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Nur positive Maßnahmen

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Erstaunt bis empört sind die Reaktionen auf ein Interview der Vorsitzenden der ÖVP-Frauenbewegung, Herta Haider, in dem sie erklärt hatte, die Volkspartei würde sich nicht für die Änderung des Gesetzes über die Fristenlösung einsetzen. Ein Widerspruch zwischen dieser Aussage und jener von ÖVP-Chef Josef Taus schien auf der Hand zu liegen. Mit dem ÖVP-Abgeordneten Herbert Kohlmaier, der sich wiederholt gegen die Fristenlösung ausgesprochen hat, sprach Alfred Grinschgl.

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Erstaunt bis empört sind die Reaktionen auf ein Interview der Vorsitzenden der ÖVP-Frauenbewegung, Herta Haider, in dem sie erklärt hatte, die Volkspartei würde sich nicht für die Änderung des Gesetzes über die Fristenlösung einsetzen. Ein Widerspruch zwischen dieser Aussage und jener von ÖVP-Chef Josef Taus schien auf der Hand zu liegen. Mit dem ÖVP-Abgeordneten Herbert Kohlmaier, der sich wiederholt gegen die Fristenlösung ausgesprochen hat, sprach Alfred Grinschgl.

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FURCHE: Stimmt der Eindruck, daß sich die Volkspartei mit der Fristenlösung abgefunden hat?

KOHLMAIER: Wenn man hier das Wort „sich abfinden“ verwendet, dann wohl nur in dem Sinn, daß wir die mehrheitliche Beschlußfassung im Parlament und die damit geschaffene Rechtslage, die schon mehrere Jahre dauert, als Faktum hinzunehmen haben. Ein Faktum ist es auch, daß in der Bevölkerung ein gewisser Gewöhnungsprozeß an die Fristenlösung eingetreten ist und die Widerstandskräfte etwas erlahmt sind. Keinesfalls aber sind wir mit der heutigen Situation zufrieden, weil es eine ganze Reihe von Mißständen gibt, von denen wir glauben, daß wir sie bei geänderten Parlamentsmehrheiten zum Besseren wenden könnten.

FURCHE: Was also sollte konkret reformiert werden?

KOHLMAIER: Wenn das Thema der Fristenlösung noch einmal aufgeworfen wird, so müssen im Vordergrund die positiven Maßnahmen stehen. Das heißt: so weit wie möglich sollen alle Maßnahmen ausgeschöpft werden, um Abtreibungen entbehrlich zu machen. Es ist aber eine verzerrte Darstellung der Dinge, wenn uns unterstellt wird, wir wollten das Problem von der strafrechtlichen Seite her lösen. Wir wenden uns vehement dagegen, daß es heute keine Schutznorm für das werdende menschliche Leben in den ersten drei Monaten ab der Empfängnis gibt. Ein solcher Schutz soll nicht vom Klang des Schlüsselbundes eines Gefängniswärters begleitet sein, sondern es gibt sicher viele Möglichkeiten, soziale Schutzmechanismen auf den Plan zu rufen. Etwa wirksamere Beratungen.

FURCHE: Die Vorsitzende der Frauenbewegung in deröVP hat von einem geänderten Bewußtsein in der Volkspartei gesprochen.

KOHLMAIER: Wir wissen, daß es so etwas wie eine moralbildende Kraft des Rechts gibt. Durch den gänzlichen Wegfall der Strafbestimmungen im Wege der Fristenlösung ist das Unrechtsbewußtsein im Sinne der zwischen den Bürgern zu wahrenden Rechtsordnung gefallen. Das moralische und sittliche Unrecht ist aber geblieben. Nur gibt es hier individuelle Unterschiede. Wir können aber heute nur eine Situation herstellen, die die Abtreibung weitestgehend vermeidbar macht.

Dann ist es wieder möglich, das Unrecht, das mit einer Abtreibung geschieht, bewußt zu machen. Es wird aber immer Not- oder Bedrängnisfälle geben, in denen man einen solchen Schritt rechtfertigen kann. Damit, daß es heute etwa ebensoviele Abtreibungen wie Geburten gibt, kann sich unserer Auffassung nach niemand abfinden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß sich irgendjemand in meiner Partei dem gegenüber gleichtültig zeigt.

FURCHE: Werten Sie die Erklärung von Frau Haider als Ausdruck der allgemeinen Wahlkampf-Nervosität oder als Einzelmeinung?

KOHLMAIER: Wenn die Vorsitzende der Frauenbewegung, die ich nicht zu interpretieren habe, ausgedrückt hat, daß wir gegen die Fristenlösung nicht initiativ sein werden, dann ist sie damit nur der Greuelpropaganda entgegengetreten, wonach wir wieder die Frauen mit dem Strafrecht verfolgen wollten. Die Abtreibung ist und bleibt ein arges Übel. Die Fristenlösung hat sie zulässig gemacht, ohne nur annähernd dafür zu sorgen, daß sie überflüssig wird. Dagegen wehre ich mich persönlich und dagegen wehrt sich sicher auch jeder verantwortliche Funktionär der Volkspartei.

FURCHE: In welcher Weise wollen Sie sich persönlich zur Wehr setzen?

KOHLMAIER: Sollte sich die ÖVP, obwohl sie eine entsprechende Verantwortung auf Regierungsebene trägt, quasi totstellen und nichts Positives unternehmen, dann würde ich persönlich meine Stimme erheben. Für diesen Fall würde ich auch Aktivitäten aus dem katholischen Bereich erwarten.

Ich halte das aber für eine theoretische Annahme, weil die ÖVP drei feierliche Bekenntnisse zum Schutz des werdenden Lebens abgelegt hat: im Salzburger Programm, bei Behandlung der Strafrechtsreform und des Volksbegehrens sowie erst vor wenigen Wochen im Parlament, als wir in einer Resolution eine Erweiterung des Grundrechtskatalogs um einen umfassenden Schutz des menschlichen Lebens verlangt haben.

Es wäre verhängnisvoll, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstünde, daß die Volkspartei ihre prinzipiellen Positionen aus wahltakti-sehen oder sonstigen opportunistischen Gründen ändern würde.

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