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Nur namenlose Kandidaten

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Seit Lyndon B. Johnsons Sieg 1964 hat die Demokratische Partei nur mehr eine von sechs Präsidentenwahlen gewonnen. Nicht nur in Europa fragt man, wer denn diesmal die demokratischen Kandidaten für die Wahlen im November sind.

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Seit Lyndon B. Johnsons Sieg 1964 hat die Demokratische Partei nur mehr eine von sechs Präsidentenwahlen gewonnen. Nicht nur in Europa fragt man, wer denn diesmal die demokratischen Kandidaten für die Wahlen im November sind.

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Die Demokraten trifft ein unverdientes Glück im Unglück: Bei der berühmten „Sonntagsfrage" erhält, laut jüngster „New York Times/CBS" Meinungsumfrage, Präsident George Bush bei fallender Tendenz derzeit noch 38 Prozent der Stimmen. Die Mehrheit der Wähler scheint sich bereits für einen noch namenlosen Demokraten entschieden zu haben. Mit den ersten Vorwahlen am 18. Februar im kleinen von der Wirtschaftskrise geplagten Bundesstaat New Hampshire wird sich das Feld der Kandidaten klären und die Demokraten einen wahrscheinlichen Spitzenkandidaten erhalten.

Die traditionell auf Gesellschaftsreform eingestellten Demokraten haben gute Chancen, diesmal den Wählern einen demokratischen Präsidenten abzuringen. Wenn, und hier bleiben die Beobachter schon im Konjunktiv stecken, ihre Kandidaten die passenden Lösungskonzepte anbieten könnten.

Die Spaltung der Demokratischen Partei in einen „liberalen - staatstragenden" und in einen „linken - gesellschaftskritischen" Flügel konnten die Republikaner Richard Nixon mit seiner „schweigenden Mehrheit" und Ronald Reagan erfolgreich in Stimmengewinne in der Mittelschicht ummünzen. Heute erkennen dieselben Wähler der Mittelklasse, daß sie ökonomisch, sozial und in ihrer gesellschaftlichen Sicherheit schlechter stehen, als zehn Jahre zuvor. Die Politik der permanenten Steuersenkung, die eine spürbare Streichung von Sozialleistungen und die Kürzungen im Bildungshaushalt bewirkte, ist heute gescheitert.

Das Zaubermittel zur Rückeroberung alter Wählerschichten rankt sich für die Demokraten um „die vergessene Mittelschicht", die Bill Clinton,

Gouverneur des „Südstaats" Arkansas, von sich zu überzeugen versucht. Sein Lockwort ist eine „Steuersenkung" für die Mittelklasse, die dieser Wählergruppe jährlich durchschnittlich 400 Dollar (zirka einen Dollar täglich) ersparen soll. Daß damit der Staatshaushalt weiter runiert werde, wo in den kommenden Jahren die Ausgaben und Initiativen der öffentlichen Hand der wirksamste Weg für eine Besserstellung der „vergessenen Mittelschicht" sein könnte, kritisiert sein parteiinterner Gegenspieler und laut Selbstdarstellung „einzige wirkliche Demokrat" Tom Harkin, Senator aus Iowa und traditionell dem linken Arbeiterflügel der Partei zuzuzählen. Harkin will mit seinem Programm „Amerika wieder aufbauen" und seinen Schwerpunkt in die Restaurierung und Erweiterung der Infrastruktur verlegen, wovon er sich auch einen Schub in der Beschäftigungspolitik verspricht.

Daß die „vergessene Mittelschicht" in den USA auch deshalb geschlagen ist, da sie sich die teure Krankenversorgung kaum leisten kann, weiß Robert Kerry, Ex-Gouverneur und derzeit Senator von Nebraska, ein kriegsverwundeter Vietnam-Veteran. Er konzentriert sich auf das zentrale Wahlkampfthema „Krankenversicherung" für jedermann, eine Errungenschaft, die für den Westeuropäer so selbstverständlich wie der Sonnenschein im Sommer ist.

Paul E. Tsongas, ein ehemaliger Senator aus Massachusetts, und der ehemalige Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown, sind die beiden Außenseiter im Vorwahlrennen. Brown, unverheiratet, katholisch mit einer Leidenschaft für Zen, spielt dabei den bunten Vogel von der ohnehin anrüchigen Westküste, und beschuldigt das politische Establishment in Washington, Gefangene der Wahlkampfspenden der Superreichen zu sein. Solange die USA von deren Geld regiert werde, meint er, könne sich gar nichts ändern.

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