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Der Traum von der Einheit Afrikas, den in den stürmischen Jahren, in denen der Schwarze Kontinent seine politische Unabhängigkeit erlangte, die Staatsmänner Afrikas in überschwenglichem Optimismus träumten, ist seiner Verwirklichung seither nicht nähergekommen. Mit viel Begeisterung hatte sich im Jahre 1963 in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba die „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) konstituiert, der sich nach und nach alle unabhängigen Staaten nördlich und südlich der Sahara anschlössen. Heute, zehn Jahre danach, ist von dem Optimismus und der Begeisterung der Gründerzeit der OAU nicht viel übriggeblieben. Von Jahr zu Jahr waren die Gegensätze gewachsen, die zu überbrücken sich die

Organisation zur Aufgabe gemacht hatte, und der Traum von der Brüderlichkeit aller Afrikaner verblaßte.

Im vergangenen Monat wurde der 10. Geburtstag der afrikanischen Einheitsorganisation mit großem Aufwand, mit viel Pomp und Rhetorik feierlich begangen. Doch kaum je zuvor in der Geschichte der OAU war es zu stürmischeren Debatten und offensichtlicherer Zwietracht gekommen, kaum je-zuvor war die Ohnmacht dieser afrikanischen UNO deutlicher geworden als gerade auf dieser Jubiläumskonferenz.

Die Feierlichkeiten, zu denen 20 Staatsoberhäupter nach Addis Abeba gekommen waren und aus deren Anlaß wieder einmal viel über die afrikanische Solidarität und Brüderlichkeit geredet wurde, standen heuer im Zeichen der immer größer werdenden Kluft zwischen Schwarz- und Arabisch-Afrika.

Die Libyer wurden von der Majorität der in der Afrikahalle versammelten Delegierten ausgepfiffen, nachdem die Abgesandten Oberst Ghaddafls die Verlegung des Sitzes der OAU von Addis Abeba nach Kairo gefordert hatten. Ghaddafi wurde jedoch auch von einer Reihe schwarzafrikanischer Staaten unterstützt, allen voran von Uganda, als er dem Gastgeberland Äthiopien vorwarf, auf zu gutem Fuß mit Israel zu stehen. Libyen forderte die versammelten Vertreter von 41 afrikanischen Staaten auf, die diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen.

Israels diplomatische Position in Schwarzafrika hat sich in den vergangenen Monaten zusehends verschlechtert. Eine Reihe von Staaten hat die Beziehungen zu Jerusalem abgebrochen, so Kongo-Brazzaville, Niger, und Mali. Diese Schritte erfolgten, nachdem bereits der Tschad mit Israel gebrochen hatte und nach der spektakulären „Judenvertreibung“ durch das Amin-Regime in Uganda.

Diese Rückschläge der israelischen Afrikapolitik sind zu einem guten Teil auf die großzügige Finanzhilfe zurückzuführen, welche die ölrei-chen arabischen Staaten, wie etwa Libyen und Saudiarabien, nun einer wachsenden Zahl von afrikanischen Staaten gewähren. So wurde die Entscheidung des Präsidenten der Republik Tschad, Frangois Tombal-baye, mit Israel zu brechen, sofort durch ein libysches Darlehen in der Höhe von 92 Millionen Dollar — das ist mehr als das Doppelte des gesamten Jahresbudgets dieser zentralafrikanischen Republik — belohnt.

Immer mehr afrikanische Staaten, insbesondere jene mit revolutionären Regimen oder mit einer großen Moslembevölkerung, nehmen im Nahostkonflikt dezidiert gegen Israel Stellung. Die guten Beziehungen, die Jerusalem zu Südafrika unterhält, haben der Position Israels in Schwarzafrika gleichfalls ;ehr geschadet.

Israel hat aus dieser Entwicklung bereits seine Schlüsse gezqgen und sich offenbar entschlossen, seine diplomatische Aktivität und seine Hilfeleistungen in Afrika auf solche Staaten zu konzentrieren, von denen es annimmt, daß sie nicht unter den Einfluß Ghaddafis geraten werden. Zu diesen Staaten gehören die Elfenbeinküste, Zaire und Äthiopien,

Das amharische Kaiserreich wurde auf der jüngsten Gipfelkonferenz auch von Somalia unter Beschuß genommen. Dieses Land am Horn von Afrika erhebt aus ethnischen Gründen Anspruch auf die äthiopische Provinz Ogaden. Das Regime in Mogadischu, das von den Sowjets und in jüngster Zeit auch in wachsendem Maße von Peking Entwicklungshilfe, vor allem aber militärische Hilfe erhält, schürt seit Jahren einen Guerillakrieg der in Äthiopien lebenden Somalis gegen Kaiser Haue Selassie. Die Forderung der Vertreter Somalias, die Ogaden-Frage auf die Tagesordnung der Gipfelkonferenz zu setzen, wurde jedoch abgelehnt.

Das Fazit der diesjährigen OAU-Jubiläumskonferenz war somit das gleiche wie in den vorhergegangenen Jahren: von Einheit wurde nur geredet. Tatsächlich einig war man sich nur in der Verurteilung des „Rassismus“ im südlichen Afrika; Gemeinsamkeit gab es nur, wenn es galt, den „Kolonialismus, Neokolonialismus und Imperialismus“ zu verdammen.

Als eine ihrer Hauptaufgaben sieht die OAU die Unterstützung der Freischärler und Invasoren in den portugiesischen Uberseeprovinzen, in Rhodesien und Südafrika an. In seiner Eröffnungsrede hatte Kaiser Haue Selassie gesagt: „Wir blicken auf die kommende Dekade als auf eine Ära, in der der Befreiungskampf im südlichen Afrika schließlich von Erfolg gekrönt sein wird.“ Doch auch die Unterstützung der von Großmächten bezahlten Freischärler durch die Mitgliedsstaaten der OAU ist bisher größtenteils eine verbale geblieben.

Die skeptische Frage na.ch der Zukunft der „Organisation für die Afrikanische Einheit“ ist nach der vergangenen Gipfelkonferenz, auf welcher die Krise der afrikanischen Einheit deutlicher wurde als je zuvor, durchaus berechtigt. Wird der arabische Block, der immerhin zu einem guten Teil die OAU finanziert, die Organisation in verschiedene feindliche Lager spalten? Wird die Einheitsorganisation als bloßes Propagandaforum auch von ihren eigenen Mitgliedern immer weniger ernst genommen werden, oder wird sie endlich fähig werden, einen aktiven Beitrag zur Lösung der unzähligen afrikanischen Entwicklungsprobleme zu leisten und zu einem effektiven Instrument der Vermittlung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu werden?

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