Mönche im Yuppie-Look.

Aber das unvoreingenommene Nachdenken über Fragen dieser Art ist erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht worden durch manche Bischofsworte zu gesellschaftspolitischen Themen. Unvergessen ist hier insbesondere die Äußerung von Weihbischof Kurt Krenn zum Fall Anderl von Rinn (sinngemäß: man müsse prüfen, ob an der Ritualmordlegende nicht doch etwas dran ist). Das hat mit Konservativismus nichts mehr zu tun. Das ist schlicht und einfach eine Ungeheuerlichkeit. Bei allem gebotenen Respekt vor dem bischöflichen Amt - hier kann und darf der vielberufene mündige Christ laut und deutlich nein sagen.

„Widerstand und Ergebung“ heißt ein berühmtes Buch des evangelischen Märtyrers Dietrich Bonhoeffer. Vielleicht ist das die Aufgabe für die österreichischen Katholiken in den neunziger Jahren: prüfen, wo Widerstand und wo Ergebung am Platz ist, wo der Konservativismus aufhört und die Reaktion anfängt. In der derzeitigen Kirchenlandschaft ist das eine schwierige Aufgabe. Aber eine notwendige.

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