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Nur Verunsicherung

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Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die nun bald zwei Monate anhaltende Diskussion über die Frage „Ärztebedarf oder Ärzteschwemme“ mit untauglichen Vorzeichen geführt wird. Dieser Eindruck entsteht, weil einfach keine ausreichenden und gültigen wissenschaftlichen Unterlagen für Aussagen vorhanden sind, mit denen man exakt darüber informieren könnte, wieviel Ärzte — und auch Ärzte welcher Fachgruppe — für ein zufriedenstellend funktionierendes Gesundheitswesen in kommenden Jahrzehnten benötigt werden. Wobei auch zu berücksichtigen ist, daß die Aufgaben des Gesundheitswesens expandieren.

Zuerst einmal muß von der gegebenen Situation ausgegangen werden: trotz einer im gesamtösterreichischen Durchschnitt relativ günstigen Versorgungslage gibt es zum Teil erhebliche regionale Versorgungslücken, die sowohl die praktische als auch die fachärztliche Versorgung betreffen. Dabei Sind drei weitere Dinge zusätzlich zu beachten: bei den Praktikern besteht eine erhebliche Überalterung, 52 Prozent dieser Ärztegruppe sind über 55 Jahre alt. Weiters hat sich in den letzten Jahren der Trend bei der! niedergelassenen Ärzten gezeigt, keine Kassenverträge abzu-, schließen. Dies war vor allem bei den Fachärzten festzustellen. Und schließlich haben in den vergangenen Jahren viele junge Ärzte die Anstellung in einem Spital der freien Praxis vorgezogen, was sich sicherlich auch auf die Betreuung der Bevölkerung ausgewirkt hat.

Ebenso ist unbestritten, daß nach Jahren gleichbleibender Pro-movendenzahlen nunmehr durch einen Ansturm auf das Medizinstudium in den nächsten Jahren zunehmende Promovendenzahlen zu erwarten sind. Man wird daher auch Sorge dafür tragen müssen, daß eines Tages nicht zuviel Mediziner zur Verfügung stehen, die dann nur sehr schwer einen Arbeitsplatz finden.

Die damit genannten Fakten lassen es aber nicht zu, verbindliche Aussagen über das Problem zu geben, ob in Zukunft bei steigenden Aufgaben des Gesundheitswesens — und zunehmender Anzahl von Medizinpromovenden — jeder Arzt einen Aufgabenbereich finden wird; ebensowenig kann mit Sicherheit vorausgesagt werden, ob in Zukunft auf Grund der derzeitigen „Ärzteschwemme“ das Problem arbeitsloser Ärzte auf uns zukommt.

Verbindliche Aussagen und Informationen, die dann auch jenen dienen können, die das Medizinstudium beginnen wollen oder auch schon in der Ausbildung stehen — aber auch Voraussetzung für die notwendigen politischen Maßnahmen können nur umfangreiche Untersuchungen über den regionalen Ärztebedarf und Prognosen über den zukünftigen Be-

„In Tamsweg überhaupt kein Facharzt“ darf unter Berücksichtigung expandierender Aufgaben der Gesundheitspolitik sein. Diese Untersuchungen gemeinsam mit den Ländern und den wissenschaftlichen Einrichtungen durchzuführen, wäre eine Aufgabe des Gesundheitsministeriums, die zu erfüllen ist, bevor allzu schnelle Schlüsse und Aussagen in einer öffentlichen Diskussion gezogen werden.

Eines kann nämlich jetzt schon gesagt werden: die bisherige Diskussion über dieses Problem hat nicht mehr erbracht als nur eine erhebliche Verunsicherung jener jungen Menschen, die sich einer Aufgabe im Gesundheitswesen stellen wollen und dafür ein schweres Studium auf sich nehmen.

Was sollen diese Ärztebedarfspläne erbringen? Sie sollen, von den regionalen Gegebenheiten der ärztlichen Versorgungslage ausgehend, exakte Voraussagen darüber enthalten, welcher ärztliche Bedarf der praktischen und fachärztlichen Versorgung wünschenswert wäre und dies auch unter Berücksichtigung eines modernen Gesundheitswesens mit seinen voraussehbaren künftigen Aufgaben, also etwa die sicherlich noch ausbaufähigen Vorsorgeeinrichtungen. Diese Untersuchungen müßten in jedem Bundesland unter Einbeziehung möglicher regionaler Überschneidungen durchgeführt werden. Nur wenn derartige wissenschaftliche Unterlagen vorhanden sind, wird man auch schlüssig handeln können, also jene Maßnahmen ergreifen können, die sowohl eine bestmögliche ärtzliche Versorgungsgüte für die Bevölkerung erbringt, als auch verhindern können, daß ausgebildete Ärzte kein Aufgabengebiet finden.

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