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Ökumene am Scheideweg ?

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Kürzlich hat Kardinal König die Gläubigen aufgefordert, ihre Bischöfe zu bedrängen, wenn es auf dem Weg zur Einheit der Kirchen nicht weitergeht. Damit wird auf der einen Seite die Ökumene von unten in gewissem Sinn legitimiert, auf der anderen Seite die Ökumene von oben wegen ihrer Unbeweglichkeit und Entscheidungsunfähigkeit kritisiert.

Daß nun gerade jenes Buch, das sich als „Notschrei von Christen versteht, die den Eindruck haben, es gehe in dieser Sache nicht weiter”, durch das offizielle Vatikanblatt „Osservatore Romano” verurteilt und den Verfassern Karl Rahner und Heinrich Fries „ein außerhalb der katholischen Glaubenswahrheit liegendes Grundmotiv” unterstellt wird, bestätigt die obige Kritik und unsere Diagnose.

Christen, die als Christen (oft in einer konfessionsverschiedenen Ehe besonders) an der Zerrissenheit der Kirchen leiden, Theologen, die in mühevollen Dialogkommissionen reihenweise Konsenstexte erarbeitet haben, können es langsam nicht mehr hören, wenn es immer wieder heißt, jetzt habe man den „ersten Schritt” auf Einheit hin getan, ohne daß einmal irgendein weiterer, entscheidender Schritt gesetzt wird.

In dem Buch „Einigung der Kirchen—reale Möglichkeit” (bereits 1983 bei Herder erschienen) suchen also zwei führende katholische Theologen das, was an Einheit zwischen den Kirchen theologisch denkbar und realisierbar erscheint, in den wesentlichsten Punkten thesenhaft abzustecken und zu erklären. Gewiß muten sie der eigenen Kirche viel zu, aber vielleicht noch mehr den anderen Kirchen. So ist es kein Wunder, daß man „oben” zurückschreckt.

Wenn man die besten und engagiertesten Theologen, die leidenschaftlich daran arbeiten, den Weltskandal einer zerrissenen Christenheit zu sanieren, abqualifiziert, dann heißt das: Man wül weiterhin verbalen und nicht realen Ökumenismus.

Die Ökumene steht am Scheideweg: Die Basis hat sich entschieden, wohin sie gehen will, die Theologen haben den Weg gezeigt. Die, denen die Schlüssel der Himmelsherrschaft anvertraut sind, zögern, den Weg freizugeben.

Die Grundthesen der beiden Theologen: Alle (Teil-)Kirchen müßten grundsätzlich zu den Glaubensbekenntnissen (dem Apostolischen und dem von Ni-cäa-Konstantinopel) stehen, in keiner Kirche dürfe ein verpflichtendes Dogma der anderen ausdrücklich verworfen werden, so wenig wie einer Teilkirche die Zustimmung zu einem bestimmten Dogma einer anderen Teilkirche abgefordert werden darf.

Die „eine Kirche” soll aus den sich einigenden regionalen Teilkirchen ohne Strukturbereinigung gebildet werden. Alle sollen jedoch den Petrusdienst der Einheit, das Papstamt anerkennen, der Papst seinerseits aber erklären, wie bisher schon seine Entscheidungen in Gemeinschaft mit dem Gesamtepiskopat treffen zu wollen. Bischöfe sollen nach alter Uberlieferung an der Spitze der Untergliederungen der Teilkirchen stehen, ohne daß sie vom Papst ernannt werden müßten.

Der Schwierigkeit für die traditionelle katholische Auffassung, das Amt könne gültig nur durch Bischöfe weitergegeben werden, möchte man dadurch entgehen, daß bei allen Ordinationen auch katholische Bischöfe brüderlich mitwirken. So wäre der lehrmäßig nicht aufzuhebende Dissens hinsichtlich der Gültigkeit der Weihen auf realer Ebene aus der Welt geschafft. Es könnte zwischen allen Teilkirchen Kanzel-und Abendmahlsgemeinschaft hergestellt werden.

Kein wirklich profunder Kenner der Theologiegeschichte wird bei den Verfassern (aus der Sicht des katholischen Dogmas) häretische Sentenzen entdecken, vielmehr verlangen sie ihren Gesprächspartnern ein hohes Maß an gutem Willen und Verständnis ab. Umso weniger verdienen sie, Schläge gerade von daheim zu beziehen.

Univ.-Prof. Dr. Johannes B. Bauer ist Vorstand des Instituts für ökumenische Theologie und Patrologie an der Universität Graz.

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