6870364-1978_21_02.jpg
Digital In Arbeit

örtlich bewältigte Ökumene

Werbung
Werbung
Werbung

Noch vor etwa zehn Jahren war es möglich, daß ein Spötter behaupten konnte, im „heiligen Land Tirol“ sei die Ökumene schon so weit fortgeschritten, daß der katholische und der evangelische Religionsprofessor eines bestimmten Innsbrucker Gymnasiums einander grüßten, wenn sie sich auf der Treppe zum Konferenzsaal begegnen.

Zu den hoffnungsvollen Anzeichen der Ökumene gehört es, daß sich in-, zwischen nicht nur in Innsbruck, sondern an vielen Orten Österreichs kleine, engagierte ökumenische Arbeitsoder Gesprächsgruppen zusammengefunden haben, für die das Miteinan-der-Christ-Sein zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Im konkreten Fall Innsbruck hat sich ein Kreis konfessionell gemischter Ehepaare gefunden, die regelmäßig zusammenkommen und ihre Probleme gemeinsam besprechen. Darüber hinaus gibt es einen theologischen Arbeitskreis, der seinen Einfluß mehr und mehr geltend macht.

Wenn es richtig ist, daß es in Österreich ein ökumenisches Ost-West-Gefälle gibt, so darf mit Recht ein noch stärkeres Wirken der „Ökumene am Ort“ in den östlichen Bundesländern zu erwarten sein als in Tirol.

Dieses ökumenische Gefälle ist von der konfessionellen Verteilung her durchaus verständlich. Die fast

durchwegs römisch-katholische Bevölkerung Tirols kommt kaum jemals mit einem Angehörigen einer anderen Kirche in Berührung. Vor einigen Jahren war ich in einem Osttiroler Dorf die erste Altkatholikin, die die Leute dort je zu Gesicht bekommen hatten, allerdings waren schon mehrmals einige „lutherische Ketzer“ in der Gestalt deutscher Urlauber „festgestellt“ worden.

Je mehr man nach Osten vordringt, desto stärker ist, besonders in Oberösterreich und Kärnten, das evangelische Element vertreten. Trotzdem geschah es in diesem März, daß anläßlich des „Weltgebetstages der Frauen“ am ersten Märzfreitag rö misch-katholische Christinnen zum erstenmal in ihrem Leben das evangelische Gotteshaus ihres Dorfes betreten haben, um dort mit ihren lutherischen Schwestern für den Frieden in der Welt zu beten. Seither hat sich ih diesem konfessionell sehr konservativen Ort eine ökumenische Frauenrunde gebildet, die nicht nur gemeinsam betet, sondern sich auch recht praktisch fürsorgerisch betätigt. Ähnliches ist in Braunau geschehen, wo Frauen aus mehreren Kirchen gemeinsam karitativ wirken.

Es gibt viele Gruppen dieser Art, manche von ihnen haben sich „einfach so“ zusammengefunden, aus dem richtigen Gefühl heraus, daß Christentum

nur dann glaubhaft ist, wenn seine Anhänger gemeinsam und nicht gegeneinander wirken.

Wenn auch spontan entstanden, so haben weder die Gruppen selbst noch ihre Angehörigen im einzelnen den Kontakt mit ihren Kirchen verloren. Es hat vielmehr den Anschein, als ob gerade Christen, die besonders fest in ihren Kirchen verankert sind, sich auch ökumenisch engagieren.

Ein gutes Beispiel dafür ist der ökumenische Arbeitskreis, der sich in Oberdöbling gebildet hat. Initiatoren waren die drei Religionsprofessoren an einem der Döblinger Gymnasien. Zentrum wurde die Pfarrkirche St. Paul. Hier wird nicht „nur“ gemeinsam gebetet. In Studienabenden erarbeiten sich die etwa zwölf Mitglieder des Arbeitskreises aus der römisch-katholischen, evangelischen und altkatholischen Ortsgemeinde bessere Kenntnis voneinander. In Vortragsabenden stellen sie ihre Kirchen den Gemeindeangehörigen vor, und als vor einiger Zeit eine Sekte ihren Tempel mitten in den Bezirk baute und Gefahr bestand, daß intensive Proselytenma-cherei betrieben werde, informierte man gemeinsam die betroffenen Gemeinden.

Die Gemeindeglieder lernten einander kennen und schätzen, erkennen sich nur als aktive Christen, plaudern miteinander, freuen sich an der neuentdeckten Gemeinschaft. Und es kann als durchaus symptomatisch angesehen werden, wenn ein treues Mitglied der römisch-katholischen Pfarrgemeinde im Gespräch mit einer anderen alten Dame auf den evangelischen Seelsorger weist, der eben ein Geschäft verläßt und sagt: „Schauen Sie, das ist unser evangelischer Pfarrer!“

Stagnation in der Ökumene? Ich glaube nicht. Die Lebenszeichen sind stärker als zuvor. Sie regen sich überall. Man muß sie nur beachten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung