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Digital In Arbeit

Ölalarm aus dem Computer

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Globale Umweltprobleme verlangen nach weltweiter Zusammenarbeit. Der Computerkonzern IBM präsen­tierte kürzlich in Genf seine neueste Umwelt- und Informationstechnologie

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Globale Umweltprobleme verlangen nach weltweiter Zusammenarbeit. Der Computerkonzern IBM präsen­tierte kürzlich in Genf seine neueste Umwelt- und Informationstechnologie

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Fasziniert starren rund 50 Au­genpaare auf die bunten Bilder, die drei junge Wissenschaftler aus ih­rem Computer in einen Video-Pro­jektor zaubern. Afrikas Vegetation auf einen Blick, in leuchtenden Farben. Der Waldbestand Costa Ricas in sattem Blau. Das war al­lerdings 1940. Eine schmale blaß­grüne Fläche ist geblieben. Es ist der Restbestand des Jahres 1977. Man kann genau sehen, in welchen Regionen des Landes besonders viel abgeholzt wurde.

Es folgen grafische Darstellun­gen über abnorme Temperatur- Schwankungen in den verschieden­sten Regionen der Erde'; die beschä­digte Ozonschicht ist ebenfalls schon registriert, ausgewertet und in bunten Farben zu sehen.

Vor lauter Faszination über die­se „Computerspiele" könnte man fast vergessen, worum es hier im Seminarraum eines Genfer Hotels eigentlich geht. Und was die bun­ten Bilder ausdrücken. Sie sind nämlich kein Spiel, sondern die Um­setzung von Daten über den teil­weise katastrophalen Zustand der Erde in Bilder. Auf einen Blick wird sichtbar, was sonst nur bruchstück­haft die Medien vermelden.

Der Computer-Multi IBM hatte westeuropäische Journalisten und Wissenschaftler nach Genf geladen, um einen Einblick in neue Umwelt-und Informationstechnologien zu vermittlen. Überraschend viele Maßnahmen sind technisch bereits möglich und einsetzbar, um der weltweiten Zerstörung von Lebens­räumen entgegenzusteuern.

Helmut Metzner, Präsident der Academia Oecologica in Tübingen machte in seinem Einleitungs­statement einmal mehr deutlich: Es geht beim Umweltschutz längst nicht mehr darum, seltene Pflan­zen zu erhalten, verfolgte Tiere zu beschützen. Es geht um uns selbst, um die Lebensbedingungen der Menschen.

Keine Frage, wer würde da nicht zustimmend nicken? Nur - handeln sollten sie jetzt halt endlich. Die Wissenschaftler, die Politiker, die Manager in den großen Konzernen. Immer wieder merkt man auch Ungeduld in den Fragen der Jour­nalisten. Sie sind so ungeduldig wie die meisten Menschen in ihren Ländern. Treibhauseffekt, Ozon­loch, brennende Tropenwälder, saurer Regen, Müll, Fischsterben, Klimaschwankungen, verheeren­de Stürme. Erschrecken diese Mel­dungen nicht ohnehin schon zur Genüge? Wann geschieht etwas?

Aber David E. McKinney, Präsi­dent von IBM Europe, macht deut­lich: Die Umweltprobleme haben bereits ein globales Ausmaß ange­nommen. Und sie müssen auch global angegangen werden. „In diese Richtung gibt es bereits posi­tive Entwicklungen. Die Staaten haben inzwischen gelernt, einan­der zuzuhören und zusammenzuar­beiten." Sogar die Ostblockländer verstecken sich nicht mehr nur hinter gefälschten Daten, Statisti­ken oder beharrlichem Schweigen.

Der Schlüssel für die Bewälti­gung der Umweltprobleme, sagt der IBM-Präsident, liegt im Koordinie­ren und Auswerten von verläßli­chen Daten. Diese Umwelt-Daten gibt es auch schon. Von Satelliten, von Forschern, von Technikern. Sie müssen allerdings zusammengefaßt und ausgewertet werden. Erst dann können entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Umweltpro­bleme sind eben nicht monokausal zu erklären. Da hat man keinen Schuldigen, den man an den Öko­Pranger stellen kann. (Das merkt man auch jetzt wieder bei der Dis­kussion über die Ursachen für die verheerenden Stürme in Europa. Die Klimatologen liefern andere Er­klärungen als die Meteorologen. Immer wieder heißt es, für verläßli­che Aussagen liegen eben noch nicht genug gesicherte Daten vor).

IBM besitzt bereits jahrzehnte­lange Erfahrung im Sammeln und Auswerten von solchen Daten. Der Konzern verwendet nach eigenen Angaben rund 15.000 verschiede­ne chemische Substanzen in der Computerproduktion, die genau registriert und kontrolliert werden müssen. Eine Milliarde, so war kürz­lich zu lesen, hat IBM auch bereits in hauseigene Umweltschutz­einrichtungen investiert.

Im Vorjahr rüstete der Konzern sein Wissenschaf tszentrüm im nor­wegischen Bergen mit Spitzentech­nologie aus. Sogar ein IBM-Super­computer ist dort im Einsatz. Mittels Computersimulation, be­richtet Manager Pat Gaffney in Genf, werden beispielsweise die Auswirkungen von Ölkatastrophen oder die Verseuchung des Grund­wassers untersucht. Die Algenpest in der nördlichen Adria wurde letzten Sommer ebenfalls mit Hilfe eines solchen IBM-Computerpro-grammes analysiert.

Das Zentrum in Bergen arbeitet auch eng mit GRID zusammen. Hinter GRID (Global Resource In­formation Database) verbirgt sich eine relativ unbekannte und auch unbeachtete „grüne" Aktivität der UNO, nämlich die Erforschung von Umweltzerstörungen und ihre lang­fristigen Folgen mittels weltweiter Datensammlung und Auswertung. 1988 wurde auch GRID von IBM mit Computern ausgestattet.

So wird von dieser UNO-Organi-sation an einem Datennetzwerk geknüpft. Ausgehend von Nairobi, gibt es weitere Stützpunkte in Genf, Bangkok und South Dakota in den USA. Untersucht wurden bereits die Ursachen der Hungerkatastro­phen in Afrika, ebenso die Schwan­kungen des Meeresspiegels im Mittelmeer. In China, Indonesien und Peru liefen intensive Forschungen über Möglichkeiten der Landgewin­nung. In Costa Rica wurden Kü­stengebiete auf ihre ökologische Empfindlichkeit hin überprüft; in Thailand und Uganda die Folgen von großflächigen Waldrodungen untersucht.

Dieses weltweite UNO-Datennetz soll den nationalen Regierungen Entscheidungsgruridlagen liefern. Für Investitionen in den Umwelt­schutz etwa, oder für die Art der Landnutzung, dem Anlegen eines Tier-Reservates. Das Ziel der Or­ganisation ist die Ausarbeitung von nationalen Umweltstandards. Diese werden natürlich je nach Grad der Zerstörung und Einschätzung der zukünftigen Entwicklungen un­terschiedlich ausfallen. Aber zu­sammen ergeben sie ein sinnvolles internationales Umweltschutz-Netz. Ähnlich wie bei Erdbeben sol­len letztlich Frühwarnsysteme die nationalen Alarmglocken im Be­darfsfall schrillen lassen.

An technischen Möglichkeiten mangelt es also nicht. Ole Hebin, dänscher GRID-Manager, beklag­te aber sicher nicht zu Unrecht in Genf die fehlende Bereitschaft (vielleicht auch fehlendes Interes­se?), diese Erkenntnisse politisch entsprechend ein- und umzusetzen.

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