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ÖH am Gängelband

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Seit geraumer Zeit ist die Finanzgebarung der Österreichischen Hoch-schülerschaft (ÖH) im Gerede. Eine Gesetzesnovelle will von oben herab „Ordnung schaffen“.

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Seit geraumer Zeit ist die Finanzgebarung der Österreichischen Hoch-schülerschaft (ÖH) im Gerede. Eine Gesetzesnovelle will von oben herab „Ordnung schaffen“.

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Hainburg, Jahreswende 1984/85: Die Besetzung der Au geht ihrem Ende entgegen, da flattert der österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) ein Schreiben des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, Heinz Fischer, ins Haus. Man möge, so fordert der oberste Studentenkon-trollor, eine Abrechnung darüber vorlegen, wie viele Studentengelder für die Besetzung in der Au verwendet wurden. Die ÖH legt diese Abrechnung vor, verweigert jedoch die Herausgabe der Spenderlisten mit den Namen der vielen hundert Menschen, denen die Erhaltung der Au ebenfalls ein Anliegen war.

Wenig später scheitert im Zentralausschuß der OH die Koalition zwischen der größten österreichischen Studentenpartei, der „Aktionsgemeinschaft“ (AG), und der konservativen „Jungen Europäischen Studenteninitiative“ (Jes) an der Frage der Unterstützung der Au-Besetzung.

Nach den Hochschülerschaftswahlen 1985 arbeiten nur noch AG und der Verband Soziaüstischer Studenten (VSStö) zusammen. Wenige Wochen darauf erfolgt eine anonyme Anzeige gegen die ÖH und ihren Wirtschaftsreferenten, der kurzzeitig in Untersuchungshaft genommen wird.

Anfang April 1986 hat dann Heinz Fischer eine Novelle zum Hochschülerschaftsgesetz vorgelegt. Diese Novelle dient einem Ziel: die „mangelhafte Kontrollmöglichkeit über die finanzielle Gebarung der Osterreichischen Hochschülerschaft zu beseitigen“ (erläuternde Bemerkungen der Regierungsvorlage).

Das grundsätzliche Problem wird allerdings wieder einmal nicht zur Diskussion gestellt: Das Wissenschaftsministerium als Verhandlungspartner, oft als Kontrahent der Studentenvertreter, kontrolliert diese in der Verwendung ihrer Geldmittel, die, oft genug, in Aktionen und Argumentationsgrundlagen gegen diesen Kontrollor eingesetzt werden müssen.

Man stelle sich vor: Rudolf Sal-linger kontrolliert den Gewerkschaftsbund, dem er gerade in einem innigen Tarifstreit verbunden ist.

Um gleich einem Mißverständnis vorzubeugen: nichts gegen Kontrolle. Auch die Uberprüfung durch den Rechnungshof geschah auf Wunsch der Studentenvertreter, deren Verankerung im nunmehrigen ÖH-Gesetzentwurf ebenfalls. Gesichert muß jedoch sein, daß die Handlungsfähigkeit einer (studentischen) Interessenvertretung, wie die jeder anderen auch, trotz Kontrolle der finanziellen Gebarung möglich bleibt

Vollends pervertiert wäre die Kontrollfunktion dann, wenn sie als Druckmittel in der politischen Auseinandersetzung zwischen Studenten und dem Ministerium eingesetzt werden könnte. Diese Möglichkeit hat Minister Fischer in der ÖH-Gesetznovelle nicht nur erhalten, sondern ausgebaut. Ein Partner im sensiblen Kräftespiel der Gruppenuniversität hat im Notfall Rückgriffsmöglichkeiten auf die Finanzen eines anderen.

Diese Möglichkeit war freilich schon bisher gegeben, nur wurde sie vom Wissenschaftsminister sehr lax gehandhabt. Auch das soll sich jetzt ändern.

Wie subtil der Versuch der Bürokratie ist, Macht und Kontrolle über eine unabhängige Studentenvertretung zu erhalten und zu sichern, zeigt folgendes Beispiel: Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Mensa- und Wirtschaftsbetriebe der ÖH ist gleichzeitig Vorsitzender der Kontrollkommission der ÖH, das heißt, diejenigen Studentenvertreter, die in Mensa und Wirtschaftsbetrieben auftreten, können sich wenig spä-

ter als die von derselben Person Kontrollierten wiederfinden.

Ein weiterer zentraler Punkt der ÖH-Novelle: Die österreichische Hochschülerschaft hat in den letzten Jahren eine Reihe von Aufgaben erledigt, die von den Universitäten wahrgenommen werden müßten und daher vom Wissenschaftsministerium zu bezahlen sind. Erinnert sei nur an die Maturantenberatung oder an die Tutorien.

Diese Tatsache hat gemeinsam mit der Praxis des Ministeriums, der ÖH zustehende Gelder verspätet auszuzahlen, die Studentenvertretung an den Rand ihrer Finanzierbarkeit geführt. Die Verbesserung dieser Situation wird mit dem neuen ÖH-Gesetz nicht erreicht.

Daneben wurde die def acto Arbeitsunfähigkeit der ÖH fixiert, sollte ein Beschluß über die Verwendung der Studentengelder aus fraktionspolitischen Überlegungen hintertrieben werden. Wissenschaftsminister Fischer hat sich nämlich eine gravierende Zugriffsmöglichkeit auf die Studentenvertreter eröffnet: Er kann, und das ist neu, „bei Feststellung grober Mängel in der Erfüllung der gesetzlichen Pflichten durch Studentenvertreter betreffend die Haushaltsführung in schweren Fällen die Genehmigung der pauschalierten Entschädigung versagen, aussetzen oder widerrufen“ (Gesetzestext). Das alles als Voraussetzung einer Entlassung eines Studentenvertreters aus seiner Funktion.

Gemeinsam mit der Erweiterung der Kompetenz der Kontrollkommission und der, neuerdings geschaffenen, Zuständigkeit des Universitätsdirektors (!) zur Kontrolle der Studentenvertreter an den Universitäten und den Fakultäten, hat sich Fischer möglicherweise ein geeignetes Mittel zur Disziplinierung unliebsamer ÖH-Funktionäre geschaffen. Denn zur bloßen Uberprüfung der Gebarung wäre eine vom Wissenschaftsminister unabhängige Instanz wohl besser geeignet gewesen.

ÖH-Insider bezeichnen das Gesetz bereits jetzt als „Schwachsinn“, weil es an den grundsätzlichen Problemen der Finanzierung der Studentenvertretung und den ewigen Grabenkämpfen zwischen ÖH und Ministerium wenig ändern wird.

Heinz Fischer scheint sich jedenfalls die idealistische Formel in Piatons politischem Programm zu eigen gemacht zu haben: „Bringt jede politische Veränderung zum Stillstand.“

Der Autor war Vorsitzender des Zentralausschusses der Osterreichischen Hochschülerschaft

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