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ökumenische Wellenbewegungen

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Die Theorie, daß sich Geschichte, also menschliches Geschehen schlechthin, in Wellenbewegungen abspielt, trifft augenscheinlich auch auf die Ökumene in Österreich zu.

Weihnachten feiert man im allgemeinen säuberlich nach Kirchen getrennt. Persönlich kenne ich nur ein Beispiel einer ökumenischen Christmette: sie findet seit Jahren in Ried im Innkreis statt und hat ihren Ursprung wohl vor allem darin, daß dort die evangelische Gemeinde Gastrecht in der altkatholischen Kirche genießt.

Doch gleich im Jänner schwillt die ökumenische Woge gewaltig an: Die Weltgebetswoche für die christliche Einheit macht es den beruflich dazu verpflichteten ökumenikern schwer, mit den Terminen zurechtzukommen.

Besonders gefragt sind natürlich die Theologen der Minderheitskirchen, von denen meist nur einer auf hundert und mehr römisch-katholische und zumindest zwanzig evangelische Pfarrgemeinden kommt Sehr begehrt sind die exotisch aussehenden orthodoxen Würdenträger, aber auch nach weiblichen Pfarrern und nach Theologinnen besteht wegen eines immer noch vorhandenen Seltenheitswertes rege Nachfrage.

Das „Alle Jahre wieder ...“, im Hinblick auf das

Christkind eben erst verklungen, wird neu angestimmt in Form unzähliger ökumenischer Gottesdienste, Podiumsdiskussionen, „Kirchen-stellen-sich-vor“-Vorträgen.

„ökumenisch“ wird dabei in vielen Fällen nur bilateral verstanden, nämlich auf römisch-katholisch / evangelisch ausgerichtet, während man die orthodoxen Gastarbeiter im Pfarrbereich, die methodistischen oder altkatholischen Familien am Ort weder kennt noch einlädt.

Freilich soll nicht verallgemeinert werden, aber allein die Tatsache, daß man als „Minderheitstheologe“ jährlich um diese Zeit zu mindestens zwei „Kirchen-stellen-sich-vor“-Gesprächen eingeladen wird, beweist doch, wie sehr Ökumene in Österreich noch Rander-

scheinung im kirchlichen Alltag ist. Man kennt einander noch nicht einmal! Das soll nicht heißen, diese Aktivitäten seien abzulehnen.

Man hat sich also einander vorgestellt, gerührte Gemeindeglieder haben kundgetan, daß „dies auch ein schöner, christlicher Glaube“ sei, von dem da erzählt wurde (beinhart hinterfragt wird nur sehr selten), man hat miteinander gebetet und reuig die Sünde der Spaltung bekannt, man fand einander sehr nett und sympathisch -aber von einer das übrige Jahr über andauernden Aktion ist nicht viel zu merken. In den wenigsten Fällen zumindest.

Das würde wahrscheinlich auch seitens der kirchlichen Obrigkeit nicht allzu sehr begrüßt werden. Die Mitarbei-

ter sind ohnehin knapp, und wenn die Engagierten jetzt noch fremd gehen ...

Nach dieser dritten Jännerwoche rutscht die österreichische Ökumene - und das soll nicht nur bei uns so sein - wieder ins Wellental.

Am ersten Freitag im März kommt es dann wieder zu einer kräftigen Aufwärtsbewegung in Form des Weltgebetstages der Frauen, der sich in den letzten Jahren bei uns sehr erfreulich aus kleinsten Anfängen kräftig und das gesamte Bundesgebiet umfassend entwickelt hat.

Die Begegnungen, die aus diesem zweiten „Hochfest“ der Ökumene entstehen, sind vielfach tiefer, menschlicher als die Ergebnisse der Weltgebetswoche und tragen sehr oft beachtliche Früchte. So hörte ich von einigen Ge-

betskreisen, die Frauen verschiedener Kirchen da und dort das ganze Jahr über zusammenführen und die aus diesem gemeinsamen Gottesdienst am ersten Märzfreitag entstanden sind.

Damit soll nicht wieder einmal versucht werden, zu beweisen, daß Frauen die besseren Christen sind - sie sind eben religiös intensiver angelegt und daher eher bereit, Ökumene wirklich zu üben.

Was ich mir wünsche?

Ich wünsche mir, daß sich die große ökumenewelle des Jahresanfangs - Ostern feiert man ja wieder schön-getrennt - nicht verlaufe. So vieles könnte das ganze Jahr über gemeinsam getan werden -angefangen vom gemeinsamen Bibelstudium bis zur gemeinsamen Kranken- und Altenbetreuung, von Runden konfessionell gemischter Ehepaare bis zur gemeinsamen Bewältigung von Problemen öffentlichen Interesses (Spielplätze und Kindergärten zum Beispiel).

Für all das wären die beiden ökumenischen Jahreshöhepunkte nicht nur Ausgangspunkt, sondern unter Umständen auch „Erntedankfest“. Uber diese Wo-genglättung sollten nicht nur Geschichtstheoretiker einmal nachdenken.

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