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Öko-Harakiri in Japan?

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Recht häufig wird uns Japan als ,.Sauberland” in Sachen Umweltschutz präsentiert. Doch was den Europäern der Wald, ist dem Land in Zukunft vielleicht das Meer.

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Recht häufig wird uns Japan als ,.Sauberland” in Sachen Umweltschutz präsentiert. Doch was den Europäern der Wald, ist dem Land in Zukunft vielleicht das Meer.

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In den europäischen Massenmedien galt Japan noch in den siebziger Jahren als ein abschrek-kendes Beispiel für einen Staat, der auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit seiner Bevölkerung die Industrieproduktion vorantrieb.

Heute wird das Land dargestellt als Industriestaat, der seine Umweltprobleme wie kein anderes Land gelöst haben soll (siehe FURCHE Nr. 5/1985).

Dabei wurden beispielsweise die strengen Abgas- und Abwassernormen Japans erst eingeführt, als es für zahlreiche Menschen schon zu spät war. Die Betroffenen führten langwierige Prozesse gegen die Verursacher, also die Unternehmen. Diese Prozesse gingen in den siebziger Jahren alle zugunsten der Kläger aus. Dies waren etwa die Verfahren um die „Minamata”-Krankheit, bei der durch bleihaltige Industrieabwässer das Nervensystem geschädigt worden war. Oder die „Itai-itai”-Krankheit, die Knochenverkrümmungen hervorruft und durch Kadmium in Abwässern verursacht wurde. Zahlreiche Menschen starben an diesen Vergiftungen. Heute sind fast 100.000 Menschen in Japan als Umweltopfer anerkannt.

Die Erfolge der Bürgerinitiativen bei diesen Umweltprozessen gegen die Verursachef der Verschmutzung waren eine wesentliche treibende Kraft, die von der Regierung den Erlaß strengerer Umweltgesetze erzwang.

Probleme wie photochemischer Smog und der saure Regen sind sicherlich in Japan längst nicht mehr so alarmierend wie vor zehn Jahren, als diese Phänomene lebensbedrohende Ausmaße erreichten.

Seit Mitte der siebziger Jahre wird in Japan nur mehr bleifreies Benzin verkauft und sind die Autos mit Katalysatoren ausgestattet. Die Höchstgeschwindigkeiten auf Uberlandstraßen oder Autobahnen sind niedriger als etwa in Österreich. In der Abgasreinigung hat das Land sicherlich die auffallendsten Erfolge erzielt.

Und trotzdem: Was den Österreichern der Wald, ist jetzt den Japanern das Meer. Das Land ist heute mit seinen 24 Atomkraftwerken nach den USA, Frankreich und der UdSSR der viertgrößte Atomstaat. 13 weitere befinden sich im Bau und sieben in Planung, sodaß Japan bis 1990 voraussichtlich 44 Atomkraftwerke in Betrieb haben wird. Alle Kraftwerke liegen an der Küste. Dort ist die Entnahme von Kühlwasser aus dem Meer einfach. Japan verfolgt dabei eine Politik der maritimen Endlagerung, d.h. der Abfall wird 900 Kilometer südlich von Japan in 6.000 Meter Tiefe gelagert. Proteste der Inselbewohner wurden einfach ignoriert.

Seit Urzeit haben die Japaner eine harmonische Beziehung zum Meer, die heute offensichtlich von Regierung und Industrie zerschlagen wird. Als Beispiel sei der geplante Flughafen auf der Insel Ishigaki im Südwesten Japans erwähnt. Die Insel besitzt zwar einen Zivilflughafen, der aber angeblich zu klein ist. Um diese größeren Pisten zu bauen, müssen 130 Hektar Meeresfläche zugeschüttet werden. Dabei würde auch das längste und schönste Korallenriff

Japans, das in seiner Vielfältigkeit unvergleichlich ist, zubetoniert werden. Ein Zusammenbruch des dortigen Ökosystems wäre die Folge. Ein Großteil der Inselbewohner protestierte durch passiven Widerstand, was ein äußerst hartes Vorgehen der japanischen Bereitschaftspolizei nach sich zog.

Man kann also getrost sein: Das „Sauberland” Japan steht offensichtlich bei der Umweltzerstörung den europäischen Staaten in nichts nach.

Der Autor studierte Wirtschaftswissenschaften in Kyoto, Japan und ist Assistent am Institut für Japanologie in Wien.

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