Ein trauriges Ende

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Heinz Nußbaumer über die Schließung der "Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer Purgstall".

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Heinz Nußbaumer über die Schließung der "Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer Purgstall".

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Es war einmal ein Österreich, das unvergessliche Brücken zwischen Europa und dem Orient gebaut hat – dank seiner Forschungsreisenden und Archäologen, Diplomaten, Ärzte, Ingenieure usw. Ihre Namen sind Legende: Hammer-Purgstall, „Musil von Arabien“, Negrelli, „Slatin Pascha“ usw. Es war einmal ein Österreich, dessen „Maria-Theresien-Taler“ zur legendären Währung auch in Arabien geworden war. Dessen Schiffe und „Levante Post“ unzählige Male das Mittelmeer überwunden haben. Und wo sich die Habsburger auch „Könige von Jerusalem“ genannt haben.

Es war einmal ein Österreich, das auch als Kleinstaat seinen Ruf als neutraler Freund und Handelspartner der arabisch-islamischen Welt bewahren konnte – auch als Studienort für ungezählte Bildungshungrige aus der Großregion zwischen Atlantik und Hindukusch. All das hatten wir einer weitsichtigen Politik zu verdanken – und einer einzigartigen Institution: der „Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall“.

Netanyahu rückte ans Regierungsherz

Dort wurden nicht nur alle Sprachen der islamischen Welt gelehrt, Studierende betreut, wissenschaftliche Beziehungen gepflegt und die Deutschkenntnisse von tausenden Studenten aus Arabien und Persien perfektioniert. Da haben auch zahllose Vorträge den Blick in die orientalische Kultur und Lebensart geschärft. Und Mächtige aus dem Morgenland kamen gerne zu Konferenzen, zu Arztbesuchen und Österreich-Urlauben.

„Wien ist nahe dem Paradies“ war für Jahrzehnte ein Gassenhauer in der arabischen Welt. All das ist nun Vergangenheit: 62 Jahre (!) nach ihrer Gründung sperrt die „ÖOG“ für immer zu – mittellos und zeitgleich mit dem Fortgang des ­„König-Abdullah-Zentrums“ aus Wien. Welche Zeitenwende – trotz einer immer kleiner werdenden Welt und immer größerer Wissensdefizite hinsichtlich fremder Kulturen! „Corona“ hat die letzten Subventio­nen versenkt.

Es war einmal ein Österreich, das auch als Kleinstaat seinen Ruf als neutraler Freund und Handelspartner der arabisch-islamischen Welt bewahren konnte.

Das ist bitter – und macht mich (der 40 Jahre mitgewerkt hat) zutiefst traurig. Die tieferen Ursachen sind vielfältig. Angesichts von Gewalt und Flüchtlingsströmen ist dem Orient viel an Magie verloren gegangen. Kurzzeit-Aktualität erschlägt Bildungsbürgertum. Und Politiker fürchten: Islam-Verständnis riskiert Wählerstimmen. „Willkommenskultur“ war gestern.

Das heißt konkret: Statt Kreiskys Palästinensern ist uns „Bibi“ Netanyahu ans Regierungsherz gerückt. Mit Folgen: Als dessen Besatzungspolitik jetzt vor das Internatio­nale Strafgericht kommen sollte, ist Wien schnell auf die Bremse gesprungen. Dazu kommen auch Schatten der europäi­schen Einigung – ein Verlust an außenpolitischer Bewegungsfreiheit vor allem. Und die Erkenntnis, dass uns die EU nicht als erprobte „Andockplattform“ für den Orient braucht und haben will.

Ist das alles notwendiger Realitätssinn oder leichtfertige „Verzwergung“? Ich denke an den Brief eines arabischen Intellektuellen: „Wir hier wissen sehr wohl, was Österreich alles für uns getan hat. Aber weiß man darüber noch etwas in Österreich?“

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