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Oberösterreichs Künstlerinnen

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Die von der Neuen Galerie der Stadt Linz, Wolfgang-Gurlitt- Museum, parallel zum Festival „Ändere Avant Garde” bis 25. Oktober gezeigte Ausstellung „Künstlerinnen” (Broncia Koller, Erika Giovanna Klien, Elfriede Trautner, Birgit Jürgenssen, Barbara Pflaum) gibt Anlaß zu einer kleinen ergänzenden Skizze, die in summarischer Form veranschaulichen soll, daß die bildende Kunst dieses Jahrhunderts in Oberösterreich in entscheidender Weise durch Frauen bestimmt wurde und auch weiterhin mitbestimmt wird.

Dabei fällt auf, daß zahlreiche aus diesem Bundesland stammende. beziehungsweise — wie es bei Margret Bilger der Fall war —

in Oberösterreich lange Jahrzehnte ansässige Graphikerinnen und Malerinnen nicht nur ihre männlichen Kollegen mitunter an Konsequenz und Durchhaltebe- reitschaft in schwierigen Zeiten übertrafen, sondern vielfach auch in ihrer Denk- und künstlerischen Handlungsweise ausgesprochene Avantgardepositionen einnah- men beziehungsweise einnehmen.

Der Nachweis, daß, fern jeder müßigen emanzipatorischen Polemik, die Frau in der Kunst ihren Mann zu stellen vermag, wurde und wird in Uberösterreich jedenfalls in erstaunlicher Konsequenz und Breite erbracht, begleitet von einer erfreulichen Selbstverständlichkeit, die es nicht notwendig erscheinen läßt, Tatbestände, die sich im stillen vollziehen, doch nicht nur dort ihre Bestätigung erfahren, an die große Glocke zu hängen. Daß es Spezifika und Qualität künstlerischer Leistungen sind, die zählen, und nicht Alter oder Geschlecht ihrer Hervorbringer, ist ein in Oberösterreich doch weitgehend akzeptiertes Faktum, welches zum Beispiel den Erfolg einer zeitlebens geschätzten und gesammelten Malerin wie Vilma Eckl (geboren 1894 in Lorch bei Enns, gestorben 1982 in Linz) mit aller Deutlichkeit erklärt.

Die nicht zuletzt wegen ihrer feinnervigen neoimpressionistischen Pastelle geschätzte Künstlerin war nicht nur unter d’en ersten Mitgliedern der 1921 in Linz gegründeten und heute noch bestehenden Künstlervereinigung Maerz, sondern stets auch so etwas wie eine allgemein anerkannte Leitfigur, die in ähnlicher Form wie es auch bei der Keramikerin Gudrun Baudisch der Fall war, mit ihren Leistungen, ihrer Art zu denken und künstlerisch anzuregen, eine Brücke vom Gestern zum Heute schlug.

Eckl und die aus Wien kommende, im Kreis um Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte groß gewordene, erst vor kurzem verstorbene Baudisch besitzen in der aus Galizien stammenden Erika Rössing eine derselben Generation angehörige Kollegin, die sich allerdings erst seit der vor wenigen Jahren an die Neue Galerie der Stadt Linz erfolgten Stiftung von fünfzig Gemälden hierzulande einer gewissen Bekanntheit und der längst fälligen Wertschätzung erfreuen kann. Erika Rössing, die zusammen mit dem berühmten Herbert Bayer 1919/20 in einem Linzer Graphikatelier arbeitete und anschließend in den keramischen Werkstätten Schleiß in Gmunden volontierte, ver brachte — nach ihrer Heirat mit dem bedeutenden Graphiker und Buchillustrator Karl Rössing zu Beginn der zwanziger Jahre — praktisch ihr gesamtes Leben in Deutschland.

Seit 1960 malte sie in Gauting bei München an einem von leiser Poesie und farbiger Verhaltenheit getragenem Werk, das in stilleben- hafter Symbolik das Sein von Mensch, Tier und Ding in mitunter leicht surrealer Manier deutend beschreibt. Ein tragischer Autounfall riß sie 1977 aus einem in vollem Fluß befindlichen Leben.

Aus der für die Kunstszene in Oberösterreich so wichtigen Generation der Jahrhundertwende stammt auch die Grazerin Margret Bilger, Jahrgang 1904. Sie hinterließ ein umfangreiches druckgraphisches Werk expressionistischer Holzschnitte und Holzrisse, welches mit die beeindruckendsten Beispiele religiöser

Kunst in unserem Land enthält. Margret Bilger lebte Jahrzehnte hindurch in großer Abgeschiedenheit in einem kleinen Bauernhaus in Taufkirchen an der Pram, konzentriert auf die Vervollkommnung ihrer technischen Mittel und die Erweiterung der Ausdrucksskai» einer nahezu ausschließlich dem Schwarzweiß dienenden Kunst, deren unmodische Bildsprache und Haltung im Verein mit der durchwegs gegebenen hohen Qualität der Umsetzung eine die Zeiten überdauernde Wirksamkeit ausmacht.

Markieren Vilma Eckl, Margret Bilger, Gudrun Baudisch, Erika Rössing und die hier noch anzufügende Malerin Johanna Fladerer- Dorn Aufbruch und Fortführung der Kunst des Expressionismus und der Zwischenkriegszeit, so bestimmten Waltraut Cooper, Va- lie Export, Maria Moser, Elfriede Trautner und die aus Schweden gekommene Teppichweberin

Marga Persson nicht nur wichtige Positionen der bildenden Kunst seit 1960, sondern zugleich auch die virulente Problematik einer oft und oft expandierenden, neue Medien und Techniken berücksichtigende Entwicklung und Grundhaltung.

Malerei und Graphik haben nicht nur in den Möglichkeiten der Körpersprache und des Aktionismus grenzüberschreitende Erweiterungen erfahren, sondern auch im Bereich von Film und Video, was die in Wien lebende Linzerin Valie Export, die sich nicht zuletzt auch durch ihre Spielfilme („Unsichtbare Gegner”) einen international beachteten Namen gemacht hat, seit Jahren mit intelligenten und aufrüttelnden Arbeiten unterschiedlichster technischer und geistiger Komplexität unter Beweis stellt.

Daß die zuletzt genannten Künstlerinnen nur bedingt mit der Mitgehbereitschaft eines breiteren Publikums rechnen können,

liegt auf der Hand und in der Natur einer nicht nur in Einzelfragen außenseiterischen Sache. Das Kunstpublikum von heute wäre allerdings gut beraten, seinem weitgehend kulinarisch ausgerichteten Rezeptionsverhalten auch den geistigen Anspruch und die veränderten Ausdrucksformen einer pluralistischen Zeit anzuschließen.

Dies fordern geradezu die Werke der besten und kompromißlosesten Künstlerinnen eines Bundeslandes und einer Landeshauptstadt, die mit Veranstaltungen wie „Ars Electronica”, „Forum Metall”, „Forum Design” und dem heuer präsentierten Festival für Frauenkunst „Andere Avant Garde” bewußt und (wie vor allem die internationale Resonanz zeigt) auch höchst erfolgreich gegen Lethargie und provinzielle Selbstgenügsamkeit ankämpfen.

Der Autor leitet die Neue Galerie der Stadt Linz (Wolfgang-Gurlitt-Museum).

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