China: Inventur im Götterhimmel
Diese Woche kam es zum großen Video-Gipfel zwischen den USA und China. Gedanken zu Geschichte und Neuordnung im "Reich der Mitte".
Diese Woche kam es zum großen Video-Gipfel zwischen den USA und China. Gedanken zu Geschichte und Neuordnung im "Reich der Mitte".
Es war 1972 in Peking, vor knapp 50 Jahren. China hatte eben den Wahnsinn von Maos „Kulturrevolution“ überstanden, war ausgeblutet und schwach. In der „Halle des Volks“ saß damals Tschu En-lai, der Premier und Retter, sprach von der Zukunft der Welt – und erklärte mir und einer Handvoll Kollegen sein faszinierendes Wissen über unsere Neutralität und das Südtirol-Problem lächelnd so: „Österreich und China, wir sind ja fast Nachbarn – zwischen uns liegt nur die Sowjetunion“. Bis heute ist mir jenes dreistündige Gespräch mit dem „roten Mandarin“ als faszinierendste Begegnung meines Journalistenlebens in Erinnerung.
Es war dann 23 Jahre später, im Herbst 1995, wieder in Pekings „Halle des Volkes“. An der Seite von Bundespräsident Thomas Klestil erlebte ich Chinas damaligen Machthaber Jiang Zemin. Es war ein Gespräch von ganz anderer Unvergesslichkeit: Mit zynischem Kichern sagte Jiang gleich eingangs: „Ich weiß, Sie müssen für die Medien zuerst Ihre Kritik wegen Tibet anbringen. Sagen wir also einfach, das Thema sei besprochen worden. Und jetzt können wir über Vernünftiges reden...“ Sein Interesse galt schon ganz anderem: Wie geht Marktreform?
Nur drei Titanen überlebten
Und nun also in der Vorwoche, wieder in der „Halle des Volkes“: Chinas elitäres KP-Zentralkomitee stellte die Weichen für eine neue Ära – durch Umschreiben der eigenen Geschichte. Was konkret hieß: Der Götterhimmel für 1,4 Milliarden Menschen wurde aussortiert und neu besetzt: Tschu En-lai und Jiang Jemin wurden gelöscht - und nur drei Titanen überlebten: erstens Staatsgründer Mao – unverzichtbar trotz all seiner Destruktion. Zweitens Deng Xiaoping – er hatte China in den 1980ern den Weg zum (totalitären) Kapitalismus geöffnet. Und drittens der jetzt regierende Staats- und Parteichef Xi Jinping. Für ihn wurde sogar die nahezu heilige Zehnjahres-Begrenzung seiner Allmacht geopfert. Xi gilt nun als Titan des Aufstiegs zu Wohlstand und Stärke, der das Riesenreich eben in „Dritter Revolution“ zur Weltmacht führt – „entschlossen, innovativ und tiefgründig“.
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