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Ökumene und freier Glaube

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Das Jahr 1981 ist nicht nur das Jubiläurhsjahr des Toleranzpatentes Joseph II. für die evangelische Kirche im vormaligen und heutigen Österreich, sondern auch ein Jubiläumsjahr der Ökumene. Wurde doch vor 1600 Jahren das gemeinsame Bekenntnis der

Christenheit, das, J^izänum-Con-stantinopolitanum", verlautbart.

Später waren die regierenden Mächte, Kaiser und Kirche, der Uberzeugung, daß ein Reich nur regiert werden könne, wenn darin eine einzige Religion herrsche. Der Grundsatz „cuius regio, eius religio" blieb auch dann gültig, als aus dem Reformvorschlag der Anhänger Luthers im Jahre 1530 nach dem Tridentinischen Konzil eigene evangelische Kirchen entstanden.

Die Bemühungen der Kaiser Karl V., Ferdinand I., Maximilian IL, Rudolf II. und auch Ferdinand II. um die Glaubensspaltung im Reich zu überwinden, führte letztlich dazu, daß nach dem Frieden zu Augsburg 1555 und nach den Glaubenskriegen im Jahre 1648

neben der römisch-katholischen Kirche auch die lutherischen und reformierten Kirchen legale Existenz erreichten.

Nur in den habsburgischen Ländern blieb es bei dem alten Grundsatz „ein Land, ein Glaube". Besonders Karl VI. und Maria Theresia verfochten dieses Prinzip aufs äußerste, sodaß tausend evangelische Christen zum Teil auswanderten, zum Teil nach Siebenbürgen zwangsumgesiedelt wurden.

Erst Joseph II. brach mit diesem

Grundsatz und gestattete aus Gewissensgründen, aber auch aus Nützlichkeitserwägungen, den augsburgischen und helvetischen Konfessionsverwandten, wie auch den mit Rom nicht unierten Orthodoxen die Toleranz des Privatexerzitiums am 13. Oktober 1781.

Von falschen Toleranzerwartim-gen zeugen mannigfache Schriften des letzten Dezenniums des 18. Jahrhunderts. Eine Verwischung der Unterschiede von Religionen und Konfessionen kann sich niemals auf die Toleranz eines Joseph II. berufen und würde auch heute einen Toleranzbegriff einführen, der nichts anderes ist. als eine unwahre, geschichtslose Verwaschenheit.

Was Ökumene im Sinne des ökumenischen Rates der Kirchen ist, wird deutlich im ersten Artikel seiner Verfassung ausgedrückt: „Der ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes."

‘ Auch die römisch-katholische Kirche hat im Zweiten Vaticanum im sogenannten Ökumenismusdekret vom 21. 11. 1964 deutlich ausgesagt, was sie unter Ökumene versteht.

Da keine christliche Kirche . über eine politische Macht verfügt, anderen Konfessionen oder Religionen einen Freiraum zu verbieten oder zu gestatten, bedeutet Toleranz die Anerkennung von Glaubensüberzeugungen, die, wenn man sie auch nicht teilt, dennoch als dem Wesen und der Würde des Menschen entsprechend einschätzt.

Auf vielen Gebieten des praktischen Glaubenslebens, wie der Diakonie, des Gebetes, sowie der christlichen Ethik wird man Gemeinschaft und sogar Ubereinstimmung finden, doch auf manchen Gebieten der Lehre und der Rechtsvorstellungen wird man bleibende Unterschiede feststellen müssen. Sie können durch Gespräche und Studien wohl geklärt, aber nicht überwunden werden.

Es ist daher entscheidend, daß aus der Toleranz des lediglichen gegenseitigen Ertragens und nominellen Anerkennens eine echte Kooperation auf der alleinigen Basis der Gleichachtung und Gleichberechtigung christlicher Bekenntnisse hervorgeht. Sie wird zu einer versöhnten Gemeinschaft führen. In dieser Gemeinschaft wird es darum gehen, daß wir einander dienen, wie der Apostel Petrus sagt: „Dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes."

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