"Causa Waldheim": Ein Mann im Zwielicht - wie lange noch?

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Heute, 50 Jahre nach der Wahl von Kurt Waldheim zum UNO-Generalsekretär, wäre es an der Zeit, seinen "Fall" nochmals in die Hand zu nehmen - sachkundig und überparteilich.

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Heute, 50 Jahre nach der Wahl von Kurt Waldheim zum UNO-Generalsekretär, wäre es an der Zeit, seinen "Fall" nochmals in die Hand zu nehmen - sachkundig und überparteilich.

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Was war das für eine globale Überraschung – damals, Ende 1971, vor genau 50 Jahren. U Thant, der Burmese, wollte kein weiteres Mal als UNO-Generalsekretär antreten. Die Welt suchte also einen neuen Schieds- und Friedensrichter. Regierungen und Geheimdienste fahndeten nach einem Makellosen – und am 21. Dezember, seinem 53. Geburtstag, wurde der Österreicher Kurt Waldheim vom Sicherheitsrat zum vierten Generalsekretär der Vereinten Nationen gekürt – getragen vom Vertrauen aller Großmächte. Eine eindrucksvolle Karriere im Dienst seiner Heimat (mit Südtirol-Paket und EG-Assoziierung Österreichs) gelangte an ihren Zenit.

Groß war der Stolz seiner Landsleute – und für zwei Mal fünf Jahre lagen nun Konflikte wie Nahost, Zypern, Iran-Revolution, Golfkrieg, Afghanistan, Entkolonisierung, vor allem aber das Ringen um Rüstungskontrolle auf seinen Schultern. Wien wurde 1979 unter Waldheim zum dritten UNO-Sitz. Eine dritte Amtszeit im „Glaspalast der Weltpolitik“ scheiterte 1981 nur am Veto Chinas, das nun auf einem UNO-Chef aus der „Dritten Welt“ bestand. Den Rückzug aus New York „vergoldete“ die Vereinigung früherer Staats- und Regierungschefs mit Waldheims Wahl zu ihrem Vorsitzenden.

Heimgekehrt, war Waldheim der natürliche Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten. Männer wie Bruno Kreisky wollten ihn als gemeinsamen VP/SP-Kandidaten, was letztlich an SP-Interna scheiterte: Fred Sinowatz & Co. waren aufgrund vieler verlorener Wahlen nicht auf Gemeinsames aus, wollten ihren „Erbhof“ Präsidentschaftskanzlei nicht einem Bürgerlichen überlassen – und die voreilige Nominierung Waldheims durch die VP bestärkte sie dabei.

Da kamen – die Zeit war reif – die Ansehenzerstörenden Berichte über seinen Kriegsdienst am Balkan gerade recht. Der Rest ist bekannt. Leitmedien und Einzelinteressen spielten entscheidend mit, international auch manche Verärgerung über Kreiskys nahostpolitische Alleingänge. Über der „Causa Waldheim“ stapelten sich bald Anklage um Anklage: Nazi, Kriegsverbrecher, Bösewicht…

„Kein persönlich schuldhaftes Verhalten“

Die heimische Kriegsgeneration, die sich (unabhängig von individuellem Verschulden) den Verlust ihrer Jugend nicht gewünscht hatte, fühlte sich mit angeklagt. Österreichs versäumte Aufarbeitung der dunklen Jahre 1933-1945 rächte sich jetzt. Kurzum: Der Verketzerte wurde trotzdem Präsident, eine „Historikerkommission“ fand bei ihm „kein persönlich schuldhaftes Verhalten“, aber viel Wissen über Kriegsverbrechen. Die USA belegten ihn mit Einreiseverbot – und ein tiefer Schatten legte sich über unser Land. Waldheim zog die Konsequenz und verzichtete 1992 auf eine denkbare Wiederwahl. Als er 2007 starb, waren von allen Vorwürfen gegen ihn vor allem mangelnde Offenheit über Kriegsgräuel der Wehrmacht und Lücken in seiner Biographie geblieben – erste Stimmen sprachen aber auch von einer „grotesk überzogenen Dämonisierung“. Österreich hatte sich inzwischen zwar aus der Opferthese von „Hitlers erstem Opfer“ befreit, aber ein tiefer Spalt trennte weiter das Land – und tut es bis heute. Unbewältigt spalten zwei Klüfte unsere Zeitgeschichte: der Bürgerkrieg von 1934 und die „Causa Waldheim“.

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