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Nur Theaterdonner ?

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Seltener, viel seltener als in Europa, kommt es im politischen Leben der USA zur Konfrontation von Ideologien. Doch bei entsprechenden Auseinandersetzungen in Amerika geht es dann dafür auch hart auf hart. Das bewies jetzt Senator Edward Kennedy, ideologisch als Linksliberaler im europäischen Sinne zu klassifizieren, als er William Rehnquist, der Oberstrichter der USA werden soll, vor dem Senatsausschuß für Justiz regelrecht abkanzelte, und das mit im US-Parlament selten zu vernehmender Rhetorik: „Der Kandidat des Präsidenten ist zu extrem bei Rassenf ragen, zu extrem hinsichtlich der Rechte der Frauen, zu extrem bei der Auslegung des Rechts der freien Meinungsäußerung, zu extrem bei der Frage der Trennung von Kirche und Staat — kurz: er ist ein zu großer Extremist, als daß er der Chef des Obersten US-Gerichts werden könnte.“

Die Anhörungen des 61jährigen Juristen, der zum 16. Chefrichter in der Geschichte des Obersten US-Gerichtshofes berufen werden soll, sind zum Tribunal über ihn geworden. Er gilt nicht nur als, er ist - eigenem Bekenntnis zufolge — ein Konservativer. Für die Super-Liberalen um Kennedy ist das gleichzusetzen mit einem Reaktionär, und so wurde der Kandidat Reagans vor dem Senatsausschuß auch behandelt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe 1961 versucht, einigen Farbigen und einigen Puertoricanern das Wahlrecht streitig zu machen.

Als Kronzeuge präsentierten die Demokraten den demokratischen Psychologie-Professor Sydney Smith. Der will persönlich beobachtet haben, wie Rehnquist vor einem Wahllokal zwei Schwarze ansprach und sagte: „Ihr könnt doch nicht schreiben, nicht? Also habt Ihr bei der Wahl nichts verloren.“ Dazu muß man wissen, daß es noch bis 1984 völlig legal war in Arizona, potentielle Wähler dermaßen herauszufordern - denn ein gültiges Gesetz schließlich besagte, daß Analphabeten kein Wahlrecht haben.

Die Kennedy-Liberalen ließen weitere Zeugen gegen Rehnquist aufmarschieren, der all diese Beschuldigungen zurückwies — und, fast schon irritiert, unerwartete Schützenhilfe aus dem ihm übel gesonnenen Lager der Demokraten erhielt. „Ich habe nie Negatives über William Rehnquist gehört in dieser Zeit“, sagte Vincent Maggiore aus, „und wenn es solche Wahlzwischenfälle um Rehnquist gegeben hätte, wären sie mir hinterbracht worden“ - was einleuchtet: Maggiore schließlich war damals Vorsitzender der Demokratischen Partei in Phoenix.

Zwei Häuser, die Rehnquist besitzt, so ein weiterer Vorwurf, haben in ihren Grundbucheintragungen den Hinweis, sie dürften „nicht an Juden“ und „nur an Weiße“ weiterverkauft werden. „Das wußte ich nicht“, beteuerte Rehnquist glaubwürdig, denn Grundbucheintragungen dieser Art sieht vorwiegend der Makler solcher Objekte, „das wußte ich nicht, das ist bedauerlich, weil auch illegal“. Hier kamen Reagan-Republikaner zu Hilfe: Sie konnten nachweisen, daß John F. Kennedy, als er noch Senator, noch nicht Präsident war, in Washington ein Haus gekauft hatte, dessen Verkauf „an Angehörige der schwarzen Rasse“, so das Grundbuch, verboten war.

So sehr wie Rehnquist ist kaum ein Kandidat jemals vor einem Senatsausschuß „gegrillt“ worden. Am meisten hat ihm vielleicht geschadet, daß Weißes Haus und Justizministerium nicht bereit sind, vom Ausschuß gewünschte Dokumente einsehen zu lassen. Dabei handelt es sich um Rehnquist-Memos aus der Zeit zwischen 1969 und 1971. Rehnquist war damals hoher Beamter im Justizministerium, und seine Memos in dieser Zeit, die dem Watergate-Skandal voranging, betrafen das illegale Abhören von Telefonaten, die Überwachung radikaler Gruppen und die Einschätzung von Bürgerrechtsbewegungen. „Von mir aus kann das alles eingesehen werden“, hatte Rehnquist erklärt.

Das Tribunal um Rehnquist ist eine seltene ideologische Schlacht, bei der es weniger um den Mann selbst geht als darum, daß Reagan während seiner Präsidentschaft superkonservative Richter nominiert hat, die meisten um die Sechzig, so daß sie noch für viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, *,die Richtung“ bestimmen. Das natürlich stört die liberalen Geister. Was sie da um Rehnquist veranstaltet haben, ist trotzdem nicht mehr als Theaterdonner. Denn daran, daß der ganze Senat im September dem Kandidaten Reagans mit Mehrheit zustimmen wird, ist nicht zu zweifeln.

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