6899750-1980_23_04.jpg
Digital In Arbeit

Nur Kosmetik oder Reform?

19451960198020002020

Das Thema Schule ist ein Dauerbrenner. Dazu liegt ein Bündel unterschiedlichster Ideen vor. Je nach Sachbereich kommt es zu Meinungskoalitionen querdurch alle Parteigruppierungen. In der Öffentlichkeit ist nun die Bildungsdiskussion etwas in den Hintergrund getreten. Die Vorfälle beim Wiener Allgemeinen Krankenhaus, die A tomdiskussioriund die Budgeterstellung überschatten alles. Dennoch wird in den Parteizentralen fleißig nachgedacht. Und manches könnte an der Schule still und leise verändert werden.

19451960198020002020

Das Thema Schule ist ein Dauerbrenner. Dazu liegt ein Bündel unterschiedlichster Ideen vor. Je nach Sachbereich kommt es zu Meinungskoalitionen querdurch alle Parteigruppierungen. In der Öffentlichkeit ist nun die Bildungsdiskussion etwas in den Hintergrund getreten. Die Vorfälle beim Wiener Allgemeinen Krankenhaus, die A tomdiskussioriund die Budgeterstellung überschatten alles. Dennoch wird in den Parteizentralen fleißig nachgedacht. Und manches könnte an der Schule still und leise verändert werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Während es um die Schuldiskussion nach einem kurzen Aufflackern in den letzten Wochen wieder stiller geworden ist, basteln die Mitglieder der interministeriellen Kommission „Arbeitsgruppe Schulpartnerschaft” mit unauffälliger Hartnäckigkeit an den Ausführungsmodalitäten der Wünsche des Bundesministers für Unterricht, Fred Sinowatz.

Denn: die Reduktion von Schularbeiten ist inzwischen beschlossene Sache. Es sei nur mehr eine Frage der Form, -so der rührige Sinowatz-Pressesekretär Gerhard Zeiler - wie die Änderung exekutiert werden solle.

Fest steht, daß ab dem Schuljahr 1981/82 in einigen Gegenständen die Schularbeitszahl von sechs auf fünf reduziert wird. „Es wird noch geprüft, ob dies in Form eines Erlasses geschehen soll oder zusammen mit einer Lehrplanreform”, skizziert Zeiler die Ministerüberlegungen.

Freilich scheint dem obersten Schulpatron der Nation wenig zu irritieren, daß neben anderen Interessengruppen weder die Volkspartei noch die Union

„Möglicherweise braucht ein Schüler gerade die sechste Schularbeit, um durchzukommen”

Höherer Schüler noch die Sozialistische Jugend das Sinowatz-Wollen unterstützen.

In seltener Einigkeit treffen sich Jungsozialisten und Bürgerliche zum Protest gegen diese Maßnahme: Dem Zufall würde ein größerer Stellenwert eingeräumt; die Chance, eine schlechte Schularbeit zu korrigieren, wäre dadurch geringer. Zudem käme es zu keinem Abbau der Schulangst, weil die „Routine” verloren ginge, weiß der frischgebackene UHS-Vorsitzende Karl Schwabe aus der Schulpraxis zu berichten.

Und der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Josef Cap, verurteilt auf das Schärfste die „Systemkosmetik”: „Das sind immer so halbe Sachen”, wirft er seinem Gesinnungsgenossen Sinowatz Halbherzigkeit vor. .„Möglicherweise braucht der Schüler gerade die sechste Schularbeit, um durchzukommen. Im übrigen intensivieren gerade weniger Schularbeiten den Streß für den Schüler”.

Kaum so verschwiegen läßt sich freilich eine Reform der Matura vornehmen. Derzeit ist es noch nicht so weit, dennoch auch hier ein breites Spektrum an Änderungswünschen: ÖVP-Schul-sprecher Hans Katschthaler will die Beendigung der Schulversuchsperiode bis 1982 abwarten - derzeit laufen Versuche mit einer vorgezogenen Teilmatura in der 7. Klasse - um dann längerfristig eine inhaltliche Verbesserung anzupeilen.

„Für mich ist Reife der Nachweis eines zusammenschauenden, umfassenden Denkenkönnens. Der Schüler”, meint Katschthaler, „soll in der Lage sein, ein Thema integral aufzubereiten und eigenes, selbsttätiges Lernen zu entwickeln”.

Freilich sei dieser Modus der Reifeprüfung erst verwirklichbar, „wenn bereits in der 7. und 8. Klasse in dieser Art unterrichtet wird”, verweist der ÖVP-Mann auf die Notwendigkeit einer umfassenden Veränderung.

Auch der Unterrichtsminister will eine Reform. Im Ministerium wird derzeit darüber nachgedacht.

Revoluzzer Cap hingegen fordert unbeirrt und monoton die Abschaffung aller Noten und Prüfungen. Er bleibt sich treu: Matura- und Schularbeitenmodalitäten sollten nicht verändert, sondern auf kurzem Wege eliminiert werden.

Daß ein AHS-Abgang ohne das Selektionsinstrument Matura zu einem noch heftigerem Sturm auf die Hochschulen führt und damit eine Lawine anderer bildungs- und arbeitspolitischer Probleme lostritt, scheint den SJler nicht zu stören; auch nicht das Damoklesschwert eines Numerus Clausus oder einer Aufnahmsprüfung für die Universität als Ausweg aus dem Massendilemma.

Was von ÖVP und SPÖ gleichermaßen angestrebt wird, nämlich die sogenannte Prüfungsschonzeit von sechs Wochen für Schüler, die lange krank waren, in der Familie einen Todesfall hatten oder deren Eltern sich in Scheidung befinden, hält Cap einfach „für völlig unmöglich”.

„Das funktioniert sicher nicht”, malt er auf alle Fälle schwarz. „Wenn man eingesteht, daß bei psychischer Belastung die geistigen Fähigkeiten relativiert werden, gibt es nur eine konsequente Forderung: Notenabschaffung”, verweigert Josef Cap dem Mü-

„Manchen jungen ÖVPlern sticht die Konstruktion der mittleren Reife in der BRD ins Auge” hen um die Kombination von individueller Rücksichtnahme und Leist ungs-antrieb durch Notengebung jedes Verständnis. Er plädiert für den einfachen Weg der Abschaffung.

Wie Bildungsauguren zu wissen glauben, will Schulminister Fred Sinowatz noch vor der Sommerpause den Abgeordneten etwas zum Nachdenken in den Urlaub mitgeben. Ein Zwischenbericht des Zentrums für Schulversuche soll noch im Juli dem Parlament präsentiert werden.

Bis Herbst will dann die Volkspartei ein Bündel an Schulreformvorschlägen geschnürt haben. Darin wollen oppositionelle Bildungsdenker noch nie Diskutiertes mitverpacken. So etwa könnte die AHS-Ausbildung in drei Phasen mit jeweiligen Endabschlüssen gegliedert werden:

• Vermittlung von Grundwissen bis zur 5. Klasse;

• Vertiefung und Detaillierung des Grundwissens bis zur 6. Klasse;

• Erweiterung, Spezialisierung, Angebot von Wahlgruppen, projektorientierter Unterricht als Vorbereitungslehrgänge bis zur Matura.

Außerdem sticht manchen jungen ÖVPlern die Konstruktion der mittleren Reife in der BRD ins Auge. Damit wäre jenen Schülern geholfen, die nach der 6. Klasse aussteigen und ins Berufsleben einsteigen wollen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung