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Ochsenpflüge statt Traktoren

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Zwei Jahrzehnte UNO-Entwick-lungshilfe reichten nicht aus, um auch nur die brennendsten Probleme der Länder der Dritten Welt zu lösen und der Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen. Es müssen also neue, wirksamere Formen der Entwicklungshilfe gefunden und erprobt werden.

Einer davon, der sogenannten „Angepaßten Technologie", widmete die Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft (SWA) ihre neueste Studie, die in diesen Tagen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Ihre wichtigste Forderung ist die Planung sinnvoller Projekte an Ort und Stelle und genau auf die jeweiligen Gegebenheiten abgestimmt.

Warum ist die bisher gehandhabte Entwicklungshilfepolitik so oft gescheitert?

Dazu heißt es in der Studie: „Die Industrialisierung der Entwicklungsländer hat bisher die Arbeitslosigkeit nicht vermindert, sondern im Gegenteil verstärkt. Der Kapitaleinsatz Tür eine industrielle Beschäftigung der Arbeitslosen wäre astronomisch und ist nicht aufzubringen. Industrialisierung zerstört Arbeitsplätze im traditionellen Handel, im Gewerbe und in der Landwirtschaft."

Eine ähnliche Fehlentwicklung zeigt sich im Agrarbereich: Kleinbauern, Dorf- und Stammesgemeinschaften produzieren für den Eigenbedarf und für lokale Märkte. Aber die kapitalintensive Plantagenwirtschaft des Exportsektors dehnt sich immer weiter auf Kosten der Kleinbesitze aus. Folglich werden weniger Nahrungsmittel zur Eigenversorgung der ländlichen Bevölkerung produziert.

Dies trifft sogar für Zeiten von Hungerkatastrophen zu. Während im Dürrejahr 1972 der Norden Obervoltas eine Mißernte verzeichnete, exportierte der Süden seine Nahrungsmittelüberschüsse.

Ursachen für Mißerfolge in der Entwicklungshilfe liegen oft auch bei einer völlig falschen Planung aus Unkenntnis der örtlichen Gegebenheiten. Ein drastisches Beispiel dafür ist der Assuan-staudamm.

Das ursprüngliche Ziel eines Jahresarbeitsvermögens von 10 Milliarden Kilowattstunden wurde bisher noch

nicht erreicht, weil der Damm neben der Stromerzeugung vor allem zur Regulierung des Nilstromes und der künstlichen Bewässerung dient. Daher stand die benötigte Wassermenge zur vollen Auslastung der Kraftwerksanlage noch nie zur Verfügung. Mit dem Bau des Staudammes Fiel außerdem die natürliche Düngung des Bodens durch den Schlamm aus, was zu einer Verringerung der Anbaufläche von 15 Prozent in einem Jahrzehnt Führte.

„Angepaßte Technologie" - der Schlüssel zum Erfolg in der Entwicklungshilfe? Damit ein Projekt als Angepaßte Technologie im Sinne der SWA-Studie gelten kann, muß es folgende Kriterien erfüllen: Die neue Technologie muß den tatsächlichen Bedürfnissen der betroffenen Bevölkerungsgruppe entsprechen und ihr Interesse gefunden haben.

Sie darf den herrschenden Anschauungen, Sitten und Gebräuchen nicht zuwiderlaufen, muß leicht verständlich und durchführbar sein.

Die Betroffenen sollen neue Geräte selbst instandhalten und Ersatzteile anfertigen können. Die nötigen Rohstoffe müssen zur Verfügung stehen. Auch darf durch die neue Technologie kein Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnis entstehen. Weiters soll sie nicht von Anfang an im Widerspruch zu den herrschenden Mächten stehen, um nicht sofort unterdrückt zu werden.

Eine Grundlage dieser neuen Form der Entwicklungshilfe bildet das Prinzip der „Self-Reliance", also der Loslösung der Entwicklungsstaaten von der Bevormundung der Industriestaaten sowie eine Stärkung ihres Selbstbewußtseins. Diese Voraussetzung wird am besten durch Diskussionsgruppen an der Basis geschaffen. Entwicklungshelfer aus Industrieländern können dabei nur schwer eine führende Rolle übernehmen, sie würden nur die „Überlegenheit des Abendlandes" demonstrieren.

Solche Basisgruppen und kirchliche Basisgemeinden gibt es bereits in vielen Ländern der Dritten Welt. Zur Verwirklichung ihrer Ziele brauchen sie vor allem finanzielle Unterstützung.

Die Angepaßte Technologie wird bereits bei zahlreichen Projekten angewandt. So hat der tansanische Präsident Julius Nyerere für sein Land be-

wußt diese Entwicklungspolitik gewählt, denn: „Die Notwendigkeit, eine Technologie zu benutzen, die unseren Bedürfnissen angemessen ist und die wir uns auch leisten können, kann gar nicht überbetont werden. Wir müssen unsere landwirtschaftlichen Produktionsziffern erhöhen. Aber wir können es uns nicht leisten, dafür von Traktoren abhängig zu sein, die wir importieren müssen. Wir haben in unserem Land ungefähr 16 Millionen Rinder. Und wir können es uns leisten, Ochsen-pflüge zu kaufen - wir können sie sogar selbst herstellen..."

Was kann Österreich zum Erfolg der Angepaßten Technologie beitragen? Dazu meint die SWA-Studie: Die Projekte selbst müssen in den Entwicklungsländern entstehen und unter Mitarbeit der Bevölkerung ausgearbeitet werden. Dabei ist vielfach die Vermittlung von elementaren technischen Kenntnissen oder die Hilfe bei konkreten technischen Problemen nötig.

Hier fehlt es an geeignetem schriftlichem Informationsmaterial, das fachlich interessant und für Personen mit Volksschulbildung verständlich ist. Auch Tonbildreihen oder Filme könnten wichtige technische Grundkenntnisse vermitteln. Solche Unterrichtsbehelfe ließen sich durchaus in Österreich herstellen.

Deshalb verlangt die SWA-Studie, daß „zumindest für jenen Teil der Arbeit, der direkt auch der österreichischen Wirtschaft zugute kommt, öffentliche Gelder zur Verfügung zu stellen sind, die nicht zur Entwicklungshilfe gezählt werden". Denn die unter dieser Bezeichnung von der öffentlichen Hand vergebenen Mittel kommen ohnehin nur zu einem geringen Teil tatsächlich der (selbstlosen) Hilfe für die Dritte Welt zugute.

Zu dem Thema „Entwicklungspolitik" legte auch die österreichische Bischofskonferenz ein eigenes Dokument vor. Darin kommt auch sie zu dem Schluß, „daß bei technischen Programmen und Projekten darauf zu achten ist, daß Angepaßte Technologie gefördert wird, die kapitalsparend und arbeitsintensiv, für die unmittelbar Beteiligten durchschaubar und möglichst ohne ausländische Hilfe anwendbar ist".

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