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O Jubel — o Freud …

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Nachmittag Das Telephon klingelt. Die FURCHE will mich sprechen. Ich soll einen Artikel für Weihnachten schreiben. Uber die Freude und so.

O Jubel, o Freud?

Ich muß noch die heutige Post durchsehen. Eine Karte. Die Handschrift kenne ich schon. „Ich bin wieder total am Boden. Ich kann nicht mehr. Ich komme vom ,Stoff nicht mehr weg!“

Schon wieder das Telephon. Peter meldet sich. „Ich bin jetzt aus dem Gefängnis heraus. Wohin soll ich gehen? Ich habe keine Arbeit. Ich habe keinen Menschen!“

O Jubel, o Freud?

Ein Besuch ist angemeldet. Ein Mann in den besten Jahren tritt ein. Er will nicht mehr leben. Nur die Angst vor Gott hält ihn vor dem Selbstmord zurück.

O Jubel, o Freud?

Abend. Es wird still um mich herum. Ich denke an die Weihnachtspredigten, an die viele, nichtssagende Weihnachtspost. Irgendwie bin ich erledigt. Nachrichten im Fernsehen: Flugzeugkatastrophen, Politikerbe schimpfungen, Arbeitslosigkeit, Werbung, Angst.

Ich stehe am Fenster und schaue in die kalte, sternklare Nacht. Stille Nacht. Heilige Nacht. Weihnacht.

O Jubel, o Freud?

Ich denke über Weihnachten nach. Weihnachten 1983. Es ist schon seltsam mit diesem Fest. Wenn es mir möglich wäre, möchte ich mich am liebsten irgendwohin in die Einsamkeit verkriechen.

Ein Akademiker (!) hat zu mir einmal gesagt: „Ich trinke mir schon am 23. Dezember einen anständigen Rausch an, der bis über Weihnachten anhält.“ Was ist nur los mit der Weihnachtsfreude? Wohin ist die Hoffnung entschwunden?

Also, so geht das nicht! Ich muß mich zusammennehmen! Ich halte Ausschau nach der wahren Weihnachtsfreude und der Hoffnung, die von Weihnachten kommt.

„Ein Kind ist uns geboren. Ein Sohn ist uns geschenkt!“ Sein Name läßt mich aufhorchen: Immanuel! Gott ist mit uns!

Gott ist mit dir, du vom Rauschgift Gezeichnete! Gott ist mit dir, der du keine Arbeit hast. Gott ist mit dir, du Säufer. Gott ist mit mir.

O Jubel, o Freud?

Einmal wird ein Mensch geboren, in dem Gott mit uns ist. Diese Hoffnung war der Treibsatz Israels. Diese Hoffnung ließ das Volk Israel überleben in Leid und Schrecken, im Exil, in den Konzentrationslagern.

Ich glaube, nicht nur im Volke Israel lebt jene Hoffnung, daß einmal alles anders wird. Ich glaube, in jedem Menschen ist diese Hoffnung.

Nun ja, es ist schon wahf-, daß so vieles, was so hoffnungsvoll beginnt, dann so ganz anders endet. Kennen Sie die Geschichte von den jungen Dachsen?

Die jungen Dachse wurden in die Schule geschickt, damit sie lernen, viel lernen. Sie sollen ja kritisch, selbständig, gemeinschaftsfördernd, konstruktiv, ehrlich sozial werden, und, und, und…

Ihre Lehrer waren Wölfe, Faultiere, Ziegen, Affen, erfahrene Alt-Dachse. Sogar eine Giftschlange gab Unterricht.

Die jungen Dachse waren eine fabelhafte Gesellschaft. Denn wenn der Wolf sagte, die Erde sei eine Scheibe, dann sagten sie, nein, die Erde ist eine Kugel! Und wenn ein Faultier meinte, Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, dann sagten sie: nein, Protest ist der erste Schritt zum Leben! Oder wenn die Giftschlange zur verlogenen Diplomatie riet, sagten sie: nein, es kommt auf die Wahrheit an! Und vyenn die Affen zur Anpassung rieten, dann sagten sie: nein, Originalität ist entscheidend!

Die jungen Dachse waren in Ordnung. Dann kam der Tag der großen Prüfung. Aber was war nun nur mit den jungen Dachsen los?

Einer sagte: die Welt ist eine Scheibe. Ein anderer: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Der dritte: Auf Diplomatie kommt es an! Sich anpassen, das ist alles, meinte der letzte junge Dachs.

O ihr Dachse, habt ihr so schnell von den Alten gelernt? Wohin habt ihr eure Hoffnungen begraben? Wollt ihr nur mehr mit Kompromissen leben?

Ist unser Schicksal nicht ähnlich dem der jungen Dachse? Ist unser Schicksal nicht ähnlich dem Schicksal Israels? Den, auf den es Jahrtausende gewartet hatte, hat Israel verkannt. Weil er sich nicht angepaßt hat. Weil er nicht diplomatisch war auf Kosten der Wahrheit…

Wenn mein Leben nicht an dem vorbeilaufen soll, auf den ich hoffe, so lädt mich gerade das Evangelium vom Christ-Kind ein, mich zu fragen: Muß das sein, daß aus einem jungen Dachs sich der entwickelt, der ich heute bin?

Das Kind von Bethlehem ist für mich der neue Anlaß, die Weichen meines Lebens neu zu stellen. Bin ich bereit dazu? Oder lähmt mich dazu meine Bequemlichkeit?

Wenn ich mich überwinde, wird sich die Hoffnung einstellen. Und die Hoffnung wird die Angst und die Resignation aus meinem Herzen jagen. Und etwas Neues wird in mir aufkeimen!

Und deshalb unterstreiche ich — trotz allem, was war, ist und sein wird — froh und zuversichtlich das Wort: O Jubel, o Freud!

Der Autor ist Abt des Benediktinerstiftes St. Paul im Lavanttal.

haben wir auch heuer einen entsprechenden Betrag für einen wohltätigen Zweck zur Verfügung gestellt: für kirchliche Entwicklungshelfer in Nicaragua.

Wir sind sicher, daß die in diesen Tagen mit Billetts ohnehin überhäuften Empfänger dies verstehen werden. Und wir hoffen auf die Zustimmung der Leser, wenn wir zu Weihnachten und Jahresschluß die übliche Doppelnummer herausbringen. Die nächste FURCHE wird daher mit Datum 4. Jänner 1984 erscheinen.

Die heutige Doppelausgabe steht im Zeichen der Weihnachtsbotschaft: ,Jch verkünde euch eine große Freude", (Lk 2J0). Wie wir dies Motto journalistisch aufzuarbeiten versucht haben, wird auf Seite 3 dargelegt.

Zeichen des Ursprungs der Freude ist oft das Licht. „Gott ist reich an Erbarmen, darum kommt zu uns das strahlende Licht aus der Höhe“, heißt es in der Prophezeiung des Zacharias (Lk 1,78).

Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“, verkündete Johannes (Joh lß). „Gott von Gott, Licht von Licht“, kennen wir im großen Glaubensbekenntnis.

So wünschen wir auch allen Lesern, Freunden, Mitarbeitern, Inserenten — und Kritikern der FURCHE nicht nur für die kommenden Festtage, sondern für das ganze Jahr 1984 göttliches Licht zur Erhellung des Dunkels der Zeit im Sinne der Engelsbotschaft:

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